Nowhere to hide: Die längerfristigen Auswirkungen eines Atomkriegs
Gegen einen nuklearen Schlagabtausch würde es keinen Schutz geben. Die meisten Menschen würden durch die Atomexplosionen oder deren Folgen sterben. Welche Szenarien Wissenschaftler skizzieren (Teil 2 und Schluss).
Im zweiten Teil dieses Artikels werden die längerfristigen Auswirkungen eines Atomkriegs beschrieben. Dazu gehören ein klimatischer Zusammenbruch mit Nuklearem Winter, der Verlust der schützenden Ozonschicht der Erde und weltweite Hungersnöte mit vielen Millionen Hungertoten.
Der erste Teil dieses Beitrags beschäftigt sich mit den Auswirkungen einer einzelnen nuklearen Explosion und den unmittelbaren Auswirkungen eines Atomkrieges.1
Im vorliegenden zweiten Teil wird die Übersetzung des Artikels von Francois Diaz-Maurin, der die längerfristigen Folgen des Atomkrieges beschreibt, fortgesetzt.2
Fortsetzung der Übersetzung des Artikels von Francois Diaz-Maurin
So schrecklich diese Statistiken auch sind, die zehn bis hunderten Millionen Menschen, die in den ersten Tagen eines nuklearen Konflikts getötet und verletzt werden, wären nur der Beginn einer Katastrophe, die schließlich die ganze Welt erfassen wird.
Globale Klimaveränderungen, weit verbreitete radioaktive Verseuchung und gesellschaftlicher Zusammenbruch könnten praktisch überall zur Realität werden, der die Überlebenden eines Atomkriegs viele Jahrzehnte lang ausgesetzt wären.
In den folgenden zwei Jahren nach einem größeren oder kleineren regionalen Atomkrieg könnten allein durch eine dann auftretende Hungersnot mehr als zehnmal so viele Todesopfer zustande kommen wie durch die Hunderte von Atombombenexplosionen, die mit dem Krieg selbst verbunden sind.3
Die längerfristigen Folgen eines Atomkriegs
In den letzten Jahren erhielt in einigen militärischen und politischen Kreisen der USA die Auffassung zunehmende Unterstützung, dass ein begrenzter Atomkrieg geführt und gewonnen werden könne.
Viele Experten glauben dagegen, dass ein begrenzter Atomkrieg wahrscheinlich nicht begrenzt bleiben wird. Was mit einem taktischen Atomschlag oder einem nuklearen Schlagabtausch zwischen zwei Ländern beginnt, könnte zu einem umfassenden Atomkrieg eskalieren, der mit der sofortigen und völligen Zerstörung beider Länder endet.
Und die Katastrophe werde sich auch nicht auf diese beiden kriegführenden Parteien und ihre Verbündeten beschränken lassen (Anmerkung von mir, KDK: Zu diesem Thema verweise ich auf die eindringlichen Warnungen des führenden US-Atomwaffenexperten Ted Postol, die ich hier ausführlich zitiert habe4).
Die langfristigen regionalen und globalen Auswirkungen nuklearer Explosionen wurden in der öffentlichen Diskussion bisher von den schrecklichen und offensichtlichen, lokalen Folgen nuklearer Explosionen überschattet.
Militärplaner haben sich auch auf die kurzfristigen Auswirkungen nuklearer Explosionen konzentriert, weil sie die Aufgabe haben, die Fähigkeiten der Atomstreitkräfte auf zivile und militärische Ziele abzuschätzen. Explosion, lokaler Strahlungsfallout und elektromagnetische Impulse (eine intensive Salve von Radiowellen, die elektronische Geräte beschädigen können) sind dabei aus militärischer Sicht erwünschte Ergebnisse des Einsatzes von Atomwaffen.
Aber weit verbreitete Brände und andere globale klimatische Veränderungen, die aus einer Vielzahl von nuklearen Explosionen resultieren, werden möglicherweise in Kriegsplänen und Nukleardoktrinen nicht ausreichend berücksichtigt.
