Neues zu Nord Stream: Die Olsenbande schippert nach Bornholm

Die Olsenbande, Mallorca 1974. Bild: AOP. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Warum verschließt das Team der Tagesschau die Augen vor dem Unübersehbaren? Eine Satire.

Die Version von Seymour Hersh zur Aufklärung der Pipeline-Sprengungen in der Ostsee lässt Fragen offen, gar keine Frage.

Sehr viel dichter ans tatsächliche Geschehen heran reichen die jüngsten Darstellungen der New York Times und verschiedener etablierter deutscher Medien. Allerdings trauen auch diese Texte sich nicht, das vollkommen Offensichtliche auszusprechen: Es kann nur die legendäre Olsenbande gewesen sein. Hier die ganze Wahrheit zum Fall "Sabotage der Nord-Stream-Gasleitungen".

Warum verschließt das Team der Tagesschau die Augen vor dem Unübersehbaren? Man war doch schon so dicht dran! Denn immerhin heißt es dort:

Die Geheimoperation auf See soll den Ermittlungen zufolge von einem Team aus sechs Personen durchgeführt worden sein. Es soll sich um fünf Männer und eine Frau gehandelt haben. Demnach bestand die Gruppe aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin, die den Sprengstoff zu den Tatorten transportiert und dort platziert haben sollen.

Die Nationalität der Täter ist offenbar unklar. Die Attentäter nutzten professionell gefälschte Reisepässe, die unter anderem für die Anmietung des Bootes eingesetzt worden sein sollen.

Tagesschau

Spätestens an der Stelle muss es uns doch wie Seegras von den Augen fallen: Alles hier deutet auf die berühmt-berüchtigte Crew von Egon Olsen hin! Niemand anders kann für gerade diese Art der Durchführung von Pipeline-Sprengungen infrage kommen!

Allerdings verließ man sich bei dieser Rekonstruktion hier nicht allein auf Bauchgefühl und Hörensagen, sondern es wurden dafür in un-informierten sowie uniformierten Kreisen mehrere Quallen, pardon: Quellen kontaktiert. Die müssen allerdings aus Gründen des Staatswohls anonym bleiben, sozusagen im Hinter- oder noch besser: auf dem Meeresgrund.

Jedenfalls ist die Rollenverteilung des perfiden halben Dutzends so klar, wie das Ostseewasser früher mal war: Es ist dieselbe wie im Drehbuch für den neuesten Film der Truppe, Arbeitstitel: "Die Olsenbande schippert nach Bornholm".

Egon Olsen, der Stratege und perfekte Planer, als Chef des Unterwasser-Unternehmens. An seiner Seite diesmal nicht "erbärmliche Piesepampel" und "Schlappschwänze", sondern zunächst mal die geschmeidigen Sportsmänner Benny und Kjeld als Tauchkommando, trainiert für Tiefen bis zu 80 Metern (genau, ganz ähnlich wie im dritten Film der Reihe: "Die Olsenbande fährt nach Jütland". Das allzu Offensichtliche wird ja gerne übersehen. Und genau darauf kann sich die Bande offenbar verlassen – bisher).

Die beiden "Tauchassistenten" – so die exakte Rollenbeschreibung sowohl in Medienberichten als auch im Drehbuch – werden gespielt vom halbstarken Boerge und von Bennys oft leicht besoffenem Bruder "Dynamit"-Harry. Fun Fact: Mit dessen notorischer Trunkenheit lässt sich natürlich ganz einfach erklären, dass und warum laut Tagesschau.de Folgendes passierte:

"Auf dem Tisch in der Kabine haben die Ermittler den Recherchen zufolge Spuren von Sprengstoff nachweisen können."

Wecke mich nachts um zwei Uhr, und ich sage Dir, wer exakt für ein solches Phänomen verantwortlich sein muss! Genau wie sein Bruder als Experte für gefälschte Reisepässe, die – ganz clever – liegen bleiben, um die Ermittler auf falsche Fährten zu locken: Benny auf Deinen gelben Socken, ick hör Dir trapsen!

Eine besonders wichtige Rolle kommt der einzigen Frau im Team zu: Kjelds Gattin Yvonne ist seit jeher eine Dame mit vielen Facetten, sie kann Top-Polizisten ebenso irritieren wie Kleinganoven oder Groß-Industrielle. Diesmal ist sie also unterwegs als "Ärztin". Eine ihrer leichteren Übungen ganz sicher. Auch wenn niemand so genau sagen kann, inwiefern nun gerade eine Medizinerin an Bord sein sollte. Aber daran soll die ganze Mission nicht scheitern. Also ist eine "Ärztin" an Bord.

Weiter in der Spuren-Suche: Wer die Olsenbande auch nur ein wenig kennt, der weiß, dass weltweit niemand so perfekt mit Lieferwagen, mit deren Betanken und Beladen umgehen kann wie diese Vollblut-Verbrecher: Und siehe da, O-Ton Tagesschau.de: "Die Ausrüstung für die Geheimoperation sei vorher mit einem Lieferwagen in den Hafen transportiert worden, heißt es."

Aber hallo - klarer können doch Spuren gar nicht genau auf diese Bande verweisen! Der Hafen von Rostock, beinahe ein Heimspiel für die Dänen.

