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Niger: Durchkreuzt US-Diplomatin Victoria Nuland französische Strategie?

Thomas Pany

Bild: US-Außenministerium.

Pariser Außenministerium verĂ€rgert ĂŒber USA, die mit Putschisten ĂŒber eigene geopolitische Interessen verhandeln. Nigrische MilitĂ€rjunta bedroht abgesetzten PrĂ€sidenten mit Todesstrafe. Können ihn die USA schĂŒtzen?

US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland saß am 7. August mit den Putschisten in Niger an einem Tisch und Frankreichs Diplomatie fĂŒhlt sich verraten. "Mit solchen VerbĂŒndeten braucht man keine Feinde", zitiert die Zeitung Le Figaro [1] aus dem Pariser Außenministerium.

Die USA wĂŒrden "genau das Gegenteil von dem machen, was wir dachten, dass sie machen wĂŒrden", wird am Quai d’Orsay beklagt. Der Vorwurf zielt auf eine vornehmlich auf eigene Interessen bedachte Politik der USA.

Frankreich drĂ€ngt auf eine RĂŒckkehr zu alten VerhĂ€ltnissen, auf eine Wiedereinsetzung des von den Putschisten abgesetzten PrĂ€sidenten Mohamed Bazoum – nötigenfalls ĂŒber eine militĂ€rische Intervention durch die Ecowas, die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten.

Unterhöhlung einer gemeinsamen Position

Den Auftritt Nulands bei den Putschisten wertet man in Paris als Unterhöhlung einer gemeinsamen Position, die mit militĂ€rischer StĂ€rke droht. Denn, so die VorwĂŒrfe, die die gut vernetzte Zeitung aus Kreisen des Außenministeriums erfahren hat: Den USA gehe es vor allem um den Erhalt ihrer MilitĂ€rbasen in Niger, in der Hauptstadt und in Agadez, einem wichtigen Standort fĂŒr Drohnen: "das Nervenzentrum ihrer ÜberwachungskapazitĂ€ten in der gesamten Region, insbesondere in Libyen" (Le Figaro).

Dazu hatten die USA und Niger ein MilitÀrabkommen geschlossen. Die MilitÀrprÀsenz der USA wurde lange Zeit sehr diskret [2] behandelt. Jetzt bekommen die strategischen Interessen der USA neue Aufmerksamkeit.

Dass sich US-Außenminister Antony Blinken klar gegen eine militĂ€rische Lösung aussprach – "Es gibt keine akzeptable militĂ€rische Lösung" –, wird in von der französischen Regierung als Zug gesehen, der vor allem den strategischen Interessen der USA geschuldet ist.

Damit habe die US-FĂŒhrung allerdings eine gemeinsame Position untergraben und Frankreich noch stĂ€rker als "den" SĂŒndenbock fĂŒr die miserable Lage im Land exponiert.

Die Putschisten in Niamey hĂ€tten das Abkommen mit den USA bislang nicht infrage gestellt, obwohl das auf der Straße mehrfach gefordert wurde, "alle auslĂ€ndischen StreitkrĂ€fte aus Niger" abzuziehen, berichtet Le Figaro.

"Obwohl Frankreich und die USA relativ Ă€hnlich große Kontingente in der Sahelzone unterhalten, richtet sich der Großteil der Feindseligkeit gegenĂŒber den auslĂ€ndischen StreitkrĂ€ften gegen Frankreich."

Die USA hatten sich zuletzt stĂ€rker in die Verhandlungen ĂŒber Niger eingeschaltet, wenn auch wenig davon an die Öffentlichkeit kam. Wenn die Großmacht sich gegen eine militĂ€rische Operation ausspricht, so hat das Gewicht.

Eine Region voller PulverfÀsser

Dass die Ecowas auch nach dem Verstreichen des Ultimatums die militĂ€rische Option nicht gezogen hat, hat jedoch mehrere GrĂŒnde.

Nicht zuletzt, dass die ganze Region voller PulverfĂ€sser ist. So verwiesen in den letzten Tagen Nachrichten auf Konflikte, die sich neu entzĂŒnden können, wenn die militĂ€rische Lösung gesucht wird. So stehe ein Friedensabkommen mit den Tuareg auf der Kippe. Dazu kamen Nachrichten von AnschlĂ€gen dschihadistischer Milizen:

Der Verbund der frĂŒheren Tuareg-Rebellengruppen, CMA, hatte am Samstag mitgeteilt, eine ihrer Stellungen nahe Ber [3] (Region Timbuktu, Mali, Einf. d. A.), sei von Einheiten des malischen MilitĂ€rs und Wagner-Söldnern angegriffen worden, und rief zu einer "Generalmobilmachung" ihrer KĂ€mpfer auf.

Malis Armee sprach am Samstag von einem Kampf mit »bewaffneten Terrorgruppen« bei Ber, bei der sechs Soldaten umgekommen seien. Die al-Qaida nahestehende islamistische Terrorgruppe JNIM behauptete ebenfalls am Samstag, nahe Ber malische Soldaten bei einem Kampf getötet zu haben.

Spiegel [4]

Indessen drohen die Putschisten in Niger dem abgesetzten PrÀsidenten Bazoum mit einem Prozess wegen Hochverrat. Darauf steht die Todesstrafe [5].

Anthony Blinken hatte kĂŒrzlich mit Mohamed Bazoum telefoniert. Er bleibt fĂŒr die USA das legitime Staatsoberhaupt. Man darf gespannt sein, wie die USA in dem Fall weiter vorgehen.

Die Putschisten fĂŒhren Telefonate Bazoums mit ReprĂ€sentanten anderer Staaten als eine der Anklagepunkte fĂŒr den Hochverrat an. Telefoniert hatte der nigrische PrĂ€sident auch mit Human Rights Watch. Dabei bezeichnete er die Behandlung seiner Familie als "unmenschlich und grausam" [6], ohne Strom oder menschlichen Kontakt, mit Nudeln und Reis als Nahrung.


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https://www.heise.de/-9243551

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.lefigaro.fr/international/apres-le-putsch-au-niger-la-france-craint-d-etre-doublee-par-son-allie-americain-20230813
[2] https://information.tv5monde.com/afrique/video/niger-outre-la-france-les-etats-unis-aussi-engages-sur-le-sol-nigerien-2664122
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Ber_(Timbuktu)
[4] https://www.spiegel.de/ausland/uno-friedenstruppen-beschleunigen-abzug-aus-dem-norden-malis-a-479d9079-b216-43fc-9324-4255515bf13c
[5] https://www.lemonde.fr/afrique/article/2023/08/13/au-niger-le-regime-militaire-se-dit-ouvert-a-la-voie-diplomatique-selon-la-mediation-religieuse_6185325_3212.html
[6] https://www.lemonde.fr/afrique/article/2023/08/12/coup-d-etat-au-niger-la-cedeao-reporte-une-reunion-sur-le-deploiement-d-une-force-d-intervention_6185222_3212.html