Diese Kollateraleffekte sind schwer vorherzusagen und ihre Bewertung erfordert wissenschaftliche Kenntnisse, die die meisten Militärplaner nicht besitzen oder berücksichtigen. Doch in den wenigen Jahren nach einem Atomkrieg könnten solche Kollateralschäden für den Tod von mehr als der Hälfte der menschlichen Bevölkerung auf der Erde verantwortlich sein.
Globale Klimaveränderungen
Seit den 1980er-Jahren, als die Bedrohung durch einen Atomkrieg einen Höhepunkt erreichte, haben Wissenschaftler die langfristigen, weitverbreiteten Auswirkungen eines Atomkriegs auf die Erdsysteme untersucht.
Mit einem strahlungskonvektiven Klimamodell zeigten amerikanische Wissenschaftler zunächst, dass ein "Nuklearer Winter" aus dem Rauch der massiven Waldbrände, die nach einem Atomkrieg durch die Nuklearwaffen entzündet worden sind, entstehen könnte.
Zwei russische Wissenschaftler führten später die erste dreidimensionale Klimamodellierung durch, die zeigte, dass die globalen Temperaturen an Land auf niedrigere Werte fallen würden als auf den Ozeanen, was möglicherweise einen weltweiten Zusammenbruch der Landwirtschaft verursachen könnte.
Anfangs wegen ihrer ungenauen Ergebnisse aufgrund von Unsicherheiten in den beteiligten Szenarien und physikalischen Parametern umstritten, wird die Theorie des Nuklearen Winters heute durch ausgefeiltere Klimamodelle gestützt. Während die grundlegenden Mechanismen, die in den frühen Studien beschrieben wurden, auch heute noch gelten, haben jüngste Berechnungen gezeigt, dass die Auswirkungen eines Atomkriegs wahrscheinlich länger anhaltend sind und schlimmer wären als bisher angenommen.
Rußeintrag in die Stratosphäre
Die Hitze und die Druckwelle einer thermonuklearen Explosion sind so stark, dass sie sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten große Brände auslösen können. Eine 300-Kilotonnen-Detonation in einer Stadt wie New York oder Washington DC könnte einen Feuersturm mit einem Radius von mindestens 5,6 Kilometern verursachen, der durch keine Wetterbedingungen zu beeinflussen ist. Luft in diesem Bereich würde sich in Staub, Feuer und Rauch verwandeln.
Aber ein Atomkrieg wird nicht nur eine Stadt in Brand setzen, sondern Hunderte von ihnen, fast gleichzeitig. Selbst ein regionaler Atomkrieg – etwa zwischen Indien und Pakistan – könnte zu weit verbreiteten Feuerstürmen in Städten und Industriegebieten führen, die das Potenzial haben, einen globalen Klimawandel zu verursachen und jede Form des Lebens auf der Erde für Jahrzehnte zu zerstören.
Rauch von Feuerstürmen nach einem Atomkrieg könnte massive Mengen Ruß in die Stratosphäre, die obere Atmosphäre der Erde, einbringen. Ein totaler Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan zum Beispiel, bei dem beide Länder insgesamt 100 Atomsprengköpfe mit einer durchschnittlichen Sprengkraft von 15 Kilotonnen abfeuern würden, könnte eine stratosphärische Belastung von etwa fünf Millionen Tonnen (oder Teragramm, Tg) Ruß erzeugen. Hier geht es um eine Masse in der Größenordnung der Pyramide von Gizeh, die pulverisiert und in überhitzten Staub verwandelt wird.
Aber diese unteren Schätzungen stammen aus den späten 2000er Jahren. Seitdem haben Indien und Pakistan ihre Atomwaffenarsenale erheblich erweitert, sowohl in Bezug auf die Anzahl der nuklearen Sprengköpfe als auch auf die Sprengkraft. Bis 2025 könnten Indien und Pakistan jeweils bis zu 250 Atomwaffen besitzen, mit einer Sprengkraft von 12 Kilotonnen bis zu einigen hundert Kilotonnen. Ein Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan mit solchen Arsenalen könnte bis zu 47 Tg Ruß in die Stratosphäre schicken.
