Nordrhein-Westfalen: Rot-Grün abgewählt
SPD fährt schlechtestes Wahlergebnis ihrer Nachkriegsgeschichte ein
Bei der gestrigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen fuhr die SPD mit einem Minus von 7,9 Punkten auf jetzt nur mehr 31,2 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Nachkriegsgeschichte ein, das die bisherige Ministerpräsidentin und Landesvorsitzende Hannelore Kraft innerhalb von Minuten nach dem Bekanntwerden der ersten Hochrechnung zum Rücktritt bewegte. Um 6,7 Punkte zulegen konnten dagegen die Christdemokraten, die die Sozialdemokraten mit 33 Prozent klar auf den zweiten Rang verwiesen.
Prozentual noch deutlich stärker als die die SPD verlor die andere bisherige Regierungspartei: Die Grünen, die vorher bei 11,3 Prozent lagen, schafften es mit 6,4 Prozent nur mehr relativ knapp über die Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP konnte sich dagegen von 8,6 auf 12,6 Prozent steigern. Viertstärkste Parlamentspartei wird mit 7,4 Prozent die AfD. Die Linkspartei ist den letzten Zahlen nach mit 4,9 Prozent knapp an der Sperrklausel gescheitert - ganz sicher draußen sind dagegen die Piraten, die in der letzten Legislaturperiode mit Abgeordneten wie Birgit Rydlewski fast alle Wähler verloren und bei weniger als einem Prozent landeten.
Probleminnenminister Jäger
Der dramatische Verlust der SPD dürfte mit regionalen Problemen des Bundeslandes und der SPD zu tun haben: Mit Innenminister Jägers Verhalten in der Amri-Affäre oder mit seinem Versuch, die Existenz von No-Go-Areas zu bestreiten, indem man sie "Angsträume" nennt - aber auch damit, dass Nordrhein-Westfalen in den meisten Kennzahlen im Vergleich mit anderen Bundesländern auf den hinteren Rängen liegt, obwohl der immer noch dafür verantwortlich gemachte Strukturwandel im Ruhrgebiet inzwischen schon über 40 Jahre läuft.
Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD, hat den Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen zwar möglicherweise nicht geschadet, aber offenbar aber auch nicht viel genutzt, obwohl er aus diesem Bundesland kommt und mit deutlichem rheinischen Akzent spricht. Bundesweit ist die SPD in den neuen Umfragen nach einem Blitzhoch kurz nach Schulz' Nominierung zum Kanzlerkandidaten inzwischen wieder auf Werte zwischen 27 und 29 Prozent abgesunken und liegt damit klar hinter der CDU. Fast scheint es, als ob die Bürger umso skeptischer würden, je mehr sie von dem vorher eher wenig bekannten Europapolitiker hören und sehen.
Vom Audi A8 in den Öko-Hybridwagen
Den Grünen, die letzte Woche in Schleswig deutlich besser abschnitten, dürfte ihr Personal in Nordrhein-Westfalen ebenfalls eher geschadet als genutzt haben: Sylvia Löhrmann die grüne Spitzenkandidatin, erregte viel Aufsehen, als sie dabei fotografiert wurde, wie sie kurz vor einem Termin aus einem Audi A8 in einen Öko-Hybridwagen umstieg. Löhrmann rechtfertigte sich auf Twitter damit, sie habe ja nur das gemacht, was immer gefordert wird, nämlich zwischen dienstlich und privat getrennt. Später stellte sich heraus, dass sie nicht nur bei ihren Fahrzeugen, sondern auch in anderen Bereichen auf eine Weise agiert, die viele Wähler als Täuschung wahrnehmen, wie Reaktionen in Sozialen Medien zeigen: Die "gute Resonanz" beim Haustürwahlkampf, die die Inklusionsideologin mit dem Foto zu belegen versuchte, kam tatsächlich von ihrem Bruder in Bocholt, an dessen Haustür sie sich ablichten ließ.
Auch mit ihren anderen Spitzenkräften konnten die Grünen in Nordrhein-Westfalen eher nicht punkten: Barbara Steffens, die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, machte vor allem mit ihrem Einsatz für Homöopathie und für ein Verbot von E-Zigaretten auf sich aufmerksam, "deren gesundheitsschädliche Wirkung von der Schulwissenschaft eher in homöopathischen Dosen vermutet wird", wie es Markus Kompa auf den Punkt brachte.
"Correctiv"-Sex-"Enthüllung" verhindert Einzug der AfD nicht
CDU und FDP kam zugute, dass ihr Personal solche Pannen weitgehend vermeiden konnten: Der CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet, der für die Presse stets gut erreichbar war, setzte trotz des Merkel-Risikos auf das Thema Sicherheit - und gewann damit, weil 63 Prozent der Bevölkerung mit der rot-grünen Politik dazu unzufrieden waren. Dass die SPD diesen Themenbereich im Wahlkampf mit anderen Themen zu verdecken versuchte, bezeichnete Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann gestern Abend als Fehler. Warum viele Wähler das Problem bei den Grünen nicht gut aufgehoben sahen, illustrierte wenig später sehr anschaulich Jürgen Trittin in der Talkshow Anne Will, wo er auf neue Fragestellungen mit alten Reflexen aus den 1970er Jahren reagierte.
Laschet wird jetzt womöglich der neue Ministerpräsident: Entweder in einer Koalition mit der FDP (die dem derzeitigen Auszählungsstand nach eine Stimme Mehrheit hätte, wenn die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert), oder in einer großen Koalition unter Führung der stärkeren Christdemokraten. Weniger wahrscheinlich sind die Dreierkoalitionsmodelle Jamaika (CDU, Grüne, FDP) und Ampel (SPD, Grüne, FDP): Immerhin versprach die FDP im Wahlkampf in vielen Bereichen das Gegenteil dessen, was die Grünen wollten, und wurde damit so stark, wie seit nie zuvor. Verhelfen die Liberalen jetzt grünen Forderungen zu Mehrheiten, könne das bei manchen Wählern schlecht ankommen und sich auf das Bundestagswahlergebnis auswirken.
Den Einzug der AfD in den inzwischen 13. Landtag konnte auch der Moralwahlkampf der teilweise von George Soros finanzierten Facebook-Wahrheitswächter von Correctiv! nicht verhindern. Die voyeuristisch formulierte "Enthüllung" Sexarbeitervergangenheit einer Kandidatin kam auch bei Stefan Niggemeier und anderen AfD-kritischen Autoren schlecht an und war Anlass für zahlreiche Überlegungen dazu, inwieweit die neuen Moralwächter den bigotten Betschwestern der 1950er Jahre ähneln.
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