Neue Studien zu "nuklearer Hungersnot"
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Selbst ein "begrenzter" Atomkrieg könnte zu einer globalen Abkühlung führen. Weltweite Hungerkatastrophe mit bis zu 2,5 Milliarden Toten droht. Wie die Gefahr durch den Ukraine-Krieg unterschätzt wird.
Die deutsche Sektion der Ärzte- und Friedensorganisation IPPNW hat Mitte des Monats einen 27-seitigen Bericht mit vielen eindrucksvollen Abbildungen und instruktiven Tabellen mit dem Titel "Nukleare Hungersnot" veröffentlicht. Es handelt es sich um die deutsche Übersetzung einer Arbeit, die von einem Team der Physicians for Social Responsibility, der US-amerikanischen Sektion der IPPNW, unter Leitung des Arztes, Wissenschaftlers und Journalisten Matt Bivens erstellt worden ist.
Auf diesen Bericht soll dieser Artikel aufmerksam machen. Er schließt sich inhaltlich an meinen letzten Telepolis-Artikel an, der darauf hinweist, dass seit Beginn des Ukraine-Krieges die Gefahr eines Atomkrieges wieder real ist.1 Dort habe ich im Abschnitt "Schlussfolgerungen" auch auf eine neuere Arbeit über mögliche ökologische Folgen eines Atomkrieges hingewiesen.
Seit Langem ist bekannt, dass ein großer Atomkrieg die moderne Zivilisation zerstören und einen Großteil der Menschheit auslöschen könnte. Aber was ist mit einem "begrenzten" Atomkrieg, der nur in einer Region der Erde stattfindet oder bei dem bloß ein kleiner Teil des weltweiten Arsenals zum Einsatz kommt?
Auch ein begrenzter Atomkrieg führt zu einem Temperatursturz
Dieser IPPNW-Bericht fasst die jüngsten wissenschaftlichen Studien zusammen, die zeigen, dass sich ein sogenannter "begrenzter" oder "regionaler" Atomkrieg weder begrenzt noch nur regional auswirken würde. Ganz im Gegenteil, er hätte Auswirkungen auf den gesamten Planeten.
"Ein großer Prozentsatz der Menschen wird verhungern", wird Lili Xia, Klimawissenschaftlerin an der Rutgers University in New Brunswick, New Jersey, in einem aktuellen Nature-Artikel zu diesem Thema zitiert.2
Er wäre tatsächlich gefährlicher, als uns bis vor wenigen Jahren bewusst war. Auch wenn bei einem Krieg nur drei Prozent, das heißt weniger als ein Zwanzigstel der weltweiten Atomwaffen, detonieren würde, kämen das Klima, die globalen Nahrungsmittelketten und wahrscheinlich die öffentliche Ordnung zum Erliegen. Millionen, vielleicht sogar Milliarden von Menschen kämen durch Hungersnöte und Unruhen ums Leben.
"In einem Atomkrieg käme es durch auf Städte und Industriegebiete abgeworfene Bomben zu Feuerstürmen, und das würde große Mengen an Ruß in die Atmosphäre befördern, die sich dann rasch verbreiten und den Planeten abkühlen würden", sagt die oben genannte Wissenschaftlerin in der richtungsweisenden, im August 2022 in Nature Food veröffentlichten Studie, deren Ergebnisse in dem IPPNW-Bericht an vorderster Stelle angeführt sind.3
Das von Xia an der Rutgers Universität geleitete internationale Team hat anhand von fünf verschiedenen Szenarien eines begrenzten Atomkrieges zwischen Indien und Pakistan untersucht, wie viel sonnenverdunkelnder Ruß entstehen würde.4
Berechnet wurde, wie stark die globalen Temperaturen im Ergebnis fallen würden, was mit dem Nahrungsmittelanbau passieren würde und letztendlich, wie viele Menschen wahrscheinlich verhungern würden.
Die Ergebnisse: So grauenvoll es in der Kriegszone mit den vielen Millionen unmittelbaren Todesfällen selbst auch sein würde – die Zahl dieser regionalen Todesopfer würden in den darauffolgenden Monaten und Jahren gering erscheinen im Vergleich mit der riesigen Zahl an Hungertoten weltweit.
Selbst ein kleiner Konflikt, in dem sich zwei Länder gegenseitig mit Atomwaffen bekämpfen, könnte zu einer weltweiten Hungersnot führen, wie diese neuen Forschungsergebnisse nahelegen.
"Hunger könnte ein Drittel der Erdbevölkerung töten", schreiben die Autorinnen und Autoren der genannten Studie, und das schon als Folge eines Krieges zwischen Indien und Pakistan, bei dem weniger als drei Prozent des globalen atomaren Arsenals zum Einsatz kämen.