Niger: Durchkreuzt US-Diplomatin Victoria Nuland französische Strategie?

Bild: US-Außenministerium.

Pariser Außenministerium verärgert über USA, die mit Putschisten über eigene geopolitische Interessen verhandeln. Nigrische Militärjunta bedroht abgesetzten Präsidenten mit Todesstrafe. Können ihn die USA schützen?

US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland saß am 7. August mit den Putschisten in Niger an einem Tisch und Frankreichs Diplomatie fühlt sich verraten. "Mit solchen Verbündeten braucht man keine Feinde", zitiert die Zeitung Le Figaro aus dem Pariser Außenministerium.

Die USA würden "genau das Gegenteil von dem machen, was wir dachten, dass sie machen würden", wird am Quai d’Orsay beklagt. Der Vorwurf zielt auf eine vornehmlich auf eigene Interessen bedachte Politik der USA.

Frankreich drängt auf eine Rückkehr zu alten Verhältnissen, auf eine Wiedereinsetzung des von den Putschisten abgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum – nötigenfalls über eine militärische Intervention durch die Ecowas, die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten.

Unterhöhlung einer gemeinsamen Position

Den Auftritt Nulands bei den Putschisten wertet man in Paris als Unterhöhlung einer gemeinsamen Position, die mit militärischer Stärke droht. Denn, so die Vorwürfe, die die gut vernetzte Zeitung aus Kreisen des Außenministeriums erfahren hat: Den USA gehe es vor allem um den Erhalt ihrer Militärbasen in Niger, in der Hauptstadt und in Agadez, einem wichtigen Standort für Drohnen: "das Nervenzentrum ihrer Überwachungskapazitäten in der gesamten Region, insbesondere in Libyen" (Le Figaro).

Dazu hatten die USA und Niger ein Militärabkommen geschlossen. Die Militärpräsenz der USA wurde lange Zeit sehr diskret behandelt. Jetzt bekommen die strategischen Interessen der USA neue Aufmerksamkeit.

Dass sich US-Außenminister Antony Blinken klar gegen eine militärische Lösung aussprach – "Es gibt keine akzeptable militärische Lösung" –, wird in von der französischen Regierung als Zug gesehen, der vor allem den strategischen Interessen der USA geschuldet ist.

Damit habe die US-Führung allerdings eine gemeinsame Position untergraben und Frankreich noch stärker als "den" Sündenbock für die miserable Lage im Land exponiert.

Die Putschisten in Niamey hätten das Abkommen mit den USA bislang nicht infrage gestellt, obwohl das auf der Straße mehrfach gefordert wurde, "alle ausländischen Streitkräfte aus Niger" abzuziehen, berichtet Le Figaro.

"Obwohl Frankreich und die USA relativ ähnlich große Kontingente in der Sahelzone unterhalten, richtet sich der Großteil der Feindseligkeit gegenüber den ausländischen Streitkräften gegen Frankreich."

Die USA hatten sich zuletzt stärker in die Verhandlungen über Niger eingeschaltet, wenn auch wenig davon an die Öffentlichkeit kam. Wenn die Großmacht sich gegen eine militärische Operation ausspricht, so hat das Gewicht.

Eine Region voller Pulverfässer

Dass die Ecowas auch nach dem Verstreichen des Ultimatums die militärische Option nicht gezogen hat, hat jedoch mehrere Gründe.

Nicht zuletzt, dass die ganze Region voller Pulverfässer ist. So verwiesen in den letzten Tagen Nachrichten auf Konflikte, die sich neu entzünden können, wenn die militärische Lösung gesucht wird. So stehe ein Friedensabkommen mit den Tuareg auf der Kippe. Dazu kamen Nachrichten von Anschlägen dschihadistischer Milizen:

Der Verbund der früheren Tuareg-Rebellengruppen, CMA, hatte am Samstag mitgeteilt, eine ihrer Stellungen nahe Ber (Region Timbuktu, Mali, Einf. d. A.), sei von Einheiten des malischen Militärs und Wagner-Söldnern angegriffen worden, und rief zu einer "Generalmobilmachung" ihrer Kämpfer auf.

Malis Armee sprach am Samstag von einem Kampf mit »bewaffneten Terrorgruppen« bei Ber, bei der sechs Soldaten umgekommen seien. Die al-Qaida nahestehende islamistische Terrorgruppe JNIM behauptete ebenfalls am Samstag, nahe Ber malische Soldaten bei einem Kampf getötet zu haben.

Spiegel

Indessen drohen die Putschisten in Niger dem abgesetzten Präsidenten Bazoum mit einem Prozess wegen Hochverrat. Darauf steht die Todesstrafe.

Anthony Blinken hatte kürzlich mit Mohamed Bazoum telefoniert. Er bleibt für die USA das legitime Staatsoberhaupt. Man darf gespannt sein, wie die USA in dem Fall weiter vorgehen.

Die Putschisten führen Telefonate Bazoums mit Repräsentanten anderer Staaten als eine der Anklagepunkte für den Hochverrat an. Telefoniert hatte der nigrische Präsident auch mit Human Rights Watch. Dabei bezeichnete er die Behandlung seiner Familie als "unmenschlich und grausam", ohne Strom oder menschlichen Kontakt, mit Nudeln und Reis als Nahrung.