Ökosteuer auf französisch
Ist Frankreich Vorreiter oder Nachmacher?
Frankreich besteuert ab 2010 den CO2-Ausstoß. Belastet werden vor allem die Bürger, große Industrien sind ausgenommen. Doch Nikolas Sarkozy will das eingenommene Geld am Ende jeden Jahres zurückgeben – eine Idee, die schon die Vordenker der deutschen Ökosteuer hatten. Ist Frankreich Vorreiter oder Nachmacher?
CO2-Steuer? Brauchen wir hier in Deutschland nicht. Wir haben ja die Ökosteuer, könnte man denken. Doch die Besteuerung von CO2, die der französische Präsident 2010 einführen will, hat mit der deutschen Ur-Ökosteuer einiges gemeinsam. Diese wurde Mitte der 90er Jahre in Deutschland diskutiert - unter Rot-Grün setzten sich aber viele Ideen nicht durch. Sarkozy will nun Versprechen wahrmachen, die hierzulande schon längst aufgegeben wurden.
So gab der französische Präsident sein Wort, den Bürgern ihr Geld am Jahresende wieder zurückzugeben, das sie ab nächstes Jahr mehr für Heizöl, Kohle und Gas zahlen müssen. Entweder soll die Ökoabgabe mit den Steuern verrechnet werden oder als Gutschrift in die Taschen der Bürger fließen. Wer also weniger verbraucht, freut sich doppelt: Über weniger Energiekosten und den Steuerbonus.
CO2-Steuer ist die Ur-Idee der deutschen Ökosteuer
Das Bonussystem von Sarkozy müsste den Vordenkern der deutschen Ökosteuer bekannt vorkommen. Als diese 1995 noch in den Kinderschuhen steckte, war gerade das der Grundgedanke: Den Verbrauchern mehr Geld für umweltschädliches Verhalten abnehmen und es ihnen dann in Form von Schecks oder Steuervergünstigungen wieder zurückgeben. Die Grünen forderten damals eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und einen „Sozialbonus“ für Sozialhilfe- und Bafögempfänger.
Das DIW dachte ebenso wie Sarkozy über einen „Öko-Bonus“ in Form einer individuellen Erstattung nach. Doch in Deutschland profitiert heute nur ein Teil der Bevölkerung vom Rückfluß der Ökosteuer: Die Rentner. Ein Bruchteil des Geldes geht noch in erneuerbare Energien, in die Verkehrswende schon gar nicht, wie es die Grünen einmal wollten. Eine Forsa Studie von 1995 ergab sogar, dass 46 Prozent der Deutschen bereit wären, einen höheren Benzinpreis zu zahlen, wenn dafür die Lