New York vor der "Invasion" der Republikaner
Weil der straff durchorganisierte Parteitag keine Überraschungen verspricht, könnten die Demonstranten in der Demokraten-Hochburg New York den Republikanern die Show stehlen
Mit ihrem Wahlkonvent, der kommende Woche im "Madison Square Garden" in Manhattan tagen wird, machen sich die Republikaner bei den New Yorkern schon jetzt keine Freunde. Aber die Demokratenhochburg zu erobern, ist auch nicht Ziel bei der Krönung George Bushs zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Partei. Wie die Demokraten vor wenigen Wochen in Boston hoffen die Republikaner vor dem Wahlkampfendspurt vielmehr auf den "convention bounce". Denn zwischen Bush und John Kerry herrscht nach wie vor das berüchtigte Umfragepatt – was Schmierkampagnen Tür und Tor öffnet.
Zu den ersten Leidtragenden in Midtown Manhattan gehören allem Anschein nach Obdachlose, Alkoholiker und "illegale" Gelegenheitsarbeiter, die im und am größten Bahnhof der USA, der "Penn Station", bislang mehr recht als schlecht geduldet waren. Sie sind verschwunden. Denn der Bahnhof, der täglich fast eine Million Pendler aus New Jersey, Connecticut, Pennsylvania und Long Island ausspuckt, ist seit Wochenbeginn von Hunderten von Cops rund um die Uhr besetzt. Direkt über ihm liegt überirdisch der "Madison Square Garden", und es gibt sprichwörtlich keine stille Ecke, keine Rolltreppe und Kaffeebude, keinen Fahrscheinautomaten und Warteraum mehr, an dem nicht Zweier- und Dreiergruppen von Polizisten Ausschau halten und Präsenz zeigen würden.
Rund 10.000 Cops werden ab kommender Woche nur für das unmittelbare Areal zuständig sein, an dem die "Republican National Convention" tagt. Die Pendler werden über die Südspitze Manhattans einreisen und sich die ganze Woche über auf lange Umwege gefasst machen müssen. Bis zu 20 Prozent der Angestellten und Arbeiter werden Schätzungen zufolge auf Empfehlung etlicher Firmen deshalb Urlaub nehmen oder per "telecommuting" Zuhause ihre Lohnarbeit verrichten.
Missmut ueber die "Invasion" der Republikaner herrscht deshalb nicht nur bei denen, die schon vor Wochen erzwungenermassen ausweichen mussten. Die traditionell in ihrer großen Mehrheit demokratisch-liberal denkenden und wählenden New Yorker, die den urbanen Tagesstress sonst relativ gelassen hinnehmen, sind Umfragen zufolge mit über 80 Prozent gegen die "Republikaner-Invasion", wie es selbst bei den Unpolitischsten inzwischen heißt. Zehntausende von New Yorkern aus Manhattan, Brooklyn, Queens, Bronx und Staten Island werden deshalb aus der Stadt flüchten.
Welche Armada dagegen Bundes- Staats-, Stadt- und sonstige Polizeien und Geheimdienste über die bereits patrouillierenden Einheiten in Midtown Manhattan hinaus auffahren werden, deutete die New York Times am Mittwoch in einem Aufmacher an: Es wird der größte Aufmarsch von Sicherheitskräften in der Geschichte politischer Veranstaltungen. Die New Yorker Polizei wird sämtliche ihrer Mitglieder auf die Strasse stellen oder in Bereitschaft halten. Für den Schutz der "Convention" wurden mehr als 60 Millionen Dollar veranschlagt, die Kosten der Bundesbehörden nicht eingerechnet.
