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Neuland für Rollenspielklassiker

World of Final Fantasy: Zahlreiche Serienbekannte mit den Helden in Murkelform

Dragon Quest Builders und World of Final Fantasy

Dieses Jahr feiert die Rollenspielserie "Dragon Quest" ihren dreißigsten Geburtstag, nächstes Jahr die "Final Fantasy"-Reihe. Passend dazu erscheinen zwei Spin-offs, die neue Wege betreten: "Dragon Quest Builders" bringt die typischen Figuren und Erzählungen mit dem Sandbox Game "Minecraft" zusammen. "World of Final Fantasy" kombiniert das Kampfsystem der mittleren Ableger mit Monstersammeln à la Pokémon und ganz viel Fanservice beim Treffen mit alten Bekannten der Serie.

Bau dir deine Welt, fast wie sie dir gefällt: Dragon Quest Builders

Dass "Dragon Quest Builders" [1] spielerisch sehr wenig mit der Hauptserie gemein hat, offenbart es den Spielern gleich in den ersten Minuten. Dabei ist von Gegnern noch keine Spur, aber der Protagonist muss sich den Weg aus einer Höhle bahnen und dazu eine Treppe bauen. Kurz darauf erfährt er (oder sie, wenn die Spieler die weibliche Heldin bevorzugen), dass er nicht zum Kämpfer, sondern zum Erbauer bestimmt ist.

Das Spiel macht keinen Hehl aus den "Minecraft"-Anleihen [2]: Die Welt bestehet ist aus würfelförmigen Einzelteilen zusammengesetzt, die der Held mehr oder weniger beliebig abbauen und an anderer Stelle wiederverwerten kann. Der Bau der Treppe ist die erste Lektion für die Spieler. Im Dorf angekommen lernt der Erbauer schnell, wie er die Materialien weiterverarbeitet, um Türen, Betten oder auch Waffen herzustellen.

Dragon Quest Builders: Die Nähe zu "Minecraft" ist unverkennbar

Anders als "Minecraft" besitzt "Dragon Quest Builders" einen durchgängigen roten Faden mit einer Hintergrundgeschichte und festen Aufgaben, die die Spieler zum Vorankommen im Story-Modus erfüllen müssen. Außerdem erhalten sie gelegentlich Baupläne, die ihnen beim Konstruieren wichtiger Räume oder Verteidigungsanlagen helfen, indem sie genau anzeigen, wohin welches Material oder welche Gegenstand gehört.

Abgesehen davon lässt das Spiel genügend Freiheit zum eigenen Experimentieren. Zu den typischen Aufgaben gehört, dass die Heimatstadt eine bestimmte Ausbaustufe erreichen muss. Ob die Spieler mehr private Schlafräume, weitere Küchen oder Schmiedehallen bauen oder die Stadt durch Verzierungen aufpäppeln, bleibt ihnen überlassen.

Ein wesentlicher Bestandteil ist das Erkunden der Umgebung. Anfangs ist diese sehr überschaubar. Schon bald lauern draußen die ersten Monster, die "Dragon Quest"-Veteranen wiedererkennen: Schleime, Hämmerlinge und Skelette kommen im typischen, niedlichen Zeichenstil der Serie. Obwohl Kämpfe eine untergeordnete Rolle spielen, muss sich der Erbauer verteidigen. Außerdem gewinnt er einige Materialien nur durch das Besiegen bestimmter Kreaturen.

Dragon Quest Builders: Bekannte Monster der Serie machen der Erbauerin das Leben schwer

Die erste Waffe ist ein besserer Ast und die Rüstung ein Bündel Lumpen, aber auf seinen Erkundungsreisen entdeckt der Held neue Materialien, mit denen er bald Eisenschilde und Stahlschwerter schmiedet. Abgesehen von der Selbstverteidigung und dem Gewinn von Materialien zieht der Erbauer keinen Nutzen aus den Kämpfen: Erfahrungspunkte suchen Rollenspielveteranen vergeblich. Darauf weist einer der ersten Mitbewohner ausdrücklich hin, um klarzustellen: Das hier ist ein anderes "Dragon Quest" als die Titel der Hauptserie. Unterschiedliche Klassen gibt es somit ebenfalls nicht. Allerdings erhält der Erbauer als Belohnung für einige Quests Lebenssamen, die seine maximale Lebensenergie und damit die Überlebensfähigkeit steigern.

Spielerisch gesehen sind die Kämpfe äußerst simpel: Der Erbauer muss in Reichweite der Gegner kommen, einfache oder aufgeladene, stärkere Attacken landen und dabei möglichst den Angriffen der Monster ausweichen. Von einem Kampfsystem zu sprechen, wäre eine Überbewertung. Bei größeren Gegnern gilt es, die Vorzeichen der starken Angriffe rechtzeitig zu erkennen. Nur die Bosse erfordern eine wirkliche Strategie. Oft haben die Gegner eine große Reichweite und sind gleichzeitig sehr flink, was das Ausweichen erschwert.

Die Bewohner der Siedlung sind zentrale Story-Elemente und gleichzeitig Auftraggeber. Einige finden ihren Weg ins Dorf, nachdem der Erbauer bestimmte Aufgaben erfüllt hat, andere schließen sich ihm an, nachdem er sie aus einer misslichen Lage befreit hat. Alle haben unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen. So verlange sie nach eigenen Räumen oder speziellen Zutaten für ihre Arbeiten. Einige fordern einen Ausbau der Verteidigungsanlagen während andere den Siedlungsbau mit einer apokalyptischen Angst sehen und vor dem Wachstum warnen, der einst dem Zerfall voran ging.

Inhaltlicher Bogen zum ersten "Dragon Quest"

Das Setting knüpft an das Ende des Ur-"Dragon Quest" an, das erst mit dem Android- und iOS-Remake vor zwei Jahren seinen Weg nach Europa gefunden hat. Vor dreißig Jahren erschien der von der Enix-Seite des heutigen Square Enix veröffentlichte Titel lediglich in Japan. Nach Nordamerika kam es 1989 - damals noch unter dem Titel "Dragon Warrior", da Simulations Publications dort die Namensrechte für "DragonQuest" mit einem Tabletop besetzt hatte. Schon das Urgestein brachte die typischen Monster wie Schleime oder Chimären. Chimärenflügel ermöglichen übrigens in "Dragon Quest Builders" ebenso das Teleportieren wie im ersten "Dragon Quest".

Dass die Macher das Aufbauspiel in vier Kapitel unterteilt haben, ist einerseits sinnvoll, andererseits müssen Gamer sich damit abfinden, dass sie nach einem mühsamen Bosskampf fast wieder bei null anfangen müssen. Dafür erwartet sie anschließend ein neues Setting. So ist beispielsweise der Start des zweiten Kapitels deutlich düsterer und gefährlicher als der des ersten.

Dragon Quest Builders: Der Erbauer hat seine Heimat gut ausgebaut.

"Dragon Quest Builders" ist das perfekte Spiel für all diejenigen, die sich ein Minecraft mit Hintergrundgeschichte und einigen Quests wünschen. Sandbox-Puristen wird das eher abschrecken, aber der rote Faden und die wegweisenden Aufgaben sind für andere Spieler auf Dauer ein besserer Motivator als die ständige Ressourcenverknappung beim Ausbau. Sieht man über die vorhandenen Schwächen wie das magere Kampfsystem und die suboptimale Kameraführung hinweg, ist "Dragon Quest Builders" das bisher beste Spin-off der Hauptserie, obwohl das 2015 erschienene, von den "Dynasty Warriors"-Machern Omega Force entwickelte "Dragon Quest Heroes" [3] durchaus seinen Reiz hatte und die "Dragon Quest Monsters"-Spiele Monstersammeln à la Pokémon seit Ende der Neunzigerjahre etabliert haben.

Eine Reise durch die Seriengeschichte: "World of Final Fantasy"

Schon als die ersten Videos zu "World of Final Fantasy" [4] auftauchten, zeigte das Spiel ebenso wie "Dragon Quest Monsters" Parallelen zu "Pokémon". Tatsächlich gehört das Sammeln zu einem der Grundkonzepte des Spiels, ist jedoch nur einer von mehreren Aspekten. Im Vordergrund steht ständig der Fanservice: Kenner der Serie treffen auf unzählige alte Bekannte vom Krieger des Lichts über Cloud Strife bis zu Lightning.

