Neue Wege in der Entwicklungszusammenarbeit
Seite 2: Religionen als "Partner" - Nach welchen Kriterien wird ausgewählt und unterstützt?
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- Religionen als "Partner" - Nach welchen Kriterien wird ausgewählt und unterstützt?
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Das BMZ fördert keine Religionen, sondern konkrete Entwicklungsprojekte. Die Ansprechpartner gehören unterschiedlichen Religionen an, dem Christentum, dem Islam, Hinduismus, Buddhismus, Judentum ... Die evangelikalen und die charismatischen Richtungen des Christentums sind in mehreren afrikanischen Staaten stark ausgeprägt - es ist aber nicht klar, wie hoch ihr Anteil unter den Projektpartnern ist.
Sowohl religiöse als auch säkulare NGOs können Mittel für Projekte beantragen. Ein Sprecher des Ministeriums: "Die beantragten Vorhaben werden nach transparenten und objektiven Kriterien auf ihre entwicklungspolitische Relevanz geprüft. Die weltanschauliche Ausrichtung der Organisation wird dabei nicht eigens erfasst. Daher können auch keine Angaben darüber gemacht werden, wie hoch der Anteil unterschiedlicher Religionsgemeinschaften oder Konfessionen an den bewilligten Mitteln ist." Kriterien für die Auswahl von Projektpartnern sind unter anderem, so der Sprecher, "die Achtung der Menschenrechte, die Entwicklungsorientierung, die Kompetenz und Kapazität der Organisationen sowie die moralische Autorität und das Vertrauen, das ein religiöser Akteur vor Ort genießt".
Dabei können die "Religiösen Akteure" ganz unterschiedliche sein: Menschen, Denker oder Handelnde, Bewegungen, Organisationen. Außerdem treten oft sehr unterschiedliche Akteure innerhalb von ein- und derselben Religion auf. Je nach Projekt: Häufig sind Religionsvertreter ältere Männer - wenn es aber um die Rolle der Frauen geht, dann spricht man eher eine Frauengruppe innerhalb einer Religion an, oder eine Menschenrechtsorganisation. Die Akteure werden je nach Projekt ausgewählt.
Organisation: Wer wird aktiv, wie läuft das ab?
Zuständig im BMZ ist das Referat 111 "Kirchen; Politische Stiftungen; Sozialstrukturförderung; Grundsätze, Religion und Entwicklung". Weil das BMZ keinen sogenannten "Behörden-Unterbau" hat, beauftragt es so genannte "Durchführungsorganisationen" mit der entwicklungspolitischen Vorhaben der Bundesregierung. Unter anderem, wenn es um Religionen als Partner in der Entwicklungszusammenarbeit geht, ist dies die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Die Durchführungsorganisationen wiederum arbeiten mit Projektträgern zusammen, die von der Regierung des jeweiligen Partnerlandes bestimmt werden. Bei der GIZ arbeiten derzeit acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür. In einer ersten Phase, die im Jahr 2014 begann und 2 1/2 Jahre dauern soll, umfasst das Auftragsvolumen 3,3 Millionen Euro.
Wie funktioniert das konkret?
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH hat eine Broschüre "Mehr als Alles" (Bonn 2016) herausgegeben, in der sie Projekte vorstellt, in denen das BMZ in der Entwicklungszusammenarbeit religiöse Akteure einbezieht. Dabei handelt es sich teils um bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit, teils um Vorhaben, die das BMZ über die kirchlichen Hilfswerke oder private Träger finanziert. Zwei Beispiele:
Wasser sparen in Jordanien
Das Land ist sehr arm an Wasser, braucht aber immer mehr, weil die Bevölkerung wächst, die Wirtschaft sich weiter entwickelt, und zahlreiche Menschen aus Syrien nach Jordanien flüchten. Eine Lösung schien nicht in Sicht: "Trotz angespannter Wasserversorgung fehlt sowohl in der jordanischen Bevölkerung als auch unter syrischen Flüchtlingen das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Wasser."
Kurz: Die Menschen wissen nicht, warum sie Wasser sparen sollten, und sie wissen auch nicht, wie es funktionieren könnte.
Mehr als 90 Prozent der jordanischen Bevölkerung und der aufgenommenen syrischen Flüchtlinge sind Muslime. Daher bietet sich ein Zugang über die religiösen Überzeugungen der Menschen an und die GIZ hat mit einem Finanzvolumen von 2,5 Millionen Euro ein Projekt zur Unterstützung kommunaler Wassereffizienz in Nordafrika und Nahost durch Zusammenarbeit mit religiösen Autoritäten implementiert.
