Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Wenn der Moral-Zeigefinger blinkt wie eine Lichterkette

Wunderliche Weihnachtsbeleuchtung in den USA. Foto: Shutterstock.com

Kitsch-Polizei beim NDR: Keine Gnade für blinkende Lichter in der Vorweihnachtszeit. Wie der Geschmack der Beitragszahler volkspädagogisch gerettet wird. Kommentar.

"Gott nannte das Licht Tag, die Nacht aber Finsternis." Genesis, Buch 1, 5

Kürzlich gab’s ein helles Licht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da erfuhren die Hörer eines auch beim Autor beliebten BR-Szenemagazins, dass unter 60- bis 70-Jährigen der Punk abgeht. "Sie feiern, bevor die Bombe fällt." Die Sache kann man traurig finden, exaltiert oder dekadent. Oder eben zum Auflachen.

Jedenfalls gelangte die Nachricht nicht wirklich bierernst an die Hörerschaft und sie enthielt auch keine Propaganda, für welche Seite auch immer. Es war ein moralfreier Moment, in dem der Witz der Angst bayerisch Servus sagte und "mach mal Pause" zur rein sorgenvollen Dramatisierung der angespannten und gereizten gegenwärtigen Geschichtssituation.

Aber feste Feiern als Krisenhilfe ist das überhaupt erlaubt?

Nicht wirklich, wenn's stillos ist. Dann kann das nämlich "wahnsinnig" nervig sein – und wenn's nur die Optik trifft. Dies erklärt uns ein wahrer Sternentanz der Aufklärung, ebenfalls angeboten bei einem öffentlich-rechtlichen Sender (siehe dazu die redaktionelle Anmerkung unter dem Text).

Bei diesem Beitrag ging es nicht um punkige Abstürze in der Vorweihnachtszeit wegen der Kriegsgefahr, sondern um die vorweihnachtliche Deko und Festbeleuchtung.

"Ich finde jede Art von übertriebenem Weihnachtskitsch furchtbar. Niemand braucht aggressiv blinkende Lichterketten an Hausfassaden oder eine Sammlung hässlicher Weihnachtspullis. Das alles ist nicht nur wahnsinnig nervig für alle, die es sehen müssen. Es geht auch so richtig ins Geld. (…) Kitschige Weihnachtsdekoration ist einfach nur stillos. Wenig und ausgesucht muss es sein. Nur so sieht es dann auch gut aus",

wird den Zuschauern der Sendung Hallo Niedersachsen vom NDR nahegebracht.

Ist denn schon wieder Biedermeier?

Ja, ist denn schon wieder Biedermeier, könnte man mit der in diesem Jahr verstorbenen Lichtgestalt fragen.

Lieber spukige Totenblässe in Straßen voller Autos, die in der Mehrzahl dunkel sind wie ein Konvoi auf dem Weg zur Bestattung, und Licht nur aus Einkaufskristallpalästen? Ansonsten dunkle, stille, brave Fassaden und Balkone von Wohnhäusern in den nicht so sehr mit dem Geschmack von NDR-Moderatorinnen kompatiblen Vierteln und Lebenswelten?

All' das ist besser als "kitschige Weihnachtsdekoration"?

Und dran denken, liebe Mitbürger, bitte Weihnachtsmärkte meiden, da hat der schlechte Geschmack die Eskalationsdominanz.

Plunder, der ins Geld geht

Mag ja sein, dass manche Beleuchtungseffekte trashig ausfallen und der Gang zum Weihnachtsmarkt mit "leuchtendem, glitzerndem oder singenden oder Krimskrams" nicht wirklich so besinnlich vonstattengeht und hochherzig erbaulich ist wie ein Essen mit Freunden oder die Feuerzangenbowle (Heinz Rühmann aus dem Jahr 1944 lässt grüßen), die man allein zuhause trinkt – aber eine solche Belehrung muss nicht sein. Die nervt auch.

Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk geht "richtig ins Geld".

Diese volkspädagogische Masche sollte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk rasch wieder abgewöhnen

Peter Welchering

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Redaktionelle Anmerkung: Der hier kommentierte NDR-Beitrag war Bestandteil eines "Pro und Contra: Weihnachtskitsch im Advent?" - zu sehen hier in der Mediathek. Der Teaser dazu lautet: "Erwärmt er das Herz und sorgt für Behaglichkeit? Oder ist er übertrieben und nervtötend?" Die Frage, ob solche Debatten in gebührenfinanzierten Sendern gut aufgehoben sind, bleibt ebenfalls für ein Pro und Contra offen.