Die Rahmengeschichte ist im Vergleich zur Hauptserie äußerst dünn: Die Zwillinge Reynn und Lann wachen in ihrer von allen Menschen verlassenen Heimatstadt Neunwaldbergen auf. Die einzige Besucherin im Café ist die Göttin Enna Kros, die ihnen mitteilt, dass sie eigentlich keine einfachen Angestellten sind, sondern die mächtigen Mirage-Hüter, denen die Aufgabe zukommt, die Welt zu retten. Dazu müssen sie in die spielzeugartige Welt Grymoire reisen, ihre Erinnerungen wiederherstellen und dabei zahlreiche Miragen einfangen.

World of Final Fantasy: Kampfstapel mit den Zwillingen in der Hühnenform

Letzteres ist der Name für die zahlreichen Monster, denen die beiden Helden begegnen und die ebenfalls aus den unterschiedlichen "Final Fantasy"-Games stammen. Gleich zu Beginn treffen die Zwillinge auf ein Chocobo-Küken und lernen dabei, wie sie Miragen einfangen und anschließend für sich kämpfen lassen. Recht bald haben die beiden ein kleines Team beisammen.

Anders als bei Pokémon kämpfen die beiden an der Seite der gefangenen Monster. Genauer gesagt über oder unter ihnen. Ein zentrales taktisches Konzept sind die Kampfstapel: Reynn und Lann bilden jeweils mit zwei Monstern einen Turm, der aus einem großem, einem mittleren und einem kleinen Kämpfer bestehen. Die Monster kommen in den passenden Konfektionsgrößen L, M und S. Praktischerweise können die beiden Protagonisten ihre Größe zwischen M und L ändern, sodass sie entweder die Basis oder Mitte eines Stapels bilden.

Jeder Turm vereint nicht nur die Fähigkeiten der einzelnen Bestandteile, sondern kombiniert sie auch: Besitzen zwei gestapelte Wesen den gleichen Zauber, können sie ihn im Stapel verstärkt wirken. Auch zwischen verschiedenen Fähigkeiten gibt es diverse Wechselwirkungen, die zum Experimentieren einladen. Die Stapel lassen sich jederzeit in ihre Einzelteile auflösen, was jedoch nur selten sinnvoll ist, da die einzelnen Recken zwar unabhängig handeln können, dafür aber weniger Lebensenergie und Fähigkeitspunkte haben. So kann schon ein gegnerischer Treffer zum K. o. führen.

Das Auflösen erfolgt daher meist unfreiwillig: Gegnerische Angriffe verringern nicht nur die Lebensenergie, sondern auch die Stabilität. Ohne Gegenmaßnahmen wie Items, Zauber oder eine Verteidigungshaltung, stürzt der Turm ein. Das gilt freilich umgekehrt genauso für Gegner, die ebenfalls regelmäßig gestapelt auftreten.

Das gute alte ATB

Die grundsätzlichen Kämpfe laufen nach dem ATB-System (Active Time Battle) ab, das die Auseinandersetzungen in Final Fantasy IV bis IX prägte. Es ist so untrennbar mit der Serie verknüpft, dass Square Enix ihm einen eigenen Ableger für iOS und Android widmete, dessen Name nicht zufällig dasselbe Akronym beinhaltet: "Final Fantasy - All the Bravest" [5]. Das Grundprinzip erweitert rundenbasierte Auseinandersetzungen, indem verbündete und gegnerische Charaktere jeweils eine unterschiedliche Zeit brauchen, bis sie eine Aktion ausführen können. In den Einstellungen von "World of Final Fantasy" lässt sich festlegen, ob die Zeit für die anderen Kämpfer beim Auswählen einer Aktion stehenbleibt oder weiterläuft.

World of Final Fantasy: Lightning aus Final Fantasy XIII

Die dritte taktische Komponente ist die rollenspieltypische Entwicklung der Charaktere. Beim Aufstieg erhalten die Monster Fähigkeitspunkte, mit denen sich entweder neue Attacken oder besser Grundwerte freischalten lassen. Die meisten Monster besitzen zudem mehrere Formen, die Spieler erst freischalten oder entdecken müssen. Oft wechseln sie bei der Metamorphose, die nur an bestimmten Stellen möglich ist, die Größe und damit die Position im Stapel. Viele Fähigkeiten sowie nahezu alle Attributboni nehmen sie dabei mit, aber jede Form hat exklusive Angriffe oder Eigenschaften. Zusätzlich gibt es besonders mächtige Meisterfähigkeiten, für die das Wesen zunächst alle anderen erlernen muss.

