Noch schreibt KI für uns Texte – bald wird sie Kriege führen
- Noch schreibt KI für uns Texte – bald wird sie Kriege führen
- EU, Nato, Bundeswehr: Kriegs-KI könnte bald konkrete Anwender finden
- Militärische KI im Informationskrieg
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Militärs und Rüstungskonzerne setzen schon seit Langem auf Künstliche Intelligenz. Nun zeichnet sich ein Durchbruch ab. Was das bedeutet und welche Rolle der Ukraine-Krieg dabei spielt.
Mit der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Kriegführung ist es ein wenig, wie in der Fabel vom Hirtenjungen und dem Wolf: Seit Jahrzehnten gab es immer wieder Konjunkturen, in denen die Industrie Durchbrüche bei der militärischen Anwendung von KI in Aussicht stellte und damit Erwartungen im Militär. In der Friedensbewegung und unter kritischen Informatiker:innen war man hingegen alarmiert.
Die tatsächlichen Fortschritte aber fallen gegenüber den Ankündigungen bis dato meist sehr bescheiden aus und vollzogen sich relativ unabhängig von den Konjunkturen der KI-Forschung und den sie begleitenden rüstungskeynsianistischen Programmen der Regierungen.
Entsprechende Anwendungen dessen, was jeweils zeitgenössisch als KI verstanden wurde, folgten dabei eher getrennten Entwicklungspfaden in getrennten Anwendungsfeldern wie der Fernaufklärung, der Bilderkennung, der Logistik und der Erzeugung von Trainings- und Simulationsumgebungen.
Häufig griffen die Militärs dabei auf Technologien zurück, die bereits zuvor auf zivilen Massenmärkten etabliert worden waren, z.B. in der Spiele-Industrie oder Softwareentwicklungen für das Ressourcenmanagement von Unternehmen.
Der aktuelle Hype um KI allerdings könnte sich von den bisherigen Konjunkturen unterscheiden und tatsächlich disruptive Veränderungen auf den Schlachtfeldern hervorbringen. Vieles spricht dafür, dass dies aktuell bereits der Fall ist – nicht nur in der Ukraine. Und einiges spricht dafür, dass diese Entwicklung noch am Anfang steht und sich noch deutlich beschleunigen könnte.
"Es geht um konkrete Lösungen"
Davon zeugte etwa eine Veranstaltung des "Anwenderforum(s) für Fernmeldetechnik, Computer, Elektronik und Automatisierung" (AFCEA) Bonn. Hinter dem als gemeinnützig anerkannten Verein steht ein Netzwerk von Unternehmen aus der IT- und Rüstungsindustrie, Militärs und Ministerialbeamt:innen.
In seiner Außendarstellung bezeichnet sich der Verein meist als "Dialogplattform", macht aber zugleich in der aktuellen Selbstbeschreibung auf seiner Homepage keinen Hehl aus der primär militärischen bzw. rüstungspolitischen Ausrichtung seiner Arbeit, zumindest in historischer Hinsicht:
Gegründet wurde AFCEA International 1946 von Angehören der US-Streitkräfte zur Verbesserung des Fernmeldewesens. Der deutsche Verein geht auf die Initiative von Soldaten zurück, die 1983 den Austausch rund um Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich fördern wollten.
Zu den Aktivitäten des Vereins gehört neben zahlreichen kleineren Veranstaltungen eine jährliche Fachausstellung, die sich in den letzten Jahren zunehmend auf ein zuvor bestimmtes "Jahresthema" bezog.
Sowohl 2022 wie 2023 begann dieses Jahresthema mit den Worten "(Künstliche) Intelligenz & Innovation", worauf 2022 noch "Chance für Mensch und Technik" folgte, 2023 standen demgegenüber bereits im Titel "konkrete Nutzungsmöglichkeiten" im Mittelpunkt: "Wir werden uns im Jahr 2023 mit konkreten Lösungen und in der Nutzung befindlichen oder kurz vor der Einführung stehenden Anwendungsmöglichkeiten befassen. Es geht um konkrete Lösungen."
Die Fachausstellung fand am 10. und 11. Mai im World Conference Center Bonn statt, der im Verhältnis zu seinem Namen eher bescheidene Dimensionen aufweist. Ein kleines Grüppchen Friedensbewegter führte am ersten Tag der Messe weitgehend unbehelligt eine Kundgebung direkt vor dem Haupteingang durch.
Die redundante Bezugnahme in der Ankündigung auf das "konkrete" ist einerseits Hinweis auf ein fehlendes oder schlechtes Lektorat, fast schon eine Ignoranz gegenüber der Sprache jenseits von Schlagwörtern, die auch im Heft zur Ausstellung zum Ausdruck kommt.
Man könnte sie aber auch als Symptom der Begeisterung oder Zuversicht, die bei Herstellern und Anwendern herrscht, verstehen. Die einleitenden Worte zum Ausstellungsheft stammen von Brigadegeneral Armin Fleischmann, Vorsitzender von AFCEA Bonn und zugleich beim BMVg in der Abteilung "Methoden und Digitales" tätig, die u.a. für die Bereiche Forschung, Technologie und Innovationsmanagement zuständig ist.
Er schreibt von einer "digitalen Zeitenwende" und dass sich KI gegenwärtig "mit ungeahnten Möglichkeiten und einer rasenden Geschwindigkeit" entwickle. Die daraus sich ergebenden Chancen seien "mutig" und "schneller" zu ergreifen. Dabei blicke man "auch kritisch auf (selbst auferlegte) Hürden, ohne dabei die 'menschliche' Intelligenz nicht (sic!) zu vergessen".
Ein disruptives Mindset, bei dem zwischen großen Worten und Ankündigungen der Sinn auch mal auf der Strecke bleiben kann, gehört hier freilich zum Geschäft. Und natürlich sollte man in der Einleitung eines Ausstellungsheftes, das Erwartungen wecken soll, auch keine nachdenklichen Zwischentöne erwarten.