Zum Vergleich: Die jüngsten katastrophalen Waldbrände in Kanada im Jahr 2017 und Australien in den Jahren 2019 und 2020 erzeugten 0,3 Tg bzw. ein Tg Rauch. Die chemische Analyse zeigte jedoch, dass nur ein kleiner Prozentsatz des Rauchs dieser Brände reiner Ruß war – 0,006 bzw. 0,02 Tg. Das liegt daran, dass nur Holz brannte.
Städtische Brände nach einem Atomkrieg würden mehr Rauch erzeugen, und ein höherer Anteil davon wäre Ruß. Aber diese beiden Episoden massiver Waldbrände zeigen auch, dass, wenn Rauch in die untere Stratosphäre befördert wird, er durch das Sonnenlicht erhitzt und in große Höhen – 10 bis 20 Kilometer – aufsteigen wird. Dadurch wird die Zeit verlängert, die er in der Stratosphäre verbleibt.
Genau dieser Mechanismus ermöglicht es Wissenschaftlern nun, die langfristigen Auswirkungen eines Atomkriegs besser zu verstehen. Mit ihren Modellen konnten die Forscher den Rauch dieser großen Waldbrände genau simulieren und die Mechanismen, die den Nuklearen Winter verursachen, weiter untersuchen.
Die klimatischen Reaktionen auf Vulkanausbrüche sind ebenfalls zusätzlich eine Grundlage für das Verstehen der langfristigen Auswirkungen eines Atomkriegs.
Vulkanische Explosionen befördern typischerweise große Mengen an Asche und Staub in die Stratosphäre, wo sie das Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektieren, was zu einer vorübergehenden Abkühlung der Erdoberfläche führt.
Ebenso würden in der Theorie des Nuklearen Winters die klimatischen Auswirkungen eines massiven Eintrags von Rußaerosolen in die Stratosphäre durch Brände nach einem Atomkrieg zur Erwärmung der Stratosphäre, zum Ozonabbau dort und zur Abkühlung an den Oberflächen der Länder und der Ozeane unter dieser Wolke führen.
Vulkanausbrüche sind auch nützlich, weil ihre Stärke das Niveau von nuklearen Explosionen erreichen oder sogar übertreffen kann. Zum Beispiel setzte der Unterwasservulkan Hunga Tonga im Januar 2022 eine explosive Energie von 61 Megatonnen TNT-Äquivalent frei – mehr als die "Zar-Bombe", eine sowjetische Wasserstoffbombe, die die größte von Menschen verursachte Explosion in der Geschichte mit 50 Mega-Tonnen TNT-Äquivalent gewesen ist.
Dessen Wolke erreichte Höhen von bis zu etwa 56 Kilometern und brachte weit über 50 Tg – sogar bis zu 146 Tg – Wasserdampf in die Stratosphäre, wo dieser jahrelang nachweisbar war. Ein so massiver Eintrag von stratosphärischem Wasser könnte das Klima vorübergehend beeinflussen – wenn auch anders als Ruß.
Seit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine haben Präsident Putin und andere russische Beamte wiederholt nukleare Drohungen ausgesprochen, um westliche Länder von einer direkten militärischen Intervention abzuhalten.
Wenn Russland jemals – geplant oder versehentlich – einen Atomkrieg mit den Vereinigten Staaten und anderen Nato-Ländern beginnen würde, könnte durch die Anzahl der verheerenden nuklearen Explosionen, die mit einem vollständigen atomaren Schlagabtausch zwischen Russland und den USA verbunden sind, mehr als 150 Tg Ruß in die Stratosphäre befördert werden, was zu einem Nuklearen Winter führen würde, der praktisch alle Lebensformen auf der Erde über mehrere Jahrzehnte zerstören würde.
