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Neue Sanktionen gegen Russland: Wird Diesel jetzt teurer?

Bild: Sandra W. auf Pixabay

Die Versorgung mit Diesel sei gesichert, verspricht die Bundesregierung. Ökonomen sind sich nicht einig, ob Preise ansteigen werden. Warum gerade die Ostdeutschen das Embargo an der Tankstelle spüren könnten.

Am Sonntag sind neue Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland in Kraft getreten. Nach dem Einfuhrverbot von russischem Rohöl auf dem Seeweg nimmt die EU nun auch weder Diesel, Benzin, Heizöl noch Schmierstoffe mehr ab.

Die Bundesregierung verspricht, dass die Menschen in Deutschland die Folgen nicht an den Tankstellen zu spüren bekommen. "Die allgemeine Versorgungssicherheit und die Sicherheit der Versorgung mit Kraftstoffen ist gewährleistet", erklärte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Auch der Mineralölverband Fuel und Energie (en2x) sieht die Versorgung laut dpa als gesichert an. In einer kürzlich veröffentlichten Erklärung wies der Verband allerdings auf die Herausforderungen [1] hin, die mit dem Embargo verbunden sind.

"Wir stehen vor der Herausforderung, in Deutschland rund vier Millionen Tonnen Diesel pro Jahr zu ersetzen, die bislang aus Russland eingeführt wurden", erklärte en2x-Hauptgeschäftsführer Christian Küchen. Das entspreche etwa einem Achtel des Bedarfs.

Der Verband schließt dabei nicht aus, dass die Preise für Diesel an den Tankstellen steigen werden. Die Preisentwicklung könne nicht vorab eingeschätzt werden, sagte Küchen. "Die Preise richten sich nach Angebot und Nachfrage am Weltmarkt."

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), hatte am Freitag im RBB-Inforadio gesagt, dass er ebenfalls nicht mit steigenden Preisen für Benzin und Diesel rechne. Das Embargo sei acht Monate lang vorbereitet worden, betonte Kellner, und die Mineralölkonzerne hätten Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Es sei deshalb seine Erwartung [2] an die Mineralölkonzerne, dass die Preise stabil bleiben.

Unter Ökonomen ist indessen umstritten, ob das Embargo zu Preissprüngen an den Zapfsäulen führen wird. Jens Südekum zeigte sich gegenüber dpa überzeugt, dass es zu keinen dramatischen Preissprüngen kommen werde. In den vergangenen Wochen und Monaten habe es "an den Häfen Rotterdam, Antwerpen oder Amsterdam regelrechte Hamsterkäufe" gegeben. Die Diesellager seien deshalb bis zum Anschlag voll.

Eine etwas langfristigere Perspektive nahm in der Debatte Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ein. Diesel sei auf dem Weltmarkt knapp, erklärte er gegenüber dpa. Wenn die EU nicht mehr in Russland kaufe, müsse sie den Treibstoff aus entfernteren Gegenden einführen. Hinzu komme, dass die Kapazität der Spezialschiffe begrenzt sei. Verbunden mit den längeren Routen mache das den Transport teurer.

Versorgung ostdeutscher PCK-Raffinerie unsicher

Während die Versorgung in Westdeutschland weitgehend gesichert ist, bleibt in weiten Teilen Ostdeutschlands ein Risiko bestehen. Um die PCK-Raffinerie in Schwedt entspinnt sich zunehmend ein Krimi, bei dem die polnische Regierung mit aller Macht versucht, die Enteignung von Rosneft Deutschland durchzusetzen.

Zwischen deutscher und polnischer Regierung besteht eine Vereinbarung. Demnach soll ein Teil der Lieferungen von Rohöl über den Hafen in Danzig abgewickelt werden. Von dort soll es dann über die Druschba-Pipeline nach Schwedt transportiert werden. Doch im Januar zeigte sich, dass die Lieferungen keineswegs gesichert sind.

Am Montag berichtete Business Insider über den Fall. Demnach weigerte man sich in Danzig, für Schwedt bestimmtes Rohöl zu entladen [3]. Gechartert wurden die Tanker von den PCK-Anteilseignern Rosneft Deutschland und Shell. Laut Bericht wurde nur das Schiff von Shell dann doch noch mit Verzögerung entladen. Bei dem Rosneft-Tanker weigerte man sich: Unter keinen Umständen wolle man es entladen, erklärte die polnische Seite demnach.

Das polnische Ministerium für Klima und Umwelt habe schriftlich erklärt [4], heißt es in dem Bericht weiter, dass man "keine Maßnahmen im Namen von Rosneft unterstützen" werde. Schließlich hätten beide Regierungen vereinbart, "dass keine gemeinsamen Maßnahmen direkt der russischen Regierung oder den von ihr kontrollierten Unternehmen zugutekommen dürfen".

Wenn es um die eigene Versorgung geht, handelt die polnische Seite aber weniger rigoros. Denn noch immer importiert Polen erhebliche Mengen Rohöl aus Russland. Laut Nachrichtenagentur Reuters waren es allein im Januar [5] rund 500.000 Tonnen – obwohl sich auch Polen zum freiwilligen Verzicht verpflichtet hatte.

Einiges lässt vermuten, dass die polnischen Raffinerien auch weiterhin mit Erdöl aus Russland versorgt werden. Drei Millionen Tonnen sollen sie für 2023 geordert haben, behauptete der Betreiber der Druschba-Pipeline, der russische Energiekonzern Transneft.

Ein Dementi aus Polen blieb aus, ganz im Gegenteil. Die Märkischen Oder-Zeitung (MOZ) berichtete am Montag, der polnische Konzern PKN Orlen wolle erst aus dem Geschäft aussteigen [6], wenn die Europäische Union auch Sanktionen gegen Pipeline-Lieferungen beschließe. Erst Ende 2024 laufe ein Vertrag mit dem russischen Erdölkonzern Tatneft aus und ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Vertrag ohne Sanktionen werde dem Konzern zu teuer.


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https://www.heise.de/-7486922

Links in diesem Artikel:
[1] https://en2x.de/2023/02/01/eu-embargo-gegen-russische-mineraloelprodukte-tritt-in-kraft/
[2] https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2023/02/03/EU-Russland-Sanktionen-Diesel-Benzin.html
[3] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/deutsche-pck-raffinerie-polen-blockiert-ollieferungen-uber-danzig-2-c/
[4] https://www.jungewelt.de/artikel/444392.folgen-des-embargos-pck-ohne-%C3%B6l.html
[5] https://www.reuters.com/business/energy/russia-ship-20000-tonnes-oil-kazakhstan-germany-via-druzhba-pipeline-feb-2023-01-31/
[6] https://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/tanken-in-polen-warum-polen-immer-noch-erdoel-aus-russland-importiert-69037449.html