Ob DeSantis, Trump oder Biden: Warum wir uns von den USA verabschieden sollten
Viel wird über Ron DeSantis gewitzelt. Doch er ist nur ein Produkt des Niedergangs. Wie man sich dieser Erkenntnis in Berlin verweigert – und welche Folgen das hat. Ein Telepolis-Leitartikel.
Mit der Genugtuung eines auf Skandale ausgerichteten Medienbetriebs werden wir heute über den Fehlstart des rechtskonservativen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis informiert. Der 44-Jährige hatte für gestern Nachmittag (Ortszeit) bei einer Live-Konferenz auf dem Kurznachrichtendienst Twitter seinen großen Auftritt geplant. Jedoch: Der Coup misslang.
Die Schadenfreude ist gleich doppelt. Am Pranger steht auch Milliardär Elon Musk. Dessen Tesla-Fabrik und die Arbeitsplätze akzeptiert man in Brandenburg zwar gerne und gräbt den Anwohnern dafür sogar das Wasser ab. Ansonsten hat man für Musk nur Hohn übrig.
Was untergeht: Der realpolitische Machtverlust Washingtons in der Nach-Nachkriegsordnung wird zwar immer wieder in Abrede gestellt; die Anzeichen sind aber nicht mehr zu ignorieren. Der Trend bedingt sich mit dem desolate Zustand der US-Demokratie, die in ihrer historischen Dimension einst durchaus aufklärerisch und progressiv gewesen ist.
2023 befindet sich das politische System der Vereinigten Staaten im Klammergriff einer politischen Kaste, von der nichts Neues und auf keinen Fall etwas Gutes zu erwarten ist.
Da stehen auf der einen Seite die Demokraten, die mit dem 80-jähringen Joseph Biden, sollte er trotz aller Patzer ein weiteres Mal kandidieren, endgültig zu einer De-facto-Gerontokratie zu verkommen drohen. Bei denen alle Ansätze, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen, gescheitert sind.
Auf der anderen Seite stellt sich die Wahl zwischen Pest und Cholera. DeSantis steht, ebenso wie sein parteiinterner Widersacher, [Link auf https://telepolis.de/-8983900] , die so rein gar nichts mehr mit den fortschrittlichen Gedanken der Gründerväter gemein hat.
DeSantis lässt daran keinen Zweifel: Grenzen dicht, Abschottung des Landes, Einschränkung von Bürgerrechten, von Frauenrechten ohnehin.
Dass das marode Zweiparteiensystem der USA noch nicht einmal mehr das Wohl der eigenen Bürgerinnen und Bürger zu wahren imstande ist – das scheint immer öfter durch.
Nach offiziellen Zahlen leben 37,9 Millionen US-Amerikaner in Armut. Experten gehen davon aus, dass das Armutsproblem sehr viel größer ist und weit über 11,6 Prozent der Gesamtbevölkerung von Armut betroffen sind – zumal die Zahlen durch großzügige Corona-Hilfen geschönt wurden.
Indes sind nach Angaben der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC zwischen 1999 und März 2021 fast 841.000 Menschen an einer Drogenüberdosis gestorben. Viele seien, so die CDC, an zuvor verschriebenen Schmerzmitteln abhängig geworden. In der sogenannte Opioid-Krise avancierte der Tod durch die missbräuchliche Einnahme des Schmerzmittels Fentanyl zur häufigsten Todesursache bei US-Amerikanern zwischen 18 und 45 Jahren.
Die USA: Drogen gegen die Krise
Eine Nation entflieht den Sorgen in den Rausch. Tragisch und sinnbildlich zugleich. Bei uns aber dominiert nach wie vor das Hollywood-Image einer prosperierenden, innovativen Weltmacht. Auch das trägt wohl dazu bei, dass sich die europäische, also auch die deutsche Außenpolitik der Realität verweigern kann: Die USA sind inzwischen weder fähig noch willens, die Welt zu Frieden und Wohlstand zu führen.
Zugleich sind die globalen Machtblöcke in Bewegung geraten – was historisch gesehen stets die Gefahr schwerer Krisen mit sich gebracht hat. Analysten haben schon vor geraumer Zeit festgestellt: Chinas Wirtschaft wird sich zunehmend auf staatliche Investitionen, Hightech-Entwicklung und Binnenkonsum stützen – mit weniger Input aus seiner früheren Exportproduktion. Damit werde Beijing die USA in den nächsten zehn Jahren wirtschaftlich überholen, so die französische Kreditversicherungsgruppe Euler Hermes.
Chinas Bruttoinlandsprodukt werde bis 2025 voraussichtlich um 5,7 Prozent jährlich wachsen und danach bis 2030 um 4,7 Prozent pro Jahr, so auch das britische Zentrum für Wirtschaftsforschung (CEBR). Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt werde so bis 2030 die USA als größte Volkswirtschaft überholen.
Es ist höchste Zeit, dass sich dieses realistische Bild auch in der europäischen und vor allem der deutschen Außenpolitik niederschlägt. Im politischen Berlin ist das ein offenes Geheimnis: Viel Kritik übt man dort daher an der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock, die mit ihrer ideologischen Außenpolitik nachhaltigen Schaden anzurichten droht.
Dabei geht es mitnichten um Menschenrechte, sondern um Loyalitäten, die den Deutschen teuer zu stehen kommen könnten. Denn während Baerbock die chinesische Führung auf offener Bühne in einer Art angreift, die weder in Form noch in Inhalt etwas mit Diplomatie zu tun hat, setzt sie sich tags darauf mit arabischen Autokraten zusammen, um wieder Tag darauf große Reden über ihre vermeintlich feministische Außenpolitik zu halten. Ein weiteres ideologisches Konstrukt ...
Unsere "transatlantischen Partner" in Washington sind da zumindest orientierter: Nicht nur Donald Trump folgte dem Dogma "America First!". Auch Amtsnachfolger Biden bleibt dieser Linie im Grundsatz treu, wie der jüngste Streit um Unternehmenssubventionen bewiesen hat.
Ob der 47 Präsident der Vereinigten Staaten also Biden, DeSantis oder Trump heißt, die Antwort aus Berlin und Brüssel wird lauten: "Europe behind!" Und das ist verheerend.