Der Eintrag von Ruß in die Stratosphäre in Verbindung mit verschiedenen Atomkriegsszenarien würde zu einer Vielzahl großer klimatischer und bio- und geochemischer Veränderungen führen, einschließlich von Transformationen der Atmosphäre, der Ozeane und der Landoberfläche.
Und solche globalen Klimaänderungen würden dauerhafter sein, als bisher angenommen, weil Modelle der 1980er-Jahre den Anstieg von Ruß in der Stratosphäre nicht angemessen dargestellt haben.
Jetzt versteht man, dass Ruß aus nuklearen Feuerstürmen viel höher in die Stratosphäre aufsteigen würde als bisher angenommen, von wo der Ruß in Form von "schwarzem Regen" sich nur langsam vermindern wird. Sobald der Rauch durch Sonnenlicht erhitzt wird, kann er sich bis in Höhen von bis zu 80 Kilometern aufsteigen und die Mesosphäre durchdringen.
Veränderungen in der Atmosphäre
Nachdem Ruß in die obere Atmosphäre aufgestiegen ist, kann er dort für Monate bis Jahre bleiben und verhindern, dass direktes Sonnenlicht die Erdoberfläche erreicht und die Temperaturen sinken. In großen Höhen – 20 Kilometer und mehr in der Nähe des Äquators und 7 Kilometer an den Polen – würde der von nuklearen Feuerstürmen eingebrachte Rauch auch mehr Strahlung von der Sonne absorbieren, die Stratosphäre erwärmen und die stratosphärische Zirkulation stören.
In der Stratosphäre würde das Vorhandensein von stark absorbierenden Rußaerosolen zu erheblich erhöhten stratosphärischen Temperaturen führen. Zum Beispiel würden in einem regionalen Atomkriegsszenario, das zu einer 5-Tg-Eintrag von Ruß führt, die stratosphärischen Temperaturen nach vier Jahren um 30 Grad Celsius erhöht bleiben.
Die extreme Erwärmung der Stratosphäre in den ersten Jahren nach einem Atomkrieg würde den Verlust eines großen Teils der globalen Ozonschicht bedeuten, die Menschen und andere Lebewesen auf der Erde vor den schweren gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen ultravioletter Strahlung schützt.
So haben Simulationen gezeigt, dass ein regionaler Atomkrieg, der drei Tage dauert und fünf Tg Ruß in die Stratosphäre einbringt, die Ozonschicht weltweit um 25 Prozent reduzieren würde. Die Wiederherstellung würde 12 Jahre dauern. Ein globaler Atomkrieg, der 150 Tg Rauch in die Stratosphäre befördert, würde einen globalen Ozonverlust von 75 Prozent verursachen, wobei der Verlust 15 Jahre andauern würde.
Veränderungen an Land
Die Beförderung von großen Mengen Ruß in die Stratosphäre führt zu Veränderungen auf der Erdoberfläche, indem dadurch die Menge der Sonneneinstrahlung, die Lufttemperatur und der Niederschlag stark beeinträchtigt wird.
Der Verlust der schützenden Ozonschicht der Erde würde zu mehreren Jahren mit extrem ultravioletten (UV) Licht an der Oberfläche der Erde führen – eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Nahrungsmittelproduktion.
Jüngste Schätzungen deuten darauf hin, dass der Ozonverlust nach einem globalen Atomkrieg zu einem tropischen UV-Index von über 35 führen würde, der drei Jahre nach dem Krieg beginnt und vier Jahre anhält. Die US-Umweltschutzbehörde hält einen UV-Index von 11 für eine "extreme" Gefahr: 15 Minuten Exposition gegenüber einem UV-Index von 12 führt zu einem Sonnenbrand bei ungeschützter menschlicher Haut.
Weltweit würde das durchschnittliche Sonnenlicht im UV-B-Bereich um 20 Prozent zunehmen. Es ist bekannt, dass hohe UV-B-Strahlung Sonnenbrand, Lichtalterung, Hautkrebs und Katarakte beim Menschen verursachen. UV-B-Strahlung hemmt auch die Photolysereaktion, die für die Blätter- und das Pflanzenwachstum erforderlich ist.
