Neue Seidenstraße und IMEC: Wie Infrastrukturprojekte die Weltordnung prägen
USA und China ringen um globalen Einfluss durch Aufbau von Infrastruktur. Doch das von den USA initiierte Projekt IMEC könnte scheitern. Das sind die Hintergründe.
Die globalen Beziehungen sind von geopolitischen Machtspielen geprägt, wobei sich die USA und China als Hauptkonkurrenten herauskristallisieren. Eine ihrer Waffen im Kampf um globalen Einfluss sind Infrastrukturprojekte.
Belt & Road Initiative: Chinas Weg zur globalen Vernetzung
Vor knapp zehn Jahren rief die Regierung in Beijing die Belt & Road Initiative (BRI) ins Leben, die auch als Neue Seidenstraße bekannt ist. Das Infrastruktur- und Handelsprojekt verbindet nicht nur die Länder Asiens, sondern reicht bis nach Europa.
IMEC: Die Antwort der USA und Verbündeter auf Chinas Einfluss
Dem wachsenden Einfluss Chinas versuchen die USA und andere Staaten mit dem India-Middle East-Europe Economic Corridor, kurz IMEC, zu begegnen. Das Projekt wurde am Rande des G-20-Gipfels in Indien mit großem Tamtam angekündigt.
Auf der Schiene sollen Güter von Europa nach Indien und umgekehrt transportiert werden. Über neu zu schaffende Pipelines sollen Energieträger wie Wasserstoff geliefert werden und neue Kabelverbindungen sollen die Länder auch digital näher zusammenbringen.
Doch während die Neue Seidenstraße einige Erfolge vorweisen kann, steht IMEC nach nur wenigen Monaten vor erheblichen Problemen: Der Krieg zwischen Israel und der Hamas gilt laut Politico als größtes Hindernis. Aber auch die Finanzierung des gigantischen Projekts ist noch weitgehend unklar.
Saudi-Arabien: Ein Schlüsselakteur in den regionalen Beziehungen
Die arabischen Länder sind für IMEC von zentraler Bedeutung, und regionale Konflikte wirken sich entsprechend verheerend auf das Projekt aus. Geplant ist, dass die Güter aus Indien über eine Schiffsroute in die Vereinigten Arabischen Emirate transportiert werden.
Von dort geht es per Bahn weiter nach Saudi-Arabien, Jordanien und Israel. In Haifa sollen die Waren dann wieder auf Schiffe verladen und nach Griechenland transportiert werden.
Konflikte und Herausforderungen im Mittelmeer und Nahen Osten
Der Krieg im Gaza-Streifen hat die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel erneut getrübt, was als großes Hindernis für die Umsetzung des Projekts gilt.
Im Mittelmeer lauert der nächste Konfliktherd: Die Gewässer, durch die die Transporte führen sollen, sind zwischen Griechenland und der Türkei umstritten. Die Regierung in Ankara zeigt sich daher wenig begeistert von dem Projekt.
Finanzierung des IMEC-Projekts: Eine offene Frage
Die Finanzierung des Projekts, das mehr als 2.000 Kilometer Schienen, zudem Pipelines und digitale Hochgeschwindigkeitskabel umfasst, ist noch offen.
So ist zum Beispiel noch unklar, wer genau die zig Milliarden Dollar bezahlen wird, die für die Verbesserung der bestehenden Infrastruktur und die Schließung von Lücken benötigt werden. Große Teile der Strecke müssen noch im schwierigen Gelände des Nahen Ostens gebaut werden.
Saudi-Arabien hat bereits Investitionen in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar zugesagt, von denen vermutlich ein Großteil in den Ausbau des inländischen Schienennetzes fließen wird. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben nach eigenen Angaben fast 90 Prozent ihrer Schieneninfrastruktur fertiggestellt.
Herausforderungen bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten
Probleme gibt es auch bei der Verlegung der Pipelines, die für den Transport von sauberem Wasserstoff benötigt werden. Hierfür gebe es bislang nicht einmal eine Machbarkeitsstudie, so Politico. Das Gleiche gilt für Hochgeschwindigkeitskabel.
Besonders zögerlich ist die Europäische Union bei der Finanzierung. Analysten meinen, Europa zaudere, um China nicht herauszufordern.
Die strategische Bedeutung des IMEC für die USA
Die USA spielen in diesem Projekt eine zentrale Rolle. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie damit den chinesischen Einfluss auf andere Länder zurückdrängen wollen. Das Wall Street Journal (WSJ) schrieb Anfang Dezember, dass nicht China, sondern die USA und ihre Verbündeten die für die grüne Transformation notwendigen Lieferketten kontrollieren sollten. Mit IMEC habe man Beijing den Fehdehandschuh hingeworfen.
Ähnlich äußerte sich Bloomberg bereits im September letzten Jahres. Bei IMEC gehe es nicht nur um eine neue Handelsroute. Schließlich sei der Transport auf dem Seeweg immer noch billiger und mit weniger Reibungsverlusten verbunden. Vielmehr soll das Projekt den Ländern Westasiens – und Indiens – einen Grund geben, mit den USA und untereinander in Kontakt zu bleiben.
Handelsdynamiken zwischen Saudi-Arabien, China und den USA
So hat der Handel zwischen Saudi-Arabien und China in den vergangenen zehn Jahren zugenommen, während er mit den USA abgenommen hat. Damals belief sich der Nettohandel mit beiden Ländern auf über 72 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Im Jahr 2021 stieg er mit China auf 87 Milliarden US-Dollar, während der Handel mit den USA im gleichen Zeitraum auf 25 Milliarden US-Dollar sank.
Washingtons Strategie zur Bindung der Golfstaaten
Aus Sicht Washingtons bedeutet diese Entwicklung, dass Saudi-Arabien in den chinesischen Orbit abdriften und den Rest der Golfregion mit sich reißen könnte. Deshalb versucht man, die Golfstaaten wirtschaftlich an Indien zu binden.
Für die USA ist IMEC noch aus einem anderen Grund von Vorteil: Washington muss dafür wahrscheinlich keinen Cent in die Hand nehmen. Die veranschlagten 300 Milliarden Dollar werden stattdessen von den Saudis, den Emiraten, den Indern und den Europäern aufgebracht.
Zukunftsaussichten des IMEC-Projekts
"Selbst wenn sich IMEC als Blindgänger erweist, werden die USA nicht auf dem Trockenen sitzen", hieß es bei Bloomberg.
Ob IMEC als Blindgänger enden wird, hängt nun etwa davon ab, wie lange der Krieg in Israel anhalten wird. Vermutlich erst, wenn sich Israel und Saudi-Arabien wieder annähern, hat das Projekt überhaupt eine realistische Zukunft. Und die Europäer müssten die notwendigen Gelder mobilisieren.
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