Einige Monster besitzen eine XL-Ausprägung, die in keinen Stapel passt und stattdessen ähnlich funktioniert wie Beschwörungen in anderen Final Fantasy Games: Das übergroße Monster ersetzt alle vorhandenen Kämpfer im Heldenteam und besitzt typischerweise nur wenige, aber sehr mächtige Fähigkeiten sowie eine große Widerstandskraft.

Die Kombination dieser taktischen Möglichkeiten beschert den Spielern prinzipiell eine äußerst interessante Grundlage für die zahlreichen Kämpfe, die wie in jedem Final Fantasy den Verlauf begleiten. Übrigens starten fast alle Auseinandersetzungen als Zufallsbegegnungen, eine weitere Hommage an die früheren Ableger der Serie. Ein Manko ist jedoch, dass die meisten Kämpfe schlicht zu einfach sind und so die Spieler die taktischen Feinheiten nicht ausreizen müssen und können.

Wiedersehen macht Freude

Neben dem weitgehend auf Retro Gamer abzielenden Kampfsystem bedient "World of Final Fantasy" die Fans der Serie mit zahlreichen Begegnungen mit alten Bekannten. Dabei mag sich mancher am Chibi-Animationsstil stören, der die Figuren ähnlich verniedlicht wie die Protagonisten der Lego-Spiele. Das führt gleichzeitig zu einer Gleichberechtigung, weil die Helden der frühen Titel dieselbe grafische Gestaltung haben wie die HD-verwöhnten Charaktere aus Final Fantasy XIII.

Viele der bekannten Serienhelden helfen den beiden Zwillingen, die gelegentlich einen von ihnen rufen können. Allerdings kämpfen die sogenannten Erlöser nicht normal mit dem Team, sondern unterstützen das Team beispielsweise mit Heilzaubern. Als Gegenleistung gibt es optionale Nebenschauplätze, an denen Reynn und Lann Stellvertreterkämpfe für die Veteranen führen und dafür mit Gegenständen oder dem Zugang zu exklusiven Miragen belohnt werden.

World of Final Fantasy: Der Ort Cornelia aus dem ersten Final Fantasy

Neben bekannten Charakteren besucht das Team die wichtigsten Schauplätze der Serie wie Nibelheim mit zugehörigem Mako-Reaktor aus "Final Fantasy VII". Die Orte entsprechen aber weder optisch noch vom Grundriss her den Originalen. Die unterschiedlichen Regionen im Verlauf von "World of Final Fantasy" sind übrigens ebenso geradlinig aufgebaut wie die Hauptgeschichte. Zwar gibt es vereinzelte Nebenquests, aber offene Regionen zum Erkunden suchen Spieler vergebens.

Die Rahmenhandlung erfüllt ihren Zweck und kann nicht mit den epischen Highlights der Hauptserie mithalten. Dabei bietet es reichlich Inhalte: Wer sich zügig durch die Story kämpft, hat das Spiel zwar in weniger als 50 Stunden durch. Wer jedoch alle gut 200 Miragen fangen will, kann durchaus doppelt so viel Zeit mit "World of Final Fantasy" verbringen. Nach dem Abspann warten zudem zusätzliche Herausforderungen mit neuen Dungeons und Stellvertreterkämpfen.

Final-Fantasy-Fans finden in "World of Final Fantasy" einen wunderschönen Spaziergang durch die Seriengeschichte. Das Retro-Kampfsystem werden sie ebenso lieben wie die zahlreichen Gastauftritte "ihrer" Helden. Das Sammeln der Miragen ist gut integriert und bietet jedem die Möglichkeit, das persönliche Dream-Team aus den Lieblingsmonstern der Serie zusammenzustellen. Der geradlinige Aufbau des Spiels sowie die zu leichten und auch auf schnellster Stufe (plus Beschleunigungstaste) gelegentlich zäh verlaufenden Kämpfe trüben das Vergnügen ein wenig.


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Links in diesem Artikel:
[1] http://dragonquest-game.com/builders/de/
[2] https://minecraft.net/de/
[3] http://dragonquest-game.com/heroes/
[4] http://worldoffinalfantasy.square-enix.com/de/
[5] http://www.jp.square-enix.com/ff_atb/en/