Rauch, der in die Stratosphäre aufsteigt, würde die Menge an Sonnenstrahlung reduzieren, die an die Erdoberfläche gelangt, und die globalen Oberflächentemperaturen und Niederschläge dramatisch reduzieren.
Selbst ein nuklearer Schlagabtausch zwischen Indien und Pakistan, der eine relativ bescheidene stratosphärische Belastung von 5 Tg Ruß verursachen würde, könnte die niedrigsten Temperaturen auf der Erde in den letzten 1.000 Jahren erzeugen – Temperaturen wie in der nachmittelalterlichen Kleinen Eiszeit. Ein regionaler Atomkrieg mit 5-Tg stratosphärischem Rußeintrag hätte das Potenzial, die globalen Durchschnittstemperaturen um 1 Grad Celsius sinken zu lassen.
Obwohl die Atomwaffenarsenale der USA und Russlands seit dem Ende des Kalten Krieges hinsichtlich der Anzahl und der durchschnittlichen Sprengkraft der Bomben reduziert worden sind, würde ein nuklearer Schlagabtausch zwischen diesen Staaten wahrscheinlich einen Nuklearen Winter auslösen, wobei ein Großteil der nördlichen Hemisphäre selbst im Sommer Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ausgesetzt wäre.
Ein globaler Atomkrieg, der 150 Tg Ruß in die Stratosphäre befördert, könnte die Temperaturen um 8 Grad Celsius sinken lassen – 3 Grad niedriger als während der letzten Eiszeit.
In jedem Atomkriegsszenario hätten die Temperaturänderungen ihre größten Auswirkungen auf die Landwirtschaft in mittleren und nördlichen Breiten der Erde, indem sie die Länge der Erntesaison und die Temperatur auch während dieser Jahreszeit verringern würde.
Temperaturen unter dem Gefrierpunkt könnten auch zu einer erheblichen Ausdehnung des Meereises und der terrestrischen Schneedecke führen, was zu Nahrungsmittelknappheit führen und die Schifffahrt zu wichtigen Häfen beeinträchtigen würde, in denen Meereis derzeit keine Rolle spielt.
Der globale durchschnittliche Niederschlag nach einem Atomkrieg würde ebenfalls deutlich sinken, da die geringere Sonnenstrahlung, die die Oberfläche erreicht, die Temperaturen und die Wasserverdunstungsraten senken würde.
Der Niederschlagsrückgang wäre am stärksten in den Tropen. Zum Beispiel würde selbst eine 5-Tg-Rußeinbringung in die Stratosphäre zu einem Niederschlagsrückgang von 40 Prozent in der asiatischen Monsunregion führen. Südamerika und Afrika würden auch große Rückgänge der Niederschlagsmenge erleben.
Veränderungen im Ozean
Die am längsten anhaltenden Folgen eines Atomkriegs würden die Ozeane betreffen.
Unabhängig vom Ort und Ausmaß eines Atomkriegs würde der Rauch der daraus resultierenden Feuerstürme schnell die Stratosphäre erreichen und global verteilt werden, wo er Sonnenlicht absorbieren und die Sonnenstrahlung auf die Meeresoberfläche reduzieren würde.
Die Meeresoberfläche würde aufgrund ihrer höheren spezifischen Wärmekapazität (d. h., der Wärmemenge, die benötigt wird, um die Temperatur pro Masseneinheit zu erhöhen) langsamer auf Strahlungsänderungen reagieren als die Atmosphäre und das Land.
Der globale Rückgang der Meerestemperatur würde drei bis vier Jahre nach einem Atomkrieg am stärksten sein und um etwa 3,5 Grad Celsius bei einem indisch-pakistanischen Krieg sinken, bei dem 47 Tg Russ in die Stratosphäre eingebracht würde, und um etwa sechs Grad Celsius bei einem globalen Krieges zwischen den USA und Russland (mit 150 Tg Ruß).
