Neues Mittel gegen Superbugs?
Bdellovibrio bacteriovorus ist ein Feind der Bakterien und ein Freund des Menschen
Er kommt gerade zur rechten Zeit. Bdellovibrio bacteriovorus heißt er und ist kein harmloser Geselle, der Bakterien den Weg ziehen lässt. Vielmehr benutzt er die Bakterien als Nahrung: Er greift sie an, drängt sich in ihr Inneres und saugt die Bakterien aus. Stephan C.Schuster und sein Team vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie aus Tübingen berichten erstmals in Science darüber. Nachdem sie das Genom von B. bacteriovorus entschlüsselt haben, können sie die Schritte nachvollziehen, die den Bakterien den Garaus machen.
Wenn B. bacteriovorus eine andere Zelle befällt, entsteht ein voller Lebenszyklus, an dessen Ende seine Nachkommen aus dem Wirtsorgan freigesetzt werden und zur Invasion weiterer Bakterien bereit sind. Sobald nämlich B. bacteriovorus seine Beute findet, lagert es sich an die Wand an, punktiert sie und dringt in das Bakterieninnere vor. Hier tut er, was Bakterien ansonsten tun: Mit seinen Enzymen greift er die Bakterien an und gewinnt daraus die Kraft, Nachwuchs hervorzubringen. Die jungen B. bacteriovorus scheiden dann ein Enzym aus, das die Wand des ausgelaugten Bakteriums zersetzt und den Weg freimacht für den Angriff auf neue Bakterien.
Solche Enzyme könnten wirksame antibakterielle Substanzen hervorbringen. Die Autoren gehen allerdings einen Schritt weiter und vermuten, dass B. bacteriovorus wie ein "lebendes Antibiotikum" eingesetzt werden könnte, weil es offensichtlich nur Bakterien, aber keine anderen Zellen angreift.
Allen bisherigen Antibiotika ist eines gemeinsam: Sie greifen die Zellwand der Bakterien an. Am Anfang standen die Penizilline, mit denen sich bestimmte Bakterien bekämpfen ließen. Doch die Bakterien passten sich an, ihre Abwehrmechanismen wurden immer feiner. Erst waren es die großen Bausteine, gegen die Bakterien Abwehrkräfte entwickelten. Dann wurden es zunehmend kleinere Veränderungen bis hin zu jenen Stoffen, die einzelne Bestandteile des Bakterienwand verletzlich machen. "Verletzlich" bedeutet Anpassung. Ein Bakterium überlebt, dessen Aufbruchstelle durch Mutation verschwunden ist. So sehr die Forscher darum bemüht sind, neue Wirkstoffe zu entwickeln, so sehr beeilen sich die Bakterien, den Eintritt in ihre Struktur genetisch zu verändern. Und irgendwann entstehen die "Superbugs"(Der Superbug ist da). Denn sie sind das Resultat dieses Anpassungsprozesses, weil sie die Wirksamkeit der Antibiotika zunichte machen.
Bdellovibrio bacteriovorus eröffnet einen neuen Abschnitt im Kampf gegen die Bakterien. Zum einen sind es Geiseltierchen, zum anderen sind sie ungleich kleiner als ihre Opfer. Beides ist die Voraussetzung für ein delta-Proteobakterium, das gegen gram-negative Bakterien wirksam ist. Ferner ist B. bacteriovorus weit verbreitet und kommt im Wasser und in der Erde vor. Die Mikrobe schützt Pflanzen und Tiere und macht Jagd auf menschliche Erreger. Insofern handelt es sich um einen "natürlichen" Bakterienhemmer. Damit wird das Interesse erstmals auf einen Erreger gelenkt, der Bakterien zerstören kann. Sein Einfluss ist allerdings bisher unberücksichtigt geblieben.
Immerhin gibt es (viele) Infektionen des Menschen, die verschwinden, obwohl sie nicht behandelt werden. Ferner ist aus der Praxis der Krankenhäuser bekannt, dass zwischen Menschen unterschieden werden muss, die erstmals an einer Infektion erkranken, und jenen, die erst im Krankenhaus eine fieberhafte Entzündung erleiden. Während die ersten noch mit den üblichen Antibiotika behandelt werden, muss bei letzteren sehr gezielt nach dem Erreger gesucht werden. Denn hinter diesem unterschiedlichen Vorgehen verbirgt sich die Angst, der Krankenhauspatient leide womöglich an einer im Hospital erworbenen Infektion.
Aus der Sicht von B. bacteriovorus könnte dafür die Begründung abgeleitet werden: Zuhause überwiegt eine Infektion, die durch B. bacteriovorus noch in Zaum gehalten werden kann. Dagegen besteht im Krankenhaus die Gefahr, dass der Erreger im Hospital gezüchtet wurde und deshalb nicht wirksam behandelt werden kann.
Insofern ist die Veröffentlichung aus Tübingen ein Aufruf, nach Bdellovibrio bacteriovorus zu suchen. Ob es noch weitere Protobakterien gibt, von denen wir keine Kenntnis haben? Vieles entgeht nämlich dem Augenmerk, seitdem gezielt auf die jeweiligen Erreger fokussiert wird und andere Wege unberücksichtigt bleiben.