Neues Material für Roboterhaut: Stromerzeugender Schleim revolutioniert den Tastsinn

Bernd Müller
Futuristische Roboterhand einzeln auf schwarzem Hintergrund.

(Bild: 3Dsss / Shutterstock.com)

Roboter sollen künftig so feinfühlig wie Menschen agieren können. Kanadische Forscher haben dafür einen besonderen Schleim entwickelt.

Die Zukunft der Robotik hängt ein Stück weit davon ab, ob es gelingt, feinfühlige Roboter zu erschaffen. Ob im Gesundheitswesen, in der industriellen Fertigung oder in der Logistik – Roboter müssen präzise tasten und Druck steuern können.

Entsprechend suchen Forscher nach Wegen, Roboter mit diesen Fähigkeiten ausstatten zu können. Forscher der ETH Zürich etwa hatten eine künstliche Haut entwickelt, die mit massenhaft Sensoren ausgestattet ist. Pro Quadratmillimeter Haut musste es ein Sensor sein. In der Erklärung hieß es:

Jeder Sensor besteht aus mehreren Lagen. Kernstück sind zwei leitende Schichten, die mit Federn in einem Abstand von drei bis vier Mikrometern gehalten werden. Je nachdem, wie weit die Schichten voneinander entfernt sind, ändert sich das elektrische Signal, das über eine Elektrode gemessen wird.

Der Nachteil dieser Sensoren bestand daran, dass ihre schiere Menge zu viele Daten erzeugt. Ein Roboter wäre mit derart vielen Rohdaten als Input völlig überfordert, erklärten die Wissenschaftler damals.

Schleim könnte Robotern Feingefühl verleihen

Eine andere Möglichkeit, Roboter feinfühliger zu machen, haben jetzt kanadische Forscher entdeckt. Ein Team der University of Guelph hat ein schleimartiges Material entwickelt, das bei Kompression Strom erzeugt – und das eine breite Palette an Anwendungsmöglichkeiten eröffnet. Die Studie wurde im Fachmagazin Journal of Molecular Liquids veröffentlicht.

Besonders spannend sind die Möglichkeiten für Roboterhaut. Erica Pensini, Leiterin des Forscherteams, erklärt: "Theoretisch könnte unser Material als Grundlage für eine synthetische Haut dienen, um Roboter darauf zu trainieren, wie viel Druck sie ausüben müssen, wenn sie den Puls eines Patienten messen." Der Schleim erzeugt je nach Kompression unterschiedlich starke elektrische Signale. So könnte er Robotern beibringen, Berührungen präzise zu steuern.

Elektrische Felder verändern Struktur des Materials

Der Prototyp besteht zu 90 Prozent aus Wasser sowie natürlichen Bestandteilen wie Ölsäure und Aminosäuren. Untersuchungen mit einem Synchrotron, einer Art Supermikroskop, zeigten überraschende Eigenschaften des Materials.

Auf mikroskopischer Ebene kann der "Schleim" unterschiedliche Strukturen bilden. Je nach angelegtem elektrischem Feld ordnet er sich entweder schwammartig an, bildet Schichten wie eine Lasagne oder nimmt eine sechseckige Form an.

Diese Eigenschaft eröffnet laut Pensini Möglichkeiten in der Medizin. So könnten etwa im Körper gezielt Medikamente abgegeben werden.

Stellen Sie sich vor, das Material nimmt eine Ausgangsstruktur an, die eine pharmazeutische Substanz enthält, und wenn dann ein elektrisches Feld angelegt wird, verändert sich die Struktur, um das Medikament freizusetzen.

Erica Pensini

Saubere Energie aus Fußböden und heilende Pflaster

Doch die Einsatzmöglichkeiten gehen noch weiter. In Fußböden eingebaut könnte der Schleim saubere Energie erzeugen, wenn Menschen darauf gehen. Als Einlage im Schuh ließe er sich zur Ganganalyse nutzen.

Auch spezielle Wundpflaster sind denkbar. "Unser Körper erzeugt kleine elektrische Felder, um heilende Zellen zu einer offenen Wunde zu locken", erläutert Pensini. "Durch die Herstellung eines Verbandes, der dieses elektrische Feld verstärkt, könnte die Heilung theoretisch schneller erfolgen. In diesem Fall würde der Verband durch unsere natürlichen Bewegungen und unsere Atmung aktiviert werden."

Die vielversprechenden Eigenschaften des Materials führt die Forscherin auf seine natürlichen, gut verträglichen Bestandteile zurück: "Ich wollte etwas herstellen, das zu 100 Prozent gutartig ist und das ich ohne Bedenken auf meine Haut auftragen würde."