Einmal abgekühlt, wird der Ozean lange Zeit brauchen, um zu seinen Vorkriegstemperaturen zurückzukehren, selbst wenn der Ruß aus der Stratosphäre verschwunden ist und die Sonneneinstrahlung wieder auf ein normales Niveau zurückkehrt. Der Temperaturabfall und die Dauer der Änderungen würden linear mit der Wassertiefe zunehmen.
Ungewöhnlich niedrige Temperaturen werden wahrscheinlich jahrzehntelang in der Nähe der Meeresoberfläche und Hunderte von Jahren oder länger in der Tiefe anhalten. Für einen globalen Atomkrieg werden Änderungen der Meerestemperatur mit Ausdehnung des arktischen Meereises wahrscheinlich Tausende von Jahren dauern – so lange, sodass Forscher von einer "nuklearen Kleinen Eiszeit" sprechen.
Aufgrund der sinkenden Sonneneinstrahlung und Temperatur auf der Meeresoberfläche würden das marine Ökosystem sowohl durch die anfängliche Störung als auch durch den neuen, lang anhaltenden Veränderungen stark gestört werden.
Dies wird globale Auswirkungen auf Dienstleistungen wie der Fischerei haben. Zum Beispiel würde die marine Nettoprimärproduktion (ein Maß für das neue Wachstum von Meeresalgen, die die Basis des marinen Nahrungsnetzes bilden) nach einem Atomkrieg stark zurückgehen.
In einem US-Russland-Szenario (150 Tg) würde die globale marine Nettoprimärproduktion in den Monaten nach dem Krieg fast um die Hälfte reduziert sein und würde über 4 Jahre um 20 bis 40 Prozent reduziert bleiben, wobei die größten Rückgänge im Nordatlantik und Nordpazifik zu verzeichnen sind.
Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion
Veränderungen der Atmosphäre, der Landoberfläche und der Ozeane nach einem Atomkrieg werden massive und langfristige Auswirkungen auf die globale landwirtschaftliche Produktion und die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln haben.
Die Landwirtschaft reagiert auf die Länge der Vegetationsperioden, die Temperatur während der Vegetationsperiode, Lichtverhältnisse, Niederschlag und andere Faktoren. Ein Atomkrieg würde all diese Faktoren auf globaler Ebene für Jahre bis Jahrzehnte erheblich verändern.
Mit neuen Klima-, Ernte- und Fischereimodellen haben Forscher nun gezeigt, dass Rußeintrag in die Atmosphäre von mehr als 5 Tg in fast allen Ländern zu einer ausgeprägten Nahrungsmittelknappheit führen würden, obwohl einige Regionen stärker von Hungersnöten bedroht sind als andere.
Weltweit wären die Produktion von tierischen Nahrungsmitteln und die Fischerei nicht in der Lage, den Rückgang der pflanzlichen Produktion auszugleichen.
Nach einem Atomkrieg, und nachdem die gespeicherten Lebensmittel konsumiert worden sind, würde die Gesamtzahl der verfügbaren Nahrungskalorien in jedem Land dramatisch sinken, wodurch Millionen von Menschen dem Risiko des Hungers oder der Unterernährung ausgesetzt sind.
Maßnahmen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wie etwa Veränderungen bei Produktion und Verbrauch von Tierfutter und Getreide, würden nicht ausreichen, um den globalen Verlust an verfügbaren Kalorien zu kompensieren.
Die oben genannten Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion berücksichtigen nicht die langfristigen direkten Auswirkungen der Radioaktivität auf den Menschen oder die weit verbreitete radioaktive Kontamination von Lebensmitteln, die auf einen Atomkrieg folgen könnte.
Der internationale Handel mit Nahrungsmitteln könnte stark eingeschränkt oder gestoppt werden, da die Länder inländische Lieferungen horten. Aber selbst unter der Annahme eines altruistischen Verhaltens von Ländern, deren Nahrungsmittelsysteme weniger stark betroffen sind, könnte der Handel durch einen anderen Effekt des Krieges gestört werden, nämlich durch Meereis.
