Neues Wettrüsten in Ostasien?
Mit US-Hilfe schießt Japan eine Rakete in etwa 160 Kilometer Höhe ab
Japan arbeitet auf Hochtouren an einer eigenen Raketenabwehr. In einer gemeinsamen Übung mit den USA hat das Land erfolgreich eine Rakete abgeschossen. Japan will sich so gegen nordkoreanische Raketen verteidigen. Die Nachbarstaaten fürchten eine amerikanisch-japanische Vormachtstellung in der Region.
Japans Militärs lernen den Umgang mit amerikanischen Waffen: Am Dienstag Morgen japanischer Zeit hat ein japanischer Zerstörer in etwa 160 Kilometer Höhe eine amerikanische Rakete abgeschossen, die Minuten vorher auf Hawai gestartet worden war. Das amerikanische Militär feierte den Test als „Meilenstein in der wachsenden Kooperation zwischen Japan und den Vereinigten Staaten“. Es sei das erste Mal, dass ein Alliierter das System erfolgreich angewandt habe. Mit dem Abschuss hat Japan in der Tat waffentechnisch einen großen Fortschritt gemacht. „Japan ist jetzt das erste Land nach den USA, das in größeren Höhenbereichen und außerhalb der Atmosphäre Raketen abfangen kann“, sagte Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) gegenüber Telepolis.
Getestet wurde das System „Aegis Missile Ballistic Defense“ (Aegis BMD), der seegestützte Teil des amerikanischen Raketenabwehrsystems „Ballistic Missile Defense“. Insgesamt gibt Japan eine Billionen Yen (6 Milliarden Euro) für die Raketenabwehr aus. Bis zum Jahr 2010 sollen insgesamt vier Zerstörer mit dem Raketenabwehrsystem ausgestattet werden. Zudem sind an Land 16 Stellungen mit Patriot-Abwehrraketen geplant. Auf zwei Luftwaffenstützpunkten bei Tokio sind bereits Patriot-Raketen aufgestellt.
Japans Nachbarn reagierten zurückhaltend. „Wir hoffen, das trägt zu Frieden und Stabilität in der Region bei“, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. China fürchtet, dass das japanische Raketenabwehrsystem den USA in einem eventuellen Konflikt um Taiwan nützen könnte, das von China als abtrünnige Provinz betrachtet wird. Auch Russland ist wegen der Raketenabwehr beunruhigt. Moskau befürchtet, dass die USA und Japan die militärische Überlegenheit in der Region anstreben.
Politisch begründet Japan seine Raketenabwehr mit der Bedrohung durch Nordkorea. 1998 hatte Nordkorea eine Testrakete vom Typ „Taepo Dong“ über japanisches Territorium hinweg in den Pazifik geschossen. Daraufhin begann Japan, ein Raketenabwehrsystem aufzubauen. Die jetzt verwendete Testrakete ähnelt allerdings eher den nordkoranischen Raketen kürzerer Reichweite vom Typ „Nodong“, von denen Nordkorea 200 Stück haben soll. Diese werden von Japan als Bedrohung angesehen.
Die Pläne für die Raketenabwehr sind allerdings schon viel älter. Seit Anfang der 1990er Jahre drängen die USA Japan, Südkorea und Taiwan, sich an einem regionalen Raketenabwehrsystem zu beteiligen. Taiwan stimmte sofort zu, in Südkorea und Japan gab es dagegen Vorbehalte. Nach dem nordkoreanischen Raketentest 1998 argumentierte Tokio dann, dass die Raketenabwehr rein defensiv sei. Nach der pazifistischen Verfassung Japans ist nur Selbstverteidigung erlaubt.
Die neue Raketenabwehr ist allerdings Teil des amerikanischen Raketenabwehrprogramms. Japan lässt sich damit auf eine Militärkooperation ein, die verfassungsrechtlich hoch problematisch ist. Allianzen dürfe das Land nicht eingehen, sagt HSFK-Experte Hans-Joachim Schmidt. „Japan müsste hierzu seine Verfassung ändern.“ Doch die japanische Verfassung wird in den letzten Jahren ohnehin immer stärker missachtet. So machen japanische Truppen längst beim „Krieg gegen Terror“ mit, außerdem wird die Zusammenarbeit zwischen japanischen und amerikanischen Militärs ausgeweitet. So soll der amerikanische Militärstützpunkt Yokota nordwestlich von Tokio zum amerikanisch-japanischen Superstützpunkt für regionale Raketenabwehr ausgebaut werden. Künftig soll dort auch das Oberkommando der japanischen Luft-Selbstverteidigungskräfte stationiert werden.