Nötig sind Privilegien für den Ausbau der Erneuerbaren Energien
Rekordtiefstände im Rhein und die unglaubliche Bevorzugung der Brandbeschleuniger Erdöl, Erdgas und Kohle beim Transport. Ein Kommentar.
Die Wälder brennen auch in Europa wie nie zuvor, eine nie dagewesene monatelange Dürre bringt katastrophale Missernten, eine Hitzewelle jagt die andere und sie kosten immer mehr Hitzetode. Und nun sind schon im August der Rhein und andere Flüsse bald auf Rekordniedrigwasserstand, was es bislang in ähnlicher Form nur manchmal im Herbst gab.
Warten auf den Regen: Vom Rhein werden Rekordtiefstände gemeldet und die Industrie ist beunruhigt. In Emmerich, am rechten unteren Niederrhein, kurz vor der niederländischen Grenze ist der Pegelstand auf null Zentimeter gesunken. Der Rheinpegel in Bonn könnte der Pegel nach einer Vorhersage der Bundesanstalt für Gewässerkunde bis Donnerstag auf 67 Zentimeter fallen und damit einen neuen Tiefstand erreichen. Die bisherige "Rekordmarke" von 2018 liegt bei 67 Zentimetern.
Auch in Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg-Ruhrort, Wesel und Rees, wo man noch über dem Rekordtief liege, wartet man auf eine "Trendwende", die nach Einschätzung des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein noch aussteht, wird berichtet - mit dem Hinweis, dass die Pegelstände nicht den tiefsten Punkt im Fluss anzeigen: "Die Fahrrinnen für die Berufsschifffahrt sind deutlich tiefer als der Wasserstand laut Pegel."
Die Fahrrinne bei Emmerich habe am Montag noch eine Tiefe von knapp zwei Metern gehabt. Frachtschiffe auf dem Rhein können fahren, aber seit Ende Juli schon mit der Hälfte der Ladung. Geschick und Können beim Manövrieren sei gefragt und vielleicht auch Glück, lässt sich einem Lagebericht des WDR entnehmen.
Dort heißt es vom Sprecher des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt in Köln, Rolf Nagelschmidt, dass der Rhein für die Schifffahrt weiter offen bleibe: "Der Rhein wird nicht gesperrt, das gibt's nur bei Hochwasser. Bei Niedrigwasser ist jeder Schiffsführer für seine Ladung und für die sichere Fahrt zuständig."
Indessen fürchten Industrievertreter um die Versorgungssicherheit der Industrie. So entwirft etwa der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Holger Lösch, gegenüber der FAZ ein düsteres Szenario mit "Lieferengpässen, Produktionsdrosselungen, sogar Stillstände und Kurzarbeit", sowie eine Verschärfung des Notstands bei der Energieversorgung durch das Niedrigwasser.
Ein Umstieg auf Schiene und Straße gestalte sich wegen der Transportengpässe schwierig, Lösch. Er befürchtet, dass es nur eine Frage der Zeit sei, "bis Anlagen in der chemischen oder Stahlindustrie abgeschaltet werden, Mineralöle und Baustoffe ihr Ziel nicht erreichen oder Großraum- und Schwertransporte nicht mehr durchgeführt werden können". (Die Red.)
Ursache ist die Erdüberhitzung
Und jede*r, der es wissen wollte, hat wissen können, dass es so weit kommen wird. Hauptursache dafür ist die jahrzehntelange ungebremste energetische Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle. Und jede*r, der es wissen will, weiß, dass die weitere Nutzung fossiler Energieträger eine Brandbeschleunigung für die nächsten noch viel schlimmeren Katastrophen ist.
Doch der Niedrigwasserstand mit bald drohendem vollständigem Einstellen der Schifffahrt – möglicherweise sogar für die nächsten Monate – führt nun zu einer unglaublichen Bevorzugung genau der Brandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle auf der Bahn.
Falsche Bevorzugung
Jetzt sollen auf der Bahn die Hauptverursacher des Niedrigwassertandes auf den Flüssen – Erdöl, Erdgas Kohle – bevorzugt befördert werden? Warum aber nicht Solarmodule, nicht Windkraftequipment, nicht Biokraftstoffe, nicht Personen, die vom Erdölauto auf die Bahn umsteigen wollen oder gar Lebensmittel. Nein: Bevorzugt transportieren soll die Bahn nun die Klimabrandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle.
Dabei würde der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien genau die Brandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle in der Energieversorgung reduzieren. Jede Kilowattstunde aus einer neuen Solar-, Biogas-, Wind-, Wasser-, Geothermie-Anlage vermindert die Produktion von Energie aus fossilen und atomaren Anlagen.
Doch dafür braucht es eine Vielfalt von Privilegien für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, z.B. den bevorzugten Transport mit der Bahn für die Technologien der Erneuerbaren Energien – in einer Welt der unterbrochenen Lieferketten ist dies auch für die Technologien der Erneuerbaren Energien ein wichtiger Einzelaspekt.
Anders als bei den fossilen Energien liefern die einmal von der Bahn transportierten Erneuerbare-Energien-Technologien nach deren Aufbau dann bis über 50 Jahre emissionsfreie Energie. Die transportierten fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle müssen aber im Gegensatz dazu laufend für den Betrieb ihrer Kraftwerke und Autos nachgeliefert werden und sind nach einmaliger Nutzung dann als Treibhausgas in der Atmosphäre.
Sonnenstrahlen oder Wind als Betriebsmittel für Solar- und Windkraftanlagen brauchen keine Schiffstransporte auf dem Rhein und damit auch keine Privilegien auf der Bahn, wenn dieser mal Niedrigwasserstand hat. Und sogar das Anwachsen der Häufigkeit von Niedrigwasserständen können die Erneuerbaren Energien perspektivisch bei einem schnellen globalen Ausbau abschwächen. Der privilegierte Transport der Klimabrandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle aber beschleunigt die Häufigkeit der Katastrophen in den kommenden Jahren zu einem wesentlichen Maß mit.
Fehlende Sensibilität
Anders als für Erdgas, Erdöl und Kohle gibt es in der Bundesregierung offensichtlich immer noch keine Sensibilität für die tausenden Bremsen gegen den Ausbau der Erneuerbaren und damit keine schnellen Reaktionen zur Schaffung der Energiesicherheit mit Erneuerbaren Energien. Stattdessen gibt es massenhaft Ausbaubehinderungen, aber kaum eine Reaktion und vor allem keine schnellen Gesetzesvorschläge zur Abschaffung der wichtigsten Hemmnisse bei Erneuerbaren Energien, vergleichbar mit dem Vorschlag, Erdöl, Erdgas und Kohle bei der Bahn privilegiert zu befördern oder dem beschleunigten Bau von LNG-Terminals.
So berichtet gerade der BR in einem Beitrag über die Ausbauverhinderung der Erneuerbaren Energien durch die massenhaften Klagen von Naturschutzverbänden, allen voran der bayrische anerkannte Naturschutzverband – der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern e. V (VLAB).
Dieser seit langem bekannte Missbrauch des Naturschutzklagerechts durch den VLAB, dessen einzige Handlungen die Verhinderung von Windkraft und Solaranlagen sind, hat immer noch nicht dazu geführt, dass die Bundesregierung endlich mal seine Legitimation überprüft, ob er denn mit seinen ausschließlichen Aktivitäten des Klagens gegen Erneuerbare-Energien-Anlagen tatsächlich den Kriterien eines anerkannten klagebefugten Naturschutzverbandes genügt.
Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien.