Nussalarm!

Nichts mehr zu knacken im Regenwald

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Essen Sie gerne Paranüsse? Dann gehören Sie zu den Menschen, die vom Import aus Brasilien abhängig sind. 45.000 Tonnen werden jährlich ausgeführt und 33 Millionen und mehr US Dollar handeln die Brasilianer ein. Der Export erfolgt nicht nur in die USA, sondern auch nach Frankreich und Deutschland. Bei uns finden sich die Paranüsse auf dem Weihnachtsteller.

Carlos Peres von der Universität der East Anglia in Norwich, England, und Wissenschaftler aus den USA, Süd-Amerika und Europa haben an 23 Stellen im Amazonas Untersuchungen durchgeführt und schlagen in Science Alarm: die Paranussindustrie scheint nicht genügend junge Bäume anzupflanzen.

Brasilianische Paranussbäume (Betholetia excelsa) können bis zu 50 Meter groß werden und wachsen mehr als 150 Jahre - im tropischen Regenwald. Normalerweise sind die Agoutis die einzigen Abnehmer: das sind Spezies von Dasyprocta, die am ehesten dem Meerschweinchen ähneln. Die Früchte (11-16 cm) enthalten 10 bis 25 Samen, die nach dem Abfallen geschlossen bleiben und üblicherweise erst durch die Agoutis zerkaut und zum Teil, weil vergraben, nach einem Jahr das Wachstum eines oder mehrerer Bäume bewirken. Dann suchen die Agoutis längst nicht mehr danach, sondern erfreuen sich der neuen Früchte.

Die Paranuss (Bild: C.Peres)

Carlos Peres und Mitarbeiter haben sich nun der Aufgabe unterzogen, die mittlere Größe der Bäume zu messen, indem sie die Brusthöhe aller Gewächse größer als 10 cm bestimmten. Ferner zählt der Anteil der Früchte, die geentert wurden, der Anteil der geernteten Bäume, die Dauer der fruchtbaren Periode und, wie häufig keine Fruchtbarkeit in dieser Zeit bestand. Danach bestimmten sie s* als den Distributionsfaktor: Hohe s-Werte sprechen für juvenile, niedrige hingegen für den überwiegenden Bestand an alten Bäumen. Und so verrät die Kurve überraschend einfach die Situation: s-förmige Verläufe und lang anhaltende Stufen sprechen für das Überwiegen der alten Bäume.

Allerdings machen die Untersuchungen noch etwas klar. Sehr viel raschere Auswirkungen hat die Abholzung oder Brandrodung. Wenn diese Vorgänge hinzukommen, wird die Ausbeutung der Paranüsse uninteressant.

Sind die Befürchtungen begründet? Nicht, wenn man die Geschichte etwas näher verfolgt. Da gilt zum einen, dass die meisten Bäume 500-800 Jahre alt sind. Ferner dauert es ca. 30 Jahre bis ein junger Baum die ersten Früchte trägt. Und schließlich brauchen die Betholetia excelsa noch die Bienen, die die Bestäubung bewirken. Danach wirft der Baum 60-300 Früchte pro Jahr. Wenn ausschließlich die Natur das Weitere bestimmt, reichen Agoutis aus, um die Entwicklung im tropischen Regenwald zu garantieren.

Diese Tiere sind die einzigen, die sich der Paranuss bemächtigen können (Bild: Wellington Zoo)

Castañales sind die Männer, die berufsmäßig die Bäume abernten. Eine Person je fünf Quadratkilometer gilt als Durchschnittswert. Viele Castañales quittieren allerdings ihren Job, weil ihr traditionelles Arbeitsfeld immer geringer wird: Durch das Abholzen von Wäldern und Feuer in der Trockensaison, ebenso wie als Kuhhirten oder den Exodus zu den großen Stadtzentren. Wenn die brasilianische Leistung auf das alte Niveau kommen will, muss sie die Baumdichte erhöhen.

Ein Ansatz dazu sind große Anpflanzungen wie sie von Müller und Kollegen in CAPTU, Belem, beschrieben werden: Es sind die Plantagen, die inzwischen im Land angelegt worden sind. Beispielsweise die Fazenda Aruanã mit 12.000 Hektar, die früher der Rinderzucht dienten. In der Hoffnung auf die bisher nur im "richtigen Wald" wachsenden Nussbäume werden jetzt 320.000 Paranussbäume auf 3.340 Hektar angepflanzt. Die Bäume werden in 10x10 Meter-Bereichen gezogen und dazwischen die Rinder zur Weide geführt. Die Biene Bixa orellana übernimmt die Befruchtung und zudem besteht eine extensive Bewaldung in der Umgebung. Das sind sehr gute Voraussetzungen für die Anzucht und bisher sind keine Krankheiten aufgetreten. Tatsächlich erwarten die Züchter 8,5 kg pro Baum und einen Gewinn von $ 850 pro Hektar. Damit hoffen sie, dass die Ernte bald höher ist als bisher, um die begehrten Früchte zu liefern.

Wenn also die Plantagen zunehmend die Versorgung sicherstellen, gibt es immer weniger Castañales. An ihrer Stelle werden die Farmer den überwiegenden Anteil der Paranüsse produzieren.

Dabei sind Paranüsse eine Delikatesse: Öl für den Haushalt, angenehmes Öl für die Salatsauce, hervorragende Weichspüler für die Haare, und schließlich des Selens wegen, dessen Bedeutung zunehmend geschätzt wird. Nur wer eine Allergie gegen Nüsse hat, muss auch auf Paranüsse verzichten, weil diese Unverträglichkeit gewöhnlich für alle Nüsse gilt.