Nukleare Bunker-Buster immer wahrscheinlicher

Mit dem Ausgang der jüngsten Wahlen in den USA wird die Realisierung so genannter Mini-Nukes zur Zerstörung von unterirdischen Zielen immer wahrscheinlicher

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bereits im März hatte die Veröffentlichung von Auszügen aus dem Pentagon-Bericht an das US-Repräsentantenhaus zur Überprüfung des Nuclear Posture Review (NPR), der Atomwaffendoktrin des Landes, weltweit für Empörung gesorgt. (Neue Atomwaffen sollen entwickelt werden). Denn der NPR kündigte einschneidende Veränderungen für die Rolle der nuklearen Offensivwaffen innerhalb der Strategie der Abschreckung an. Die Atomwaffen aus der Zeit des Kalten Krieges hätten ausgedient, weil sie nicht mehr zeitgemäß seien, und es sei notwendig, existierende Nuklearwaffen zu modifizieren oder zu erneuern. Außerdem wurde empfohlen, umgehend mit der Entwicklung eines "robusten nuklearen Erdpenetrators“ (Robust Nuclear Earth Penetrator - RNEP) zu beginnen. Im US-Staatshaushalt für 2003 sind dafür bereits 15,5 Millionen Dollar vorgesehen. Bislang hatten sich die Demokraten im Senat nicht für solche Pläne begeistern können, doch nach dem jüngsten Wahlergebnis steht die Ampel für solche Pläne auf Grün.

Die robusten nuklearen Erdpenetratoren, auch Bunker-Buster Mini-Nukes genannt, werden gern vorgestellt als Waffen, die darauf ausgerichtet sind, unterirdische Ziele wie etwa Waffenlager zu zerstören. Da sie unter der Erdoberfläche explodieren, soll der radioaktive Fallout angeblich unter der Erde bleiben, die Kollateralschäden seien damit minimal. Außerdem erreichten sie wichtige strategisch Ziele, denen mit konventionellen Waffen nicht beizukommen sei.

RNEP entfalten ihr zerstörerisches Potenzial nicht, wie man vielleicht denken könnte, weil sie so tief unter die Erdoberfläche eindringen, das tun sie de facto gar nicht, sondern weil die unterirdische Explosion eine Erderschütterung auslöst, die den zerstörerischen Effekt entfaltet und potenziert. Viele Wissenschafter warnen daher, dass die Bunker-Buster gar nicht tief genug in den Boden eindringen könnten, um eine Verseuchung der Umgebung zu vermeiden.

Ein Beispiel sind die nuklearen Erdpenetratoren vom Typ B61-11, von denen die USA zirka 50 Stück besitzt. Diese dringen bis zu sechs Metern in die Erde ein, was nach Ansicht von Kritikern bei weitem nicht ausreicht, um eine oberirdische nukleare Kontamination zu verhindern. Der Waffenexperte David Wright von der Union of Concerned Scientists in Washington DC hat jedoch berechnet, wie New Scientist berichtet, dass bereits bei einem Sprengsatz von 0,3 Kilotonnen die Reichweite eines nuklearen Erdpenetrators bei trockenem Boden mindestens 70 Meter und bei steinigem Erdreich 40 Meter betragen müsse, um den radioaktiven Fallout nicht an die Oberfläche gelangen zu lassen. Gegenwärtig sei es jedoch so, dass durch die Explosion ein Krater entstehe, durch den tausende Tonnen hochradioaktiver Trümmer in die Luft gewirbelt würden. Wrights rechnet weiter vor, dass ein 0,3-KT-Sprengkopf im Rahmen des derzeit Möglichen ein unterirdisches Ziel nur in zehn bis 20 Meter Tiefe erreichen würde. Von einigen irakischen Bunkern heißt es jedoch, dass sie bis zu 60 Meter unter der Erdoberfläche verborgen sind – unter felsigem Boden. Um sie zu zerstören, müssten Bomben mit mehreren tausend Tonnen Sprengkraft bestückt werden.

Nach einer Studie der Federation of American Scientists (http://www.fas.org/) ist es auch nicht möglich, die Reichweite von RNEPs beliebig zu erhöhen. Denn mit der Reichweite steigt auch die Aufprallgeschwindigkeit und hier ist irgendwann die Grenze erreicht, bei der die Bombe ganz einfach kaputt geht. Doch dass es offensichtlich noch einige technologisch Hindernisse bei der Realisierung der umstrittenen Bunker-Buster gibt, ist wenig beruhigend. Denn die neue Atomwaffendoktrin der USA weist den Nuklearwaffen eine erweiterte Rolle zu, die ihren Einsatz in Zukunft nur wahrscheinlicher macht. Atomwaffen sind nicht mehr nur ultima ratio, sondern Teil einer Angriffs- und Verteidigungsstrategie, in der traditionelle und nukleare Waffen kombiniert sind.