Neurowissenschaft: Kommt Klugheit von Kindern?

Christian Kliver
Altkluges Kind vor Schultafel

Bild: Sharomka / Shutterstock.com

Eltern bleiben im Alter geistig fitter. Eine Großstudie belegt, dass Kinder das Gehirn ihrer Eltern trainieren. Warum in diesem Fall mehr tatsächlich mehr ist.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Elternschaft eine positive Auswirkung auf unser Gehirn haben kann. Eine Studie mit fast 37.000 Erwachsenen, durchgeführt von Forschern der Rutgers University und der Yale University, beide in den USA, hat gezeigt, dass das Gehirn von Eltern Aktivitätsmuster aufweisen kann, die typischen altersbedingten Veränderungen entgegenwirken. Je mehr Kinder die Eltern haben, desto stärker scheint dieser Effekt zu sein.

Die Forscher analysierten Gehirnscans und Familieninformationen aus einer großen Datenbank, der UK Biobank. Sie untersuchten, wie verschiedene Hirnregionen miteinander kommunizieren, insbesondere jene, die mit Bewegung, Sinneswahrnehmung und sozialer Interaktion zusammenhängen.

Es zeigte sich, dass Eltern mit mehr Kindern eine stärkere Konnektivität in wichtigen Hirnnetzwerken aufwiesen, vor allem in den Bereichen Bewegung und Sinneswahrnehmung. Diese Netzwerke sind es, die typischerweise mit zunehmendem Alter an Konnektivität verlieren.

Der Effekt scheint kumulativ zu sein: Je mehr Kinder die Eltern hatten, desto stärker waren die Unterschiede im Gehirn ausgeprägt. Interessanterweise zeigte sich der Effekt sowohl bei Müttern als auch bei Vätern, was darauf hindeutet, dass die Veränderungen durch die Erfahrung der Elternschaft selbst und nicht durch biologische Veränderungen während der Schwangerschaft hervorgerufen werden.

Diese Ergebnisse stellen die Annahme infrage, dass Kinder zu haben in erster Linie Stress und Belastung mit sich bringt. Stattdessen legt die Studie nahe, dass Elternschaft durch kontinuierliche Betreuungaaufgaben und durch vermehrte körperliche Aktivität, soziale Interaktion und kognitive Stimulation die Gesundheit des Gehirns fördern kann.

Für Eltern und pädagogisches Personal sind diese Erkenntnisse sehr ermutigend. Sie zeigen, dass die täglichen Herausforderungen und Freuden der Kindererziehung nicht nur für die Entwicklung der Kinder, sondern auch für das eigene Wohlbefinden und die geistige Fitness von großer Bedeutung sein können. Die vermehrte körperliche Aktivität durch das Spielen und Toben mit den Kindern, die ständigen sozialen Interaktionen und die kognitive Stimulation durch das gemeinsame Lernen und Entdecken scheinen das Gehirn vor altersbedingtem Abbau zu schützen.

Es ist nun noch weitere Forschung nötig, um genau zu verstehen, wie Elternschaft die beschriebenen Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden. Die Studienteilnehmer stammten hauptsächlich aus dem Vereinigten Königreich, sodass die Ergebnisse möglicherweise keine Rückschlüsse auf andere Kulturräume und Familienstrukturen zulassen. Dennoch bietet die Studie neue Perspektive auf die Bedeutung von Elternschaft und können sogar auf andere Formen sozialer Unterstützung und Interaktion übertragen werden.

Eine weitere aktuelle Studie, dieses Mal von Forschern der Monash University, hat ebenfalls interessante Erkenntnisse über die Funktionsweise unseres Gehirns geliefert. Die Forscher untersuchten über 10.000 verschiedene Karten der menschlichen Gehirnaktivität und fanden heraus, dass die Gesamtform des Gehirns einen weitaus größeren Einfluss darauf hat, wie wir denken, fühlen und uns verhalten, als die komplexen neuronalen Verbindungen.

Diese Ergebnisse bedeuten nicht, dass die Verbindungen im Gehirn unwichtig sind, aber sie zeigen, dass die Form des Gehirns eine grundlegende Rolle spielt. Wie bei einem Musikinstrument, dessen Klang von seiner Form und Größe abhängt, scheint auch die Aktivität des Gehirns stark von seiner strukturellen Beschaffenheit beeinflusst zu werden.

Für Eltern und Pädagogen unterstreichen diese Studien die Bedeutung einer ganzheitlichen Sichtweise auf die kindliche Entwicklung. Nicht nur die Stimulation einzelner Hirnregionen durch gezielte Aktivitäten ist wichtig, sondern auch die Förderung einer gesunden Gesamtentwicklung des Gehirns durch eine anregende und unterstützende Umgebung. Dies kann durch vielfältige Erfahrungen, körperliche Aktivität, soziale Interaktionen und eine liebevolle Beziehung erreicht werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese neuen Forschungserkenntnisse unser Verständnis der Gehirnentwicklung und -funktion erweitern und die positiven Auswirkungen von Elternschaft und einer unterstützenden Umgebung auf das Gehirn hervorheben.

Sie bieten Eltern und Pädagogen Ermutigung und Bestätigung, dass ihre Bemühungen nicht nur für das gegenwärtige Wohlbefinden der Kinder, sondern auch für deren langfristige geistige Gesundheit von großer Bedeutung sind. Gleichzeitig eröffnen sie neue Perspektiven für die Forschung und mögliche Ansätze zur Förderung der Gehirngesundheit über die gesamte Lebensspanne hinweg.