Der offizielle Projektpartner ist das jordanische Ministerium für Wasser und Bewässerung, der wichtigste Durchführungspartner ist das Religionsministerium, so Björn Zimprich, der das Projekt zur Verbesserung der kommunalen Wassereffizienz durch Zusammenarbeit mit religiösen Autoritäten bei der GIZ leitet. Religiöse Autoritäten und Ansprechpartner wurden zu Wasserbotschaftern ausgebildet, um erst zu lernen und dann zu lehren, warum und wie man Wasser spart. Und dies mit religiöser Begründung, etwa von Sheikh Abdel Majid, einem ehemaligen Dekan der Fakultät für Islamisches Recht an der Jordanischen Universität.
Allein im Koran wird das Wort Wasser, zitiert die GIZ-Broschüre den Sheikh, mehr als 60 Mal erwähnt: "In den Überlieferungen des Leben Mohammeds gibt es zahlreiche Beispiele für einen sparsamen Umgang mit Wasser." Im ganz Jordanien wurden Freitagspredigten zum Thema gehalten, in 22 Moscheen wurden Anlagen für Regenwassersammlung und Grauwasserrecycling eingebaut. Derzeit werden Lehrmaterialien für Schulen und Hochschulen ausgearbeitet, der Sheikh beteiligt sich an der Erstellung der universitären Lehrmaterialien. Schon erarbeitet wurde ein Lehrbuch für Imame und Predigerinnen (Waithat) - und zwar in einem "partizipativen Prozess" von Imamen, Waithat und Vertretern des Religionsministerium und des Wasserministeriums. "Auf Grundlage des Lehrbuchs wurden bisher bereits 500 Imame und 300 Waithat zu Wasserbotschaftern ausgebildet", so Björn Zimprich.
Verfassung reformieren in Sambia
Schon im Jahr 1993 begann ein Prozess der Verfassungsreform in Sambia, die Regierungen jedoch verhinderten immer wieder eine grundlegende Reform und drängten die Zivilgesellschaft zurück.3
Ein Reformprojekt wurde auch von der GIZ unterstützt. Ziel war, die Civil Society Constitution Coalition (CSCC) zu stärken. Bei der CSCC handelt es sich um einen Zusammenschluss verschiedener Organisationen. Sie will die Koordination zwischen verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen verbessern. Zur CSCC gehört auch das Jesuit Centre for Theological Reflection (JCTR), das in Sambia und Malawi soziale Gerechtigkeit auf Basis einer christlichen Glaubensorientierung fördern will.
Nun fühlen sich 98 Prozent der Sambier einer Religionsgemeinschaft zugehörig, 95 Prozent davon dem Christentum. Darum haben religiöse Organisationen eine herausgehobene Stellung, wenn es darum geht, sich bei politischen Themen auf dem Land Gehör zu verschaffen. Kirchliche Organisationen hätten, so die GIZ, zudem den Unabhängigkeitskampf Sambias "aktiv unterstützt" und dadurch Vertrauen in der Bevölkerung erworben, außerdem böten sie einen geschützten Raum, da kirchliche Treffen zum Beispiel nicht von der Polizei unterbunden werden dürften.
Daher unterstützte die GIZ von April 2012 bis März 2013 das JCTR als direkten Projektpartner bei der Erarbeitung zivilgesellschaftlicher Positionen für Vorschläge zur Verfassungsreform, so Sabine Midderhof, die das GIZ-Programm zur politischen Teilhabe von Zivilgesellschaft in Governance Reformen und Armutsbekämpfung in Sambia leitet: "Das JCTR hatte die Civil Society Constitution Coalition (CSCC) initiiert und nahm anfangs auch die Sprecherrolle innerhalb dieses Zivilgesellschafts-Netzwerks wahr." Die CSCC konnte - so die JCTR in der Abschlussevaluierung - mehr als 3.800 Sambier landesweit erreichen.
Die sambische Verfassung wurde, so Sabine Midderhof, "umfassend reformiert. Die neue, reformierte Verfassung ist im Januar 2016 in Kraft getreten", aber der Reformprozess sei noch nicht abgeschlossen:
Aktuell unterstützt die GIZ das JCTR bei einer Informationskampagne zu einem im August stattfindenden Referendum. Bei diesen Referendum stimmen die Sambier über eine neue 'Grundrechtecharta' ('Bill of Rights') ab, die den Bürgerinnen und Bürgern weitere umfassende Rechte garantieren und dann die reformierte Verfassung ergänzen würde. Außerdem müssen durch die Verfassungsänderung zahlreiche Gesetze angepasst werden. Dabei unterstützt die GIZ einerseits die Regierung, vor allem im Justizbereich, andererseits aber auch die Zivilgesellschaft bei der Entwicklung gemeinsamer Positionen hinsichtlich des Reformbedarfes der Gesetzgebung.