Eine Abkühlung der Meeresoberfläche würde in den ersten Jahren nach einem Atomkrieg zu einer Ausdehnung des Meereises führen, wenn die Nahrungsmittelknappheit am höchsten wäre. Diese Vereisung würde sich auf die Schifffahrt in wichtige Häfen in Regionen auswirken, in denen derzeit kein Meereis auftritt, wie zum Beispiel im Gelben Meer.
Nirgendwo ein Ort zum Verstecken
Die Auswirkungen eines Atomkriegs auf die landwirtschaftlichen Nahrungsmittelsysteme werden schlimme Folgen für die Menschen haben, die einen Atomkrieg und seine unmittelbaren Auswirkungen überlebt haben. Die globalen Gesamtfolgen eines Atomkriegs – einschließlich kurz- und langfristiger Auswirkungen – wären noch schrecklicher und würden Hunderte von Millionen – sogar Milliarden – Menschen verhungern lassen.
Es gibt keinen Ort, wo wir Menschen uns vor den Auswirkungen eines Atomkriegs schützen könnten.
Ende der Übersetzung des Artikels von Francois Diaz-Maurin
Einige weitere Hinweise und Schlussgedanken
Der Artikel von Francois Diaz-Maurin basiert auf der Arbeit vieler Forscherinnen und Forscher, die die möglichen Auswirkungen eines Atomkriegs seit den 1980er Jahren bis heute untersucht haben.5
Wie der Autor dieses Artikels hoffe auch ich, dass die Aufklärung über die Folgen eines Atomkriegs mit dazu beitragen kann, dass es niemals zu dieser ultimativen Katastrophe kommt.
Hier sei noch der Hinweis gestattet, dass es weitere wertvolle Materialien gibt, die für die Aufklärung über die Gefahren eines Atomkriegs nützlich sein können und die ich empfehlen kann. Dazu gehört eine im Sommer 2022 von der IPPNW herausgegebene 27-seitige Broschüre in deutscher Sprache mit dem Titel "Nukleare Hungersnot", in der auch anhand von vielen Illustrationen über die möglichen Folgen eines "begrenzten" Atomkriegs allgemeinverständlich berichtet wird, wobei auch auf einen diesbezüglichen Artikel von mir verwiesen sei.
Weiterhin ist hier der britische Zeichentrickfilm Wenn der Wind weht aus dem Jahre 1986 zu nennen, in dem es um ein altes Ehepaar auf dem Lande geht, das einem Atomangriff ausgesetzt ist. Es ist ein berührender Film über den Schrecken der Atombombe, aber auch über die Tatsache, dass es nach einem Atomkrieg für die betroffenen Bevölkerung keine Hilfe gibt.
Dieses in seiner Trickfilm-Darstellung realistisch wirkende Werk zeichnet sich auch durch seine Filmmusik aus. Für den Soundtrack trommelte der weltbekannte britische Musiker Roger Waters, der sich jüngst wieder mit einer Rede vor dem Sicherheitsrat der Uno für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine eingesetzt hat6, seine Bleeding Heart Band zusammen und David Bowie schrieb mit When The Wind Blows sein traurigstes Lied, das der Titelsong des Films geworden ist.
Da seit Beginn des Ukraine-Krieges der Einsatz von Atomwaffen in Europa wieder möglich ist7, müsste es eigentlich die vordringlichste Aufgabe unserer Hauptmedien sein, darüber die Bevölkerung sachgemäß zu unterrichten, wie das nach meiner Erinnerung Anfang der 1980er Jahre teilweise auch der Fall gewesen ist.
Das war ein wichtiger Grund dafür, dass damals ein Bewusstsein für die Gefahren eines Atomkriegs in der Öffentlichkeit geherrscht hat und Hunderttausende auf die Straße gegangen sind und gegen die Aufstellung der atomaren Mittelstrecken-Raketen in Deutschland protestiert haben.
