Öffentlich-rechtliche Rundfunkräte: Parteibuch statt Publikumsnähe

Thomas Pany
Ausgeschütteter Kaffe und Rechnung für den Rundfunkbeitrag

Bild: Shutterstock

Bürger zahlen den Rundfunkbeitrag, Parteien bestimmen. Otto-Brenner-Studie über die Arbeit der Kontrollgremien der Sender: Wie dürftig die Gesellschaft repräsentiert wird.

Über 40 Millionen Wohnungen haben ein Beitragskonto, das ist die "bedeutendste Säule für den Rundfunkbeitrag" (Statistika).

Wenn also die Frage aufkommt, wie sehr sich diejenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) finanziell tragen, von dessen Sendern repräsentiert werden, so müssten die hochgezogenen Augenbrauen bei Verantwortlichen des ÖRR große Aufmerksamkeitsbögen bilden, die vom hohen Norden bis zum tiefsten Süden reichen. Tun sie aber nicht. Nicht ernsthaft.

Diese Folgerung lässt sich aus einer aktuellen Studie ziehen, die heute bei der Otto-Brenner-Stiftung erscheint. Darin geht es um die Arbeit von Rundfunk- und Verwaltungsräten – ein dem ersten Anschein nach trockenes Thema, das aber sofort eine eigene Spannung entfaltet, wenn man sich die Rolle der Rundfunkräte und die Ergebnisse der Studie vor Augen hält.

Das wichtigste Kontrollorgan: Viel Macht

Im Kern zusammengerafft: Die zwölf Rundfunkräte – neun der ARD-Sender, ein Rundfunkrat der Deutschen Welle, ein Fernsehrat des ZDF, ein Hörfunkrat des Deutschlandradios – sind jeweils das "wichtigste Kontrollorgan einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt" (HR).

Dort werden die Interessen der Allgemeinheit bei der Programmgestaltung vertreten und die oberste Programmkontrolle ausgeübt. Zudem wird dort über den höchsten – die Intendanz – und die höheren Posten – Direktoren – entschieden.

Viel Macht also für ein Gremium, das laut der erwähnten Studie mit starkem Einfluss aus der Politik zu tun hat und daran habe sich seit der letzten Untersuchung vor über zehn Jahren nichts Entscheidendes geändert. Sprich: Diese Machtstruktur ist stabil. Der Einfluss einer kritischen Öffentlichkeit außerhalb von Parteien ist nicht wirklich spürbar.

Gesellschaft unzureichend repräsentiert

In der FAZ pointiert der Medienfachmann Helmut Hartung die Sachlage so: Die Rundfunkräte, zum Teil "sehr teuer" und "ineffektiv", repräsentieren die Gesellschaft unzureichend.

Tatsächlich stellt die Studie (Kurzfassung hier), durchgeführt von Peter Stawowy, "gelernter Medienjournalist und Blogger", den Rundfunkgremien ein schlechtes Zeugnis aus: Sie spiegeln demnach nicht die Gesellschaft wider, ihre Arbeit ist eher intransparent und der politische Einfluss immens.

Die Rundfunkräte sollen als Kontrollorgane die Unabhängigkeit und gesellschaftliche Verankerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks garantieren. Die Studie deckt jedoch auf, dass die Ziele oft verfehlt werden.

Parteizugehörigkeit und Staatsnähe

Bei mindestens 41 Prozent der Rundfunkrats- und 53 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder ist eine Parteizugehörigkeit nachweisbar.

Er (Peter Stawowy, Einf.. d. A.) hat einfach geguckt, wer ein Parteibuch hat. Beim ZDF-Fernsehrat sind das 60 Prozent, auch der Hörfunkrat des Deutschlandradios und die Räte beim BR und SWR liegen über der 50-Prozent-Marke. Am wenigsten haben sie mit 23 beziehungsweise 15 Prozent im Saarland und in Bremen. Bei den Verwaltungsräten liegen die Quoten mit wenigen Ausnahmen deutlich höher.

Taz

Das tritt zwar nicht dem Buchstaben nach mit der gesetzlichen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts in Konflikt, wonach maximal ein Drittel der Mitglieder "staatsnah" sein und zur sogenannten "Staatsbank"(taz) gehören dürfen. Eine Parteizugehörigkeit allein gilt nicht als staatsnah.

Aber der Geist, der das Geschehen belebt und prägt, separiert Parteizugehörigkeit in der Praxis nicht so trennscharf von Staatsnähe, wie es sein sollte. Zumal, wenn Rundfunkräte früher auf politischen Posten saßen.

Die Stude untersuchte die soziodemographischen und organisationalen Hintergründe von 772 Gremienmitgliedern (Rundfunk- und Verwaltungsräte) und stellt eben fest, dass der parteipolitische Einfluss weit über die formale Präsenz politischer Vertreter hinausgeht. Ehemalige Minister und Parteimitglieder besetzen Plätze, die zivilgesellschaftlichen Organisationen zustehen sollten.

Veraltete Strukturen

Die OBS-Studie macht deutlich, dass die Räte ihre Aufgaben der Qualitäts- und Programmkontrolle sowie der gesellschaftlichen Repräsentation nur unzureichend wahrnehmen. Die Gremienstrukturen sind veraltet und die Arbeitsorganisation uneinheitlich. Die Kosten der Gremienarbeit, die aus Gebührengeldern finanziert werden, variieren stark und sind häufig intransparent.

Außerdem bestätigt die Studie den Eindruck, dass es sich bei der Arbeit von Rundfunkräten und Verwaltungsräten um eine Aktivität handelt, die in gesellschaftlichen Hinterzimmern stattfindet – und dass davon nur selten, in Ausnahmen, etwas an die Öffentlichkeit kommt.

Austausch mit dem Publikum?

Es mangelt an einem Austausch mit dem Publikum, was die Debatte um die Gremienarbeit in der öffentlichen Wahrnehmung nahezu ausblendet.

Stawowy fordert eine Debatte über die Eindämmung des parteipolitischen Einflusses und eine Erhöhung der Transparenz. An den Defiziten, die schon 2013 festgestellt wurden, habe sich nichts Entscheidendes verändert, kommentiert die FAZ.

Stawowy knüpft an die Analyse des verstorbenen Medienjournalisten Fritz Wolf aus dem Jahr 2013 an, die ebenfalls im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung entstand. Wolf hielt damals fest, dass die Rundfunkgremien wesentlich transparenter arbeiten sollten. Zudem müsse der Einfluss der Parteien und des Staates zurückgedrängt werden. Die Arbeit der Rundfunkräte sollte deutlich professionalisiert werden, schrieb Wolf.

Stawowy kommt zu dem Schluss, dass sich nicht viel verändert habe, "dass die Gremien nach wie vor die Öffentlichkeit scheuen und offenkundig lieber unter sich bleiben möchten. Eine ernsthafte, dialogische Rückkoppelung der eigenen Arbeit in die Öffentlichkeit, etwa durch Dialogveranstaltungen und Austausch, sucht man vergeblich."

FAZ

Was fehlt

Vergeblich sucht man Ansätze, um die Gesellschaft im Rundfunkrat breiter zu repräsentieren: Wie wäre es mit einer stärkeren Vertretung der Jugend? Der Schüler? Mit Vertretern von Atheisten, statt nur der Kirchen und der jüdischen Gemeinden, auch mit Vertretern von Muslimen? Oder mit Vertretern von Migranten?

Es gäbe einige heiße Eisen anzufassen, um näher an die gesellschaftliche Wirklichkeit heranzurücken und abzurücken von einer Nähe zur Politik, die Pfründe garantiert.