Niedergang als Lebensstil
Die Rückkehr der Slacker
Konservative Regierung - wirtschaftliche Rezession. Zu Beginn der 90er Jahre waren das die Zutaten für Grunge, Slackertum und die sogenannte Generation X. Jetzt, mit George W. Bush im Weißen Haus und beinahe täglichen Horrorbotschaften über Entlassungen im IT-Sektor, scheint die amerikanische Geschichte einen Re-Rewind hingelegt zu haben. In diesem vierten und finstersten Teil von "Zurück in die Zukunft" trägt Marty McFly Ziegenbart und Flanellhemd. Denn: Die Slacker sind zurück!
"Do you remember Grunge?" fragt das Banner auf plastic.com, der Slashdot-Version für Non-Computer-Geeks, einer Art Portal zum dunklen Kellergeschoss der amerikanischen Kultur. Neben dem Schriftzug prangt ein Foto von Herrn Cobain aus jener Zeit, als er noch unter uns zu weilen pflegte. Es ist Werbung für das auf die 90er Jahre spezialisierte Online-Lexikon altculture.com. Das ist gut und hilfreich. Schließlich sollte man sich als echtes Mitglied der Generation X überhaupt nicht an die 90er erinnern können. Aber nicht etwa wie bei den Eltern und ihren 60ern wegen exzessiven Drogenkonsums, sondern weil es galt, sich in Dotcomstartups halbtot zu arbeiten. Von genau dieser goldenen Zukunft war aber war damals noch überhaupt nichts zu sehen gewesen. Der Präsident hieß Bush und man bombardierte fremde Länder. Genau wie heute.
Grund genug für das Online-Magazin Salon, die frisch gefeuerten High-Tech-Rezessionsopfer als "the new slackers" zu bezeichnen. Anstatt in der Programmierschwitzbude ihre Athlons hart rannehmen zu müssen, würden die Gefeuerten es erst einmal genießen, mehr Zeit für sich selbst zu haben. Man wird rausgeschmissen, denkt sich nichts dabei und nimmt erst mal freudig ein Album auf. Es ist interessant, wie schnell die angloamerikanischen Kulturen selbst das Desaster noch bunt verpacken und als Lifestyle verkaufen können. Punk war der Ausverkauf der Aggression, Grunge das Marketing der postindustriellen Verzweiflung. Trendkulturen wie nervöses Lachen. Man hat seinen Job verloren, aber man ist wenigstens hip.
Unter dem medialen Zuckerguss sieht es anders aus. In der Diskussion des Themas bei plastic.com fragen sich die echten Menschen, wie sich die in dem Salon-Artikel beschriebenen Edel-Aussteiger denn bitteschön ihre teuren Hobbies und den Müssiggang leisten könnten. Nur gut, wenn man seine Aktien zum richtigen Zeitpunkt zu Geld gemacht hat. Andere Forumsteilnehmer gratulieren sich selbst zu der Entscheidung, aus der new economy ausgestiegen und stattdessen zurück an die Uni gegangen zu sein und Jura studiert zu haben. Ausgerechnet. Der Mann ist damit nicht nur dem drohenden Slackertum entkommen, sondern auch dem packaging des Verlierers als Comicfigur.
Die Lehre, die man daraus ziehen kann, ist die, dass man in einer Gesellschaft wie der unseren den eigenen Verlust und den seiner Mitmenschen nett einpacken und anderen Leuten verkaufen sollte. Wenn die Dinge schön schlecht laufen und wenn man sich anstrengt, dann kann man aus der allgemeinen Krise persönlichen Gewinn ziehen, indem man das Unglück so sexy macht, dass die Glücklichen dafür Geld ausgeben wollen. Douglas Coupland , Autor von Generation X, hat es richtig gemacht, den Hype um die Slacker der frühen 90er ausgenutzt und sich zu einem erfolgreichen Schriftsteller weiterentwickelt. Die einen werden den zupackenden Realismus dieser Taktik loben, die anderen es als den Höhepunkt des American-Dream-Zynismus verfluchen. Und alle warten, bis Bush und Bombardements ein zweites Mal vorbei sind.