Im Gegensatz dazu wird dieses Thema aber heute von den Mainstream-Medienmedien mit wenigen Ausnahmen totgeschwiegen. Die Atomkriegsgefahren sind deshalb in der Öffentlichkeit nicht präsent und werden sogar von einigen Politikern, wenn sie darauf angesprochen werden, bagatellisiert und klein geredet.
Darüber hinaus werden diejenigen, die sich für einen baldigen Waffenstillstand und eine Friedenslösung in der Ukraine einsetzen und gegen immer mehr Waffenlieferungen ihre Stimme erheben, um eine weitere Eskalation dieses Krieges zu verhindern, als "rechts" oder "rechts-offen" diffamiert oder als "Putinversteher" oder gar als "Lumpenpazifisten" verunglimpft.
Da drängt sich natürlich die Frage auf: Seit wann ist das Eintreten für Frieden, Diplomatie und Verhandlungen Ausdruck für eine rechte Gesinnung?
Aber es gibt auch andere deutsche Politiker, wie etwa Oskar Lafontaine, der seit Monaten über die Gefahren der Eskalation des Ukraine-Krieges klare Worte findet und seine Befürchtungen äußert, dass Amerika Europa in einen Atomkrieg hineintreibe und deshalb ein Verhandlungsfrieden mit Russland immer dringlicher werde.
Kürzlich ist von ihm ein Büchlein mit dem Titel "Ami, it's Time to go!" erschienen, in dem er sagt, dass wir uns aus der Vormundschaft der USA befreien müssen, wenn wir einen Nuklearkrieg in Europa verhindern wollen.8
Weiterhin möchte ich meine Leser noch auf einen Beitrag des Schweizer Journalisten Guido Biland aufmerksam machen.9 Es handelt sich um eine düstere Prognose angesichts der drohenden Weltkriegs- und Atomkriegsgefahr, von der man nur hoffen kann, dass sie sich nicht bewahrheitet. Dieser Beitrag hat mich dazu gebracht, mich erneut mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Außerdem möchte ich noch ein aktuelles Interview mit dem weltbekannten Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs verlinken, das am 07.03.2023 zunächst auf Englisch veröffentlicht wurde, aber inzwischen schriftlich und auch vertont ins Deutsche übersetzt vorliegt. (Die Übersetzung kann per Click auf den Button "Untertitel" auf der unteren Leiste der Monitorpräsentation aufgerufen werden).
In diesem aufschlussreichen Interview beschäftigt sich der von mir sehr geschätzte Wissenschaftler mit den derzeit brennendsten politischen Themen rund um die Ukraine wie der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines, den geopolitischen Hintergründen des Ukraine-Kriegs, den jüngsten Entwicklungen dieses Krieges und dem Kalten Krieg mit China, der immer eisiger wird. Er spricht ebenfalls eindringlich über einen uns alle bedrohenden Atomkrieg.
Um diese finale Katastrophe zu verhüten, empfiehlt er auch der deutschen Politik, endlich den Weg der Diplomatie einschlagen, statt immer mehr Waffen zu liefern, und an einer Vision des Friedens, der Friedliche Koexistenz und des Multilateralismus im 21. Jahrhundert mitzuwirken.
Zum Schluss sei noch ein Zitat von Caitlin Johnstone, einer unabhängigen australischen Journalistin, angeführt, dass die bedrohliche Situation, in der wir uns befinden, ebenfalls treffend auf den Punkt bringt10:
Für jüngere Menschen ist es schwer zu verstehen, dass das gleiche nukleare Armageddon-Szenario, über das sich ihre Eltern und Großeltern früher Sorgen gemacht haben, immer noch existiert.
Wenn jedoch eine kritische Masse der Bevölkerung wirklich verstehen würde, dass ihr Leben aus keinem anderen Grund als der Bereitschaft des US-Imperiums, alles zu riskieren, um seine Hegemonie, d. h., seine weltweite Vorherrschaft auf dem Planeten zu sichern, durch einen Atomkrieg bedroht ist, würde es für die Machthaber sofort schwieriger werden, mit ihr so umzugehen, wie sie es wollen.
Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit.
E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de