Dabei fährt die geniale Olsenbande unerkannt im Schlepptau völlig abstruser Erzählungen über vermeintlich "staatliche Akteure", welche für die Planung und Durchführung solch einer komplexen Aktion nur verantwortlich sein könnten. Derartige Märchen verbreiten neben vielen anderen die früheren BND-Präsidenten August Hanning und Gerhard Schindler immer wieder medial. Unter uns: False Flag vom Feinsten, die sich Egon & Co. clever zunutze machen.

Seymour Hersh: Auf der falschen Spur

Auch der US-Journalist Seymour Hersh hat noch immer nicht erkannt, dass es sich hier um den definitiv allerletzten Streich der Olsenbande handelt: Er vermutet, gaga genug, weiterhin US-Spezialkräfte in Zusammenarbeit mit solchen aus Norwegen als Ausführende der Sprengungen, gedeckt durch US-Regierungsstellen und Sicherheitsbehörden als staatliche Akteure. Seine Version umfasst ganz sicher einige Lücken, um nicht zu sagen: Lecks oder Leaks. Darauf macht unter anderem der ARD-Faktenfinder aufmerksam:

Auch zu den Details hinsichtlich der Detonationen gibt es noch Unklarheiten. Hersh schreibt, die Taucher hätten den plastischen Sprengstoff C4 in Form von sogenannten Schneid- oder Hohlladungen "auf den vier Pipelines mit Betonschutzhüllen" platziert.

Allerdings gibt es nur an drei der vier Pipelines Zerstörungen, eine Röhre von Nord Stream 2 blieb unbeschädigt. Ob Sprengladungen versagten oder ein Viertel der Transportkapazität bewusst verschont blieb, ist Stand heute unklar.

Tagesschau, Faktenfinder

"Unklar" kann das nur sein, wenn man nicht vor Augen hat, wie Dynamit-Harry arbeitet: Dass bei seinem Einsatz immerhin drei von vier Leitungen zerstört wurden und damit dem Erdgas-Projekt "Nordstream" der "Rest gegeben" und somit "dieses Kapitel definitiv beendet" wurde, wie der Grünen-Vordenker Ralf Fücks schreibt, ist ein Riesenerfolg. Also – für die Olsenbande zumindest!

Manche Haarspalter kritisieren mit Blick auf Tagesschau.de, dass dort, fast schon verschwörungsmythisch, ein Drahtzieher oder Auftraggeber, ein "Mastermind" hinter der gesamten Aktion angenommen werde, wie hier zum Beispiel: "bislang keine Beweise (…), wer die Zerstörung in Auftrag gab":

Eine vielleicht nicht ganz unberechtigte Kritik an jenem Text. Aber auch solche Kritikaster schnallen nicht, dass die Olsenbande vor allem im eigenen Auftrag handelt: Erdgas war in den 1970er- und 1980er-Jahren der neue "heiße Scheiß", und in dieser Zeit wurde Egon Olsen polit-ökonomisch sozialisiert.

Dieses Gas-Ding war, ganz klar, Egons ("Ich habe einen Plan!") letzter großer und geheimer Coup, und für dessen Umsetzung als "Gruppierung" wurde auf versteckten Wegen auch in Redaktionen wie jener von ARD-aktuell offenbar beträchtliche Verwirrung gestiftet. Siehe exemplarisch hier:

"Der Sprengstoffanschlag", Einzahl, "wurden vorbereitet", Mehrzahl. Hier stimmt scheinbar nichts überein, kein Plan von irgendwas. Diese fehlende Sorgfalt an der Oberfläche verweist natürlich für Kenner der Szene ganz klar auf sorgfältige Planung aller Details im Hintergrund. Hinter solchem Chaos im Text kann, Sie ahnen es, nur die Olsenbande stecken. Um Verwirrung zu stiften und den Verdacht für einfachere Gemüter in ganz andere Richtungen zu lenken. Mächtig gewaltig, Egon!

Die ganze aktuelle Story der New York Times und wichtigen deutschen Medien sei relativ "weak", monieren manche beckmesserisch und, haha, sprachspielerisch. Weil zum Beispiel die Orte "Wieck auf dem Darß" und "Wiek auf Rügen" verwechselt worden waren in journalistischen Veröffentlichungen hierzulande. Das ist natürlich kein Fehler bei einer elementaren journalistischen W-Frage, sondern dem liegen laut NDR schlimmstenfalls "Missverständnisse" zugrunde.

Die NDR-Redaktion weiß vielleicht gar nicht, wie recht sie am Ende des Tages doch hat mit ihren "Missverständnissen": Hinweisen zufolge geht es weder um dieses Wieck oder jenes Wiek: Anonyme Quallen lassen verlauten, dass es tatsächlich die Wohlenberger Wiek nahe Wismar sei, wo die Olsenbande bei Dreharbeiten zum neuen Film gesichtet wurde.

Der Arbeitstitel wurde präzisiert, er lautet mittlerweile in Anlehnung an Film Nr. 6, 12, 13 und 14: "Das nun wirklich Allerletzte zum Schluss: Die Olsenbande fliegt über die Planke, zum Tauchgang in 80 Metern Tiefe. Und entschwindet über alle Berge". Vielleicht ein etwas sperriger Titel. Aber seien wir im Sinne von Egon Olsen gewiss: Auch hier waren ganz sicher keine "lausigen Amateure" am Werk.