Niederlande: Schwere Krawalle in mehreren Städten

Seite 2: Ernüchterung

Am heutigen Dienstag sichten in vielen Städten Ladenbesitzer die Schäden. Mitbürger helfen beim Aufräumen. Landesweit habe es in der dritten Nacht 184 Festnahmen gegeben. Parlamentarier und Regierungsmitglieder unterstreichen heute, dass die Sperrstunde bleibt.

Der Minister für Justiz und Sicherheit, Ferdinand Grapperhaus, verkündete, dass den Krawallmachern Gefängnisstrafen drohen. Der Bürgermeister von Den Bosch hat präventiv den Notstand ausgerufen, um eine Wiederholung der Zustände vom Vortag zu verhindern.

Laut der Nachrichtenseite NOS.nl musste die Polizei seit der Verschärfung der Maßnahmen am vergangenen Samstag in 21 Städten und Gemeinden wegen Randalierern ausrücken, darunter Amsterdam, Arnhem, Breda, Den Haag, Eindhoven, Enschede, Haarlem, Rotterdam, Tilburg und Zwolle.

Allein der weniger dicht besiedelte Norden scheint bisher relativ ruhig zu sein. In der Gemeinde Urk wurde eine Coronavirus-Teststation des Gesundheitsdienstes zerstört, in Enschede ein Krankenhaus mit Steinen beschmissen.

Gewalt im Kontext

Diese Ausschreitungen sind natürlich von Bürgerinnen und Bürgern abzugrenzen, die sich friedlich versammeln, um ihre Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen auszudrücken. Umgekehrt werden diese (wegen der Auflagen illegalen) Zusammenkünfte aber auch von gewaltbereiten Menschen benutzt, um die Polizei anzugreifen und Privateigentum zu zerstören. In den Medien hat sich inzwischen die Rede von den "Sperrstundenrandalen" (avondklokrellen) etabliert.

Die Randalierer sind meistens junge Männer und mit Kapuzenpullis, Atemmasken und Schals vermummt. Über Hintergründe und Motive ist bisher wenig bekannt. Es scheint zum Teil schlicht um Sensationslust zu gehen, wobei sich die Täter selbst oder ihre Freunde filmen und die Videos dann online teilen.

Auf einer Aufnahme ist zu sehen, wie ein Pressefotograf in Haarlem aus nächster Nähe einen Stein an den Kopf geschmissen bekommt und die Angreifer wiederholt schreien: "Hau ab! Verschwinde! Schneller!" Sie scheinen die Macht ihrer Masse und Brutalität auszukosten.

Der fassungslose Bürgermeister von Eindhoven sprach in die Kamera, wie er mit Mühe das Image einer Zukunftsstadt der Technologie aufgebaut habe. Das wolle er sich nun von den Randalierern nicht zerstören lassen.

Es scheint aber, dass sich nicht alle mit dieser "Stadt der Technologie" identifizieren können oder wollen. Natürlich entschuldigt das nicht die Angriffe auf die Polizei und auf Privateigentum: Aber wie so oft dürfte es auch hier soziale Hintergründe geben. Denjenigen, die nicht dazugehören, ist jetzt vielleicht langweilig geworden. Die Sperrstunde gibt ihnen nun die Gelegenheit zur Konfrontation mit Polizei und Gesellschaft.