Nexperia-Lieferung startet wieder: Rettung für Europas Autobauer

Bernd Müller
Flagge der Republik China und USA auf einem PC-Mainboard mit CPU.

(Bild: Dan74 / Shutterstock.com)

Handelsabkommen zwischen Trump und Xi soll Nexperia-Chip-Exporte freigeben. Europas Autoindustrie atmet auf – drohende Stillstände könnten abgewendet werden.

Die europäischen Autobauer leiden unter dem Chipmangel, der durch den Streit um Nexperia verursacht wurde. Ein Handelsabkommen zwischen den USA und China könnte dieses Problem allerdings schon bald lösen.

Nach Angaben von mit der Situation vertrauten Personen soll Nexperia die Lieferung von Halbleitern aus China wieder aufnehmen dürfen. Entsprechende Details sollen auf dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping besprochen worden sein. Das berichtet Bloomberg.

Dieser Schritt kommt für die Branche zur rechten Zeit: Deutsche und europäische Automobilhersteller und Zulieferer hatten vor drohenden Produktionsstopps innerhalb weniger Tage gewarnt. Die Entspannung dürfte Sorgen lindern, die seit Wochen die gesamte Wertschöpfungskette belasten.

Handelsabkommen bringt Entspannung bei Nexperia-Krise

Das Abkommen zwischen Washington und Peking umfasst laut Bericht mehrere Elemente: China verschiebt umfassende Kontrollen für Seltenerdmagnete und nimmt Agrarkäufe aus den USA wieder auf.

Im Gegenzug halbieren die USA ihre Zölle auf Fentanyl-Vorprodukte aus China, setzen die angedrohte 100-Prozent-Abgabe auf chinesische Waren aus und verlängern die Aussetzung einiger Gegenzölle.

Das chinesische Handelsministerium erklärte laut Bloomberg, Exporte unter bestimmten Bedingungen zuzulassen. Allerdings nannte Peking weder die ausgenommenen Produkte noch die genauen Voraussetzungen. Auch der zeitliche Rahmen für die Wiederaufnahme der Nexperia-Lieferungen bleibt vorerst unklar.

Wie es zur Nexperia-Knappheit kam

Die Chipknappheit hatte ihren Ursprung in einem Konflikt zwischen den Niederlanden und China. Peking hinderte Nexperia diesen Monat daran, aus seinen Werken im Land zu exportieren – als Reaktion darauf, dass die niederländische Regierung die Kontrolle über den im Besitz der chinesischen Wingtech Technology Co. stehenden Chiphersteller übernommen hatte.

Der niederländische Wirtschaftsminister Vincent Karremans hatte sich auf ein Gesetz aus der Zeit des Kalten Krieges berufen. Grund waren laut Bloomberg Pläne des früheren Nexperia-Chefs Zhang Xuezheng, Maschinen aus Standorten in Deutschland und Großbritannien abzuziehen.

Zhang beabsichtigte zudem, so der Bericht, Patente aus den Niederlanden nach China zu übertragen und 40 Prozent der europäischen Belegschaft zu entlassen. Außerdem soll er fragwürdige Aufträge im Wert von bis zu 130 Millionen US-Dollar mit einem von ihm kontrollierten Unternehmen unterzeichnet haben.

"Das Verhalten des CEO stellte eine akute Bedrohung für die Kontinuität der Produktionskapazitäten, des Know-hows und des geistigen Eigentums von Nexperia dar", erklärte das niederländische Wirtschaftsministerium laut Bloomberg.

Ohne das Eingreifen der Regierung "wäre die europäische Niederlassung des Unternehmens kurzfristig praktisch verschwunden".

Systemrelevanz von Nexperia für die Automobilindustrie

Die Bedeutung von Nexperia für die Automobilbranche lässt sich kaum überschätzen. Das Unternehmen liefert einfache, aber unverzichtbare Transistoren und Logikchips für Fahrzeugsteuergeräte. Diese Komponenten sind zwar nicht besonders fortschrittlich, aber für die Automobil- und Unterhaltungselektronikindustrie von entscheidender Bedeutung.

Nexperia betreibt Wafer-Fabriken in Deutschland und Großbritannien sowie Montage- und Teststandorte unter anderem in China. Rund die Hälfte des Gesamtvolumens stammt aus dem Werk in Guangdong, wie eine mit der Angelegenheit vertraute Person Bloomberg mitteilte.

Trotz des Exportverbots aus China hätte die Waferfabrik in Hamburg weiterhin den Standort in Guangdong beliefert, da das Unternehmen keine weitere Eskalation der Spannungen riskieren wollte. Laut Bericht verschärften sich allerdings die Meinungsverschiedenheiten, sodass die Hamburger Fabrik ihre Lieferungen nach China einstellte.

Nexperia hatte kürzlich Briefe an seine Kunden verschickt, in denen es sie über das Risiko einer reduzierten Lieferung informierte und darauf hinwies, dass es keine klare Kontrolle über die Qualität der in China hergestellten Produkte habe, sagte die Person.

Akute Folgen in Europa: Von Kurzarbeit bis Produktionsstopp

Die Auswirkungen des Exportstopps trafen die europäische Automobilindustrie mit voller Wucht. Der Europäische Automobilherstellerverband ACEA warnte, dass Fertigungsstraßen innerhalb weniger Tage stillstehen könnten. Die Unternehmen seien auf schwindende Reserven angewiesen, um ihre Werke am Laufen zu halten.

"Alle Parteien dieses Streits arbeiten sehr hart daran, eine diplomatische Lösung zu finden", sagte ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries. "Gleichzeitig berichten uns unsere Mitglieder, dass die Lieferung von Teilen aufgrund der Verknappung bereits eingestellt wurde."

Der Zulieferer ZF Friedrichshafen AG reduzierte die Schichten in seinem Hauptwerk für elektrische Antriebe in Schweinfurt, weil die Verfügbarkeit wichtiger Komponenten eingeschränkt war, berichtet Bloomberg.

Das Werk beschäftigt rund 8.000 Mitarbeiter und ist eines der weltweit wichtigsten Werke des Unternehmens. ZF beliefert die meisten großen Automobilhersteller, darunter Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz, Stellantis und Ford.

Auch die Robert Bosch GmbH bereitete sich darauf vor, die Arbeitszeiten an ihrem Standort in Salzgitter zu reduzieren. Das Werk stellt elektronische Steuergeräte her und benötigt einen kontinuierlichen Fluss von Teilen, um betriebsfähig zu bleiben.

Volkswagen: Finanzziele hängen an Nexperia-Chips

Für Volkswagen steht viel auf dem Spiel. Der Konzern warnte laut Bloomberg, dass er eine ausreichende Versorgung mit Halbleitern benötige, um seine Finanzziele für dieses Jahr zu erreichen.

VW gab an, sich für die kommende Woche genügend Komponenten gesichert zu haben, um seine deutschen Werke am Laufen zu halten, konnte jedoch Produktionsausfälle darüber hinaus nicht ausschließen.

"Die Lösung sollte auf politischer Ebene gefunden werden, da es sich nicht um einen technischen Mangel oder einen Kapazitätsmangel handelt", sagte demnach VW-Finanzvorstand Arno Antlitz. "Es handelt sich wirklich um eine Folge politischer Diskussionen, und wir hoffen, dass sich alle relevanten Parteien zusammensetzen und Lösungen finden."

Die deutsche Mercedes-Benz Group AG verfügt nach eigenen Angaben über genügend Nexperia-Chips für die nächste Zeit, da sie auf Pufferbestände der betroffenen Komponenten zurückgreifen kann.

Globale Auswirkungen: Von Mexiko bis zu den USA

Die Nexperia-Krise beschränkte sich nicht auf Europa. Der japanische Autobauer Honda stellte die Produktion in einem Werk in Mexiko ein, da sich die Auswirkungen auf die gesamte Branche ausbreiteten. Der US-Zuliefererverband warnte vor Stillständen in zwei bis vier Wochen. Ford sprach von einem branchenweiten, politisch zu lösenden Problem.

Nicht alle Unternehmen waren gleichermaßen betroffen. Der französische Zulieferer Valeo SE gab bekannt, Ersatz für die meisten Nexperia-Chips gefunden zu haben, was auf Fortschritte bei den Bemühungen zur Vermeidung von Produktionsausfällen hindeutet.