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Neues aus der Quantenphysik: Unser Universum ist ewig

Der Autor der "besonders einfachen Theorie von Allem" beim Surfen Ho'okipa, Maui, Hawai. Foto: Cjean42 /CC BY-SA 3.0

Der Physiker und Mathematiker Garrett Lisi, Verfasser der "besonders einfachen Theorie von Allem", im Interview: "Die Natur ist letztlich ein konsequentes Ganzes"

Antony Garrett Lisi entwickelte 2007 eine "Weltformel", die mit einigen eleganten Formeln alle Vorgänge und Zustände im Universum beschreibt und von beeindruckender Einfachheit und Schönheit ist. Diese Theorie nennt sich "Eine besonders einfache Theorie von Allem" und verbindet Einsteins Relativitätstheorie mit der Teilchenphysik. Mit ihrer Hilfe kann die gesamte Wirklichkeit erklärt werden, vom immens Kleinen im Quantenbereich bis zu den größten kosmischen Strukturen, den Galaxienhaufen und Superhaufen.

Garrett Lisi stützt seine Theorie auf der größten exzeptionellen Lie-Gruppe E8 [1], wobei er die bekannten Elementarteilchen entsprechend der Lie-Algebra anordnet. Obwohl in der Forschergemeinde die Meinung vorherrscht, Lisis Prinzip sei - neben der Stringtheorie - ein möglicher Weg das Standardmodell mit der Gravitation in Einklang zu bringen, ist seine Arbeit noch sehr umstritten. Wenn der Physiker und Mathematiker nicht gerade mit dem Nachdenken über das Universums beschäftigt ist, geht er seiner zweiten Leidenschaft nach, dem Surfen.

Theoretische Physik ist für mich das größte existierende Puzzle

Weshalb haben Sie theoretische Physik studiert? Warum insbesondere die E8-Theorie? Gab es dafür ein auslösendes Erlebnis in Ihrer Kindheit oder Jugend?
Antony Garrett Lisi: Ich konnte Leute nicht wirklich leiden. Ich wollte meine Zeit damit verbringen, über die Natur nachzudenken - über Dinge, die nicht vom Menschen gemacht wurden - und ich war gut in Mathematik. Theoretische Physik ist für mich das größte existierende Puzzle. Besonders interessierte ich mich für die Beziehung zwischen Einsteins Gravitationstheorie und der aktuellen Beschreibung der Teilchenphysik.
Einsteins Schwerkraft ist schön und rein geometrisch, also muss es eine ähnliche geometrische Beschreibung für Elementarteilchen geben. Nachdem ich 10 Jahre lang unterschiedliche Ansätze getestet habe, fand ich eine geometrische Übereinstimmung zwischen den mathematischen Strukturen der Schwerkraft, den Elementarteilchen und der E8-Lie-Gruppe.
Könnten Sie Ihre "Theorie von Allem" so erklären, als ob Sie ein 5-jähriges Kind vor sich hätten?
Antony Garrett Lisi: Man kann sich die vielen Hunderte verschiedene Arten von Elementarteilchen wie verschiedene Farben und Formen von Legosteinen vorstellen. Was ich herausgefunden habe, ist, dass diese Gruppe von Stücken, Teile eines sehr komplexen und schönen Gebildes zu sein scheinen, wenn sie in einer bestimmten Weise zusammengebaut werden.
Gibt es relevante Updates in Ihrer Theorie?
Antony Garrett Lisi: Vor ein paar Jahren gelangte ich zu einem neuen Verständnis von Raumzeit in der Theorie - indem ich unsere vierdimensionale Raumzeit in eine deformierende E8-Lie-Gruppe von unendlichem Ausmaß einbaute. Eine Implikation ist, dass unser Universum ewig ist - es dehnt sich zeitlich unendlich vor dem Urknall aus und für immer in die Zukunft.
Symmetrie und Einfachheit scheinen zwei Hauptinstanzen Ihrer Theorie zu sein. Auch in der Natur scheinen Symmetrie und Einfachheit allgegenwärtig zu sein. Wir beobachten, dass selbst die komplexesten Phänomene sich auf sehr einfache Erklärungen zurückführen lassen. Das gibt den Eindruck von Wahrhaftigkeit. Warum denken Sie, kann Komplexität in der Natur letztlich durch sehr "einfache" Formeln erklärt werden? Gibt es eine Formel hinter den Formeln?
Antony Garrett Lisi: Es ist ein Rätsel, warum Mathematik unsere physikalische Realität so effektiv beschreibt - aber es ist so. Einige Zweige der Mathematik sind besonders wichtig. Es ist seit langem bekannt, dass Symmetrie, die überwiegend durch mathematische Strukturen namens "Lie-Gruppen" beschrieben wird, eine sehr wichtige Rolle in der Teilchenphysik spielt.
Diese Lie-Gruppen verbinden sich ganz natürlich mit größeren Lie-Gruppen, und das in einer Weise, die der Teilchenphysik entspricht ... so ist es denkbar, dass unser ganzes Universum von einer einzigen, vorübergehend in viele verschiedene Stücke aufgeteilten Lie-Gruppe beschrieben werden kann; Komplexität entsteht sowohl durch die vielfältige Struktur der fundamentalen Lie-Gruppe als auch durch ihre Erregungen, wenn ihre Symmetrie unterbrochen wird; so wird die chaotische, aber auch subtil geordnete Welt geschaffen, die wir um uns sehen. Warum das Universum die physische Instanziierung einer relativ einfachen geometrischen Mathematik zu sein scheint ... darüber kann man nur spekulieren.
Hat die geometrische Form Sie anfänglich inspiriert? Ist die Geometrie die Ursache oder die Wirkung (der Ankunftspunkt) in Ihrer Theorie? Mit anderen Worten: haben sie mit der Geometrie begonnen, um zur mathematischen Formel zu gelangen oder umgekehrt?
Antony Garrett Lisi: Ich begann mit geometrischer Mathematik, Teilchenphysik und der Schwerkraft - im Wesentlichen eine reiche Ansammlung von Algebra-Rechnungen, die durch Matrizen ausgedrückt wurden. Erst nach einer langen Zeit habe ich entdeckt, dass die von mir zusammengestellte Mathematik einem rein geometrischen Bild entspricht - und dass es ... hübsch war. Es war tatsächlich ein wenig schockierend.

