Norwegen: Mythen um den staatlichen Pensionsfonds
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Altersversorgung: Das Königreich gilt als gelobtes Land. Der Staatsfonds wird als Vorbild für Deutschland propagiert. Warum das einer seriösen Analyse nicht standhält. Gastbeitrag.
Norwegen scheint in Sachen Altersversorgung ein gelobtes Land zu sein. Verbraucherschutzverbände finden seit langem in dem staatlichen Pensionsfonds empfehlenswert, Lindners Finanzstaatsekretär Toncar propagiert den Staatsfonds als Vorbild für Deutschland und das Handelsblatt behauptet gar, durch den Ölfonds beträgt die garantierte Rente für jeden Norweger 1.600 Euro im Monat .1 Diese Äußerungen sind nur eine kleine Auswahl.
In Wirklichkeit hat der Fonds für die norwegischen Renten eine ähnliche Bedeutung wie das Ausbessern eines Schlaglochs auf einer norwegischen Landstraße – nämlich keinen unmittelbaren. Wie es sich mit den norwegischen Renten verhält, ist in diesem Artikel grob umrissen: "Renten in Norwegen – der staatliche Pensionsfonds ist keine Wundertüte".
Windfall-Profite – Geschenke des Himmels, die sinnvoll verwendet werden können
Vor Norwegens Küste wurden seit Anfang der 1970er-Jahre riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen entdeckt. In dem bevölkerungsmäßig mit 5,5 Millionen kleinen Land bescherte das ab den 1990er-Jahren riesige Extraeinkommen.
Gewöhnlich werden derartige Sondereinahmen als Windfall-Profite bezeichnet. Profite, die vom Himmel fallen, ähnlich Lotto- oder Casino-Gewinnen. Der Staat hatte das Problem, wie er mit dem unverhofften Reichtum sinnvoll umgehen sollte. Die gefundene Lösung sah so aus:
Die Öl- bzw. Gaseinnahmen werden vollständig an einen staatlichen Kapitalfonds überwiesen und dort in internationalen Aktien und Immobilienmärkten angelegt. Aus diesem Fonds werden Mittel an den Staatshaushalt überwiesen, mit denen die dort aufgelaufenen Defizite ausgeglichen werden.
Um die Substanz des Fonds nicht anzutasten, wird die Entnahme auf ca. drei Prozent des Pensionsvermögens limitiert. Real schwanken die Entnahmen, je nach Haushaltssituation, um wenige Zehntel Prozentpunkte.
Die Verwendung der Fondsmittel ist nicht zweckgebunden, geht als Summe in den allgemeinen Haushalt. Die behauptete Mittelverwendung für irgendwelche Rentenleistungen ist einfach falsch.
Das Ganze in Zahlen des norwegischen Staatshaushalts 2023 (Kursumrechnung 1 NOK entspricht 0,09 Euro):
Gesamteinnahmen (ohne Öleinnahmen): | 132 Mrd. Euro |
Gesamtausgaben (ohne Ölaufwendungen): | 155 Mrd. Euro |
Defizit: | - 23 Mrd. Euro |
Zuweisung aus dem Ölfonds (Pensionsfonds): | + 23 Mrd. Euro |
Erdöleinnahmen des Staates, und damit Nettozuweisungen an den Pensionsfonds: | 125 Mrd. Euro |
Der Sozialversicherungshaushalt ist integraler Bestandteil des Gesamthaushalts: | |
Beitragseinnahmen: | 37 Mrd. Euro |
Sozialversicherungsleistungen gesamt (darunter für Altersrenten: 26 Mrd. Euro): | 53 Mrd. Euro |
In Summe befinden sich in dem Pensionsfonds durch die staatlichen Zuweisungen und die Kapitalerträge bis Ende 2022 etwa 1,1 Billionen Euro. Der Fonds wird absehbar weitere 50 Jahre anwachsen – dann sollen die Erdöl- bzw. Erdgasvorräte erschöpft sein.
Bis dahin gilt die Strategie: sparen für schlechtere Zeiten und Beizeiten Wohltaten an das Wahlvolk verteilen. Ob und wie weit die Renten der Zukunft dann aus dem gigantischen Kapitalstock finanziert werden, kann wohl seriös niemand wirklich voraussagen.