"Nie Wieder": Holocaust-Überlebende verurteilt Gaza-Bombardierung, verlangt Frieden
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- "Dreckiges Judenschwein" und Operation Gomorrha
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Bundestag gedenkt Pogromnacht. Jüdin Marione Ingram erzählt vom Hamburger Bomben-Horror. Warum sie Biden mitverantwortlich macht für Gaza-Tote. Gastbeitrag.
Heute jährt sich die Pogromnacht zum 85. Mal. 1938 hatten Truppen der Nationalsozialisten in der Nacht vom 9. auf den 10. November Jagd auf Jüdinnen und Juden gemacht.
Mehr als 1.300 Menschen wurden getötet, 1.400 Synagogen beschädigt oder zerstört und 7.000 Geschäfte überfallen, während 30.000 Juden in Konzentrationslager verschleppt wurden. Heute erinnerte der Bundestag in einer Gedenkstunde an die Ereignisse. Das Gedenken wird überschattet von der jüngsten Gewalt in Israel und Gaza.
Der US-Sender Democracy Now hat Marione Ingram interviewt. Sie ist eine 87-jährige Holocaust-Überlebende, die in Hamburg als Jüdin aufwuchs und mit ihrer Mutter während der Nazi-Zeit und der Bombardierungen der Stadt durch die Alliierten nur knapp mit dem Leben davonkam. Sie emigrierte danach in die Vereinigten Staaten.
Sie ist aufgrund dieser Erfahrungen zu einer Friedenaktivistin geworden, die insbesondere gegen die Kriege der USA in der Nachkriegszeit opponierte. In den 1960er-Jahren war sie Organisatorin im SNCC, dem Student Nonviolent Coordinating Committee.
Ingram ist die Autorin von "The Hands of War: A Tale of Endurance and Hope from a Survivor of the Holocaust" und "Hands of Peace: A Holocaust Survivor’s Fight for Civil Rights in the American South".
Seit der israelischen Bombardierung des Gazastreifens demonstriert sie mit anderen vor dem Weißen Haus für einen Waffenstillstand. Das Interview mit Marione Ingram wurde geführt von Amy Goodman und Juan Gonzales.
Bevor wir über den Waffenstillstand in Gaza sprechen, möchte ich Sie bitten, auf die offizielle Zensur-Rüge der einzigen palästinensischen US-Kongressabgeordneten, Rashida Tlaib, zu reagieren, deren Rede wir gerade abgespielt haben. [Das US-Repräsentantenhaus hat am Dienstag beschlossen, Tlaib für ihre Kritik an Israel öffentlich zu verurteilen ("to censure").]
Marione Ingram: Ich unterstütze ihre Äußerungen voll und ganz. Und ich finde es darüber hinaus beschämend, dass ihre berechtigte Verteidigung von Menschenleben als antisemitisch angesehen wird. Sie ist pro-menschlich.
Ich finde es entsetzlich, dass die Politiker die Frechheit besitzen, rechtschaffene Stimmen für den Frieden und für das Leben der Menschen im Gazastreifen, die ermordet werden, zu tadeln. Es ist ein Gemetzel, das hier stattfindet. Und Rashida Tlaib ist in meinen Augen eine Heldin.
Die Regierung Netanjahu, die Politik Israels, besteht seit Jahrzehnten in der Unterdrückung der Palästinenser, in Landnahme und der Entrechtung von Palästinensern. Für mich, die ich selbst all die Schrecken erlebt habe, die die Menschen nun im Gazastreifen erleben und die Menschen in Israel durch die schrecklichen Angriffe der Hamas erfahren haben, ist das schmerzlich.
Aber der Angriff der Hamas auf Israel rechtfertigt nicht das Abschlachten von Frauen und Kindern, insbesondere von Kindern. Ich bin ein Kind des Krieges. Ich habe all diese Dinge erlebt. Ich weiß auch ganz genau, dass das, was Israel unternimmt, diesen Konflikt nicht beenden wird. Es wird ihn nur noch verschärfen. Es wird den Widerstand verstärken.
Ich denke, dass Biden alle Gelder, die an Israel fließen, streichen muss. Er sollte nicht nur einen Waffenstillstand fordern. Er muss anfangen, über Frieden nachzudenken.
Wir können nicht weiterhin Kriege führen und dann zu Waffenstillständen aufrufen, nur damit nach dem Ende des Waffenstillstandes wieder Kriege beginnen. Das haben wir immer und immer wieder erlebt.
Ich bin es so leid, gegen all das zu protestieren – gegen Kriege, gegen Waffengewalt, gegen den Krieg gegen Frauen. Es ist lächerlich, dass wir nicht in der Lage sind, klar zu denken.
Die glücklichsten Menschen im Universum müssen wohl die Hersteller von Rüstungsgütern sein. Wahrscheinlich sind sie auch an der Förderung von Kriegen beteiligt. Die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten an der Ermordung von Kindern mitschuldig sind, ist für mich ein schreckliches Verbrechen der Unmenschlichkeit.
Ich applaudiere Rashida Tlaib von ganzem Herzen, mit meinem ganzen Wesen. Ich denke, sie ist fantastisch. Ich wünschte nur, es gäbe mehr Stimmen, die sich ihr im Repräsentantenhaus anschließen.