Nvidia & Co: Wie ein chinesisches KI-Modell die Tech-Elite das Fürchten lehrt
DeepSeek entwickelte für nur 5,6 Millionen Dollar ein leistungsstarkes KI-Modell. Was die US-Giganten besonders beunruhigt: Das System kommt mit deutlich weniger Hardware aus.
Das KI-Modell R1 von DeepSeek hat am Montag ein wahres Beben an den Börsen ausgelöst. Fast eine Billion US-Dollar an Börsenwert wurden bei US-amerikanischen und europäischen Technologieaktien ausgelöscht.
Am beeindruckendsten war der Einbruch der Nvidia-Aktie um knapp 17 Prozent. Das entspricht einem Wertverlust von fast 600 Milliarden US-Dollar, was der größte Verlust in der Geschichte des US-Aktienmarkts an einem Tag war.
Aber auch andere Tech-Konzerne mussten an den Börsen kräftig Federn lassen. Die Google-Mutter Alphabet verlor 100 Milliarden US-Dollar an Börsenwert, Microsoft immerhin noch sieben Milliarden. In Europa traf es hauptsächlich Unternehmen wie ASML, Siemens Energy und Schneider Electric, die Hardware und Infrastruktur für KI-Anwendungen liefern. Ihre Aktienkurse sackten zwischen sieben und fast 20 Prozent ab.
DeepSeek stellt Geschäftsmodelle von US-Tech-Firmen infrage
Der Grund für die Panik an den Börsen: DeepSeek scheint mit deutlich weniger Ressourcen eine ähnliche Leistung zu erzielen wie die führenden US-KI-Firmen. Das in der ostchinesischen Stadt Hangzhou ansässige Start-up gibt an, für die Entwicklung seines R1-Modells lediglich 5,6 Millionen US-Dollar ausgegeben zu haben.
Sollte dies stimmen, wäre das Geschäftsmodell der Tech-Riesen aus den USA in Gefahr. Denn bisher gingen sie davon aus, wer im Bereich der Künstlichen Intelligenz Schritt halten will, benötigt immer leistungsfähigere Chips. Das drückte sich etwa in den enormen Investitionen für neue Projekte aus.
So plant etwa Amazon mit Investitionen von mehr als 75 Milliarden US-Dollar, hauptsächlich für KI-Chips und Rechenzentren. Meta hat angekündigt, in diesem Jahr bis zu 65 Milliarden US-Dollar in KI-bezogene Projekte zu investieren. Und Microsoft plant, 80 Milliarden US-Dollar in KI-Rechenzentren stecken zu wollen.
Ein Großteil dieser Gelder fließt dem Chiphersteller Nvidia zu. Seine Grafikprozessoren, die für Künstliche Intelligenz benötigt werden, haben bei der Leistung einen so großen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz, dass dem Unternehmen eine faktische Monopolstellung zugesprochen wird.
Dank dieser Monopolstellung hatte Nvidia mehr Spielraum bei der Preisgestaltung. Die Gewinnspanne kletterte auf über 50 Prozent. Das derzeitige Rentabilitätsniveau von Nvidia sei ungefähr doppelt so hoch wie die Margen, die Apple oder Cisco Systems jemals erzielen konnten, heißt es bei Bloomberg.
Wenn jetzt das DeepSeek-Modell dieselbe Leistung bringt wie etwa die Modelle von OpenAI, dabei aber weniger ausgefeilte und spezialisierte Hardware benötigt, dann könnte dies auch zu einem Umdenken bei Investitionsentscheidungen führen. Der Wettbewerb könnte dadurch belebt werden, was sich aber in einer sinkenden Gewinnspanne bei Nvidia ausdrücken dürfte. Schließlich wären dann Monopolpreise nicht mehr durchsetzbar.
Aber nicht nur das Geschäft von Chipherstellern gerät unter Druck, sondern auch das von KI-Anbietern wie OpenAI. Laut Bloomberg dauerte es nicht lange, bis sich Unternehmen am DeepSeek-Modell interessiert zeigten. Mit günstigen Preisen und einer vergleichbar guten Leistung kann das chinesische Modell durchaus punkten.
Und so werden bereits Forderungen erhoben, dass OpenAI die Preise für seine Modelle senken müsse. Als Beispiel führt Bloomberg das Softwareunternehmen OpenReplay an. Bislang nutzte es die Dienste von OpenAI, Anthropic und Mistral. Doch: "Wenn OpenAI seine Preise nicht senkt, werden meiner Meinung nach in den kommenden Monaten viele Entwickler zu DeepSeek wechseln", erklärte der Geschäftsführer von OpenReplay.
US-Tech-Riesen analysieren DeepSeek und versprechen Antworten
Vor diesem Hintergrund versuchen die großen US-Tech-Firmen, den Erfolg von DeepSeek zu entschlüsseln. Laut Insidern, auf die sich Bloomberg beruft, analysieren Führungskräfte und Entwickler von OpenAI derzeit intensiv die Technologie des chinesischen Konkurrenten. Auch der Facebook-Konzern Meta hat ein internes Team zusammengestellt, um zu verstehen, wie DeepSeek aufgebaut ist und was es leisten kann.
Öffentlich geben sich die US-Tech-Größen bislang gelassen. "DeepSeeks R1 ist ein beeindruckendes Modell", twitterte OpenAI-Chef Sam Altman. "Wir werden natürlich viel bessere Modelle liefern und es ist auch eine echte Belebung, einen neuen Konkurrenten zu haben!" Auch der Chipriese Nvidia, dessen Aktie am härtesten getroffen wurde, lobte DeepSeek als "hervorragenden KI-Fortschritt".
Folgen für US-Tech-Branche noch unklar
Noch ist offen, wie schwer DeepSeek den US-Tech-Sektor treffen wird. Einige Experten bezweifeln, dass die von dem chinesischen Start-up genannten Entwicklungskosten die volle Wahrheit widerspiegeln. Auch verfügen Schwergewichte wie Microsoft und Amazon über riesige Cloud-Infrastrukturen, mit denen sich KI-Anwendungen gewinnbringend und in großem Stil bereitstellen lassen.
Dennoch ist die Verunsicherung in der Branche mit Händen zu greifen. Sollte sich DeepSeek als ernsthafter Konkurrent etablieren, drohen etablierten US-Firmen herbe Rückschläge. Ihre gewaltigen Investitionen in spezialisierte KI-Chips und riesige Rechenzentren könnten sich als überdimensioniert erweisen. Auch die hohen Preise, die manche für ihre KI-Dienste verlangen, dürften unter Druck geraten, wenn DeepSeek mit einem kostenlosen Angebot Kunden gewinnt.