The backbone of security is being provided by the 37,000-member New York Police Department, which has a budget larger than all but 19 of the world's standing armies. To prevent an attack, the department will flood the streets with officers and employ high and low technology, from seven surveillance helicopters to plainclothes detectives traveling the subways and eyeballing other riders. Up to 10,000 officers, many reassigned from narcotics and other duties, will be part of an enormous show of force around Madison Square Garden. That display will include special heavily armed "Hercules" antiterror squads, snipers and phalanxes of officers set up around the arena to search buses and trucks before they enter the area. In addition to the helicopters, several of which can feed close-up video surveillance images to mobile command centers on the ground, 26 launches will patrol waterways, and officers will use 181 bomb-sniffing dogs, many of them borrowed from other law enforcement agencies.
Und das alles für die Inszenierung einer Show, die von vorne bis hinten orchestriert ist und deren Finale nicht den Hauch einer Überraschung verspricht, da es allen bekannt ist: George W. Bush will wieder Präsident werden, und die Republikaner wollen erneut Senat und Repräsentantenhaus kontrollieren. Dazu präsentieren sich die Republikaner in New York als "moderat". Hauptredner innerhalb des "Madison Square Garden" sind neben George Bush und seinem Vize Dick Cheney Leute wie der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger, Ex-Bürgermeister Rudolph Giuliani, Senator John McCain und der Demokraten-Senator Zell Miller aus Georgia – sie alle stehen nicht im Geruch, dem rechtsextremen und christlich-fundamentalistischen Hardcore-Parteiflügel anzugehören, der das Fleisch der Republikaner ausmacht.
Die TV Networks werden, wie schon beim Bostoner Demokraten-Wahlkonvent, pro Tag nur eine Stunde übertragen. Genau darum geht es: ein Politik- und "Wiederwahl"-fähiges Image zu vermitteln. Zielpublikum sind die zwei bis vier Prozent unentschlossener Waehler, die angesichts des Patts zwischen Bush und Kerry das Zünglein an der Waage ausmachen könnten.
Bleibt die Frage, ob die Hunderttausenden von Gegendemonstranten den Republikanern die Schau stehlen werden. Da die "Convention" nichts Spektakuläres verspricht, ist den Bush-Gegnern auf den Straßen von New York die mediale Aufmerksamkeit garantiert. Doch aus der Sicht etlicher Demonstranten, die sich über die amerikanische Politik in Wahlkampfzeiten keine Illusionen machen, sind die kommenden Tage voller Fallstricke.
Wird es friedlich bleiben oder in Gewalt ausarten? Und wer sieht letztendlich schlecht aus, und wie wird sich das Ganze auf die Wahlen auswirken? Sind es die Republikaner, die man für die Wut und die Spaltung des Landes verantwortlich machen wird, die die Meinungsverschiedenheiten provoziert haben? Oder wird man die Demokraten anschwärzen, weil die Medien Kerry für das Fehlverhalten von Demonstranten verantwortlich machen?
Die Debatte über zivilen Ungehorsam, die zweifellos geplanten militanten Aktionen sowie deren Vermittelbarkeit und Darstellung in den Medien, läuft seit einigen Tagen bei Linken zur Hochform auf. Und immer wieder wird dabei Chicago 1968 als warnendes Beispiel angeführt. Damals hatte die Berichterstattung über das "Battle of Chicago" zum hauchdünnen Wahlsieg des amtierenden republikanischen Kriegspräsidenten Richard Nixon über den demokratischen Kriegskritiker Hubert Humphrey beigetragen. Der "worst case" 2004 für die Bush-Opposition könnte analog so aussehen: Bilder von Strassenschlachten zwischen Anti-Bush-Demonstranten und Polizei in New York veranlassen den unentschlossenen Wechselwähler irgendwo im Mittlerern Westen doch noch zum Kreuzchenmachen beim Ordnungsfaktor Bush - und der gewinnt die Wahl am 2. November um Haaresbreite.
Während des Parteitags werden Max Böhnel, Volker Lehmann und Christian Schwalb in einem Weblog aus New York berichten:
39th STREET
3 Journalisten, 5 Tage:
Der Weblog zum Republikaner-Kongress
Einen Steinwurf vom Madison Square Garden entfernt