Es ist besser, sich mit der nackten Realität zu konfrontieren

Sollte die wissenschaftliche Methode überarbeitet oder integriert werden? Kann sie die Realität ausreichend beschreiben?
Antony Garrett Lisi: Meiner Meinung nach ist die wissenschaftliche Methode das beste Verfahren zum Verständnis der Realität. Neuerdings wird viel darüber diskutiert, vor allem unter Stringtheoterikern, ob die theoretische Physik über die wissenschaftliche Methode hinausgegangen ist, um in das Gebiet der reinen, selbsttragenden mathematischen Spekulationen einzudringen, u.a. mit Theorien, die auch in ihrem Prinzip unerprobt bleiben - und ob die wissenschaftliche Methode geändert werden muss. Ich glaube nicht, dass die wissenschaftliche Methode am Versagen ist, sondern diese Wissenschaftler.
Welchen Einfluss haben die neuesten Entdeckungen der Quantenphysik auf den Alltag?
Antony Garrett Lisi: Drei praktische Anwendungen kommen sofort in den Sinn. Die erste ist die Quanten-Festkörperphysik und die fortlaufende Weiterentwicklung von Computergeräten - einschließlich der Telefone, die wir alle mit uns tragen. Die zweite Entdeckung ist die effiziente Manipulation von DNA auf atomarer Ebene, und die Auswirkungen, die sie auf Organismen haben wird, einschließlich den unseren. Eine dritte praktische Auswirkung der Quantenphysik, die sich noch in einer embryonalen Entwicklungsphase befindet, ist das Quantencomputing.
Der deutsche Philosoph Hegel behauptete in seiner Phänomenologie des Geistes: "das Wahre ist das Ganze". Sehen Sie eine Analogie zwischen dieser Aussage und Ihrer Theorie? Sehen Sie irgendeine Beziehung zwischen dieser Aussage und Heisenbergs Grundsatz der Unbestimmtheitsrelation?
Antony Garrett Lisi: Bei der Arbeit in der Grundphysik springt man immer wieder von einer Idee zur anderen. Dabei geht es um die Welt, um das Testen dieser Ideen, um damit verbundene Probleme, um deren mögliche Lösung in der Natur oder wie diese Synthese die ursprünglichen Ideen beeinflusst. Die Natur ist letztlich ein konsequentes Ganzes - und das orientiert unsere Arbeit in der Physik. Heisenbergs Quanten-Unschärferelation ist die Erkenntnis, dass ... die Natur bizarr ist und viele unserer klassischen Ideen falsch waren.
Wenn man die Natur als Ganzes und ihre mathematische Beschreibung betrachtet, begegnet man auch der Gödelschen Unvollständigkeit - d.h., dass es in jedem komplexen formalen System Dinge gibt, die wahr sind, die aber nicht nachweislich wahr sind. Es ist eine Art Erweiterung von Heisenbergs Unbestimmtheit in der formalen Mathematik.
Aber als Physiker interessiert mich mehr, was wahr ist, und nicht so sehr, was nachweisbar ist - also ist Gödel kein Hindernis für die Arbeit an den theoretischen Grundlagen. Mit der Gödelschen Unvollständigkeit ärgert und amüsiert das Universum die Mathematiker.
Was würde Ihnen mehr Freude bereiten: die Vollendung Ihrer Theorie oder das Reiten der perfekten Big One, der erstaunlichsten Welle aller Zeiten?
Antony Garrett Lisi: In den Wellen zu spielen, macht mir große Freude und hält mich gesund. Surfen ist der gröβte Spaβ, den man auf diesem Planeten haben kann. Aber die Arbeit an der theoretischen Physik ist eine intellektuelle Anstrengung, die viel reichhaltiger ist - sie bereitet mir größere Frustrationen und Befriedigungen und sorgt für eine tiefere und abstraktere Wertschätzung der Natur.
Glauben Sie an Gott? Der Glaube an Götter hat im umfangreichen kulturellen Erbe der Menschheit eine wichtige Rolle gespielt und kann insofern respektiert werden. Es gibt allerdings keinen glaubwürdigen Beweis für die Existenz von Göttern, übernatürlichen Einflüssen oder mystischen Energien im Universum - oder für den Fortbestand des Bewusstseins nach dem Tod.
Wenn jemand an diese Dinge glaubt, was bei der Mehrheit der Menschen der Fall ist, führt das zu fehlerhaften Modellen der Realität und Fehlentscheidungen. Es ist, denke ich, besser, sich mit der nackten Realität zu konfrontieren, wie sie ist, und das Beste aus unserem Leben und unserer wunderbaren und wunderschönen Naturwelt zu machen, so gut wir können, solange wir das können.
Wer ist Ihr Lieblingsautor?
Antony Garrett Lisi: Douglas Adams

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3801600

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[1] http://www.faz.net/aktuell/wissen/physik-mehr/mathematik-forscher-entschluesseln-die-lie-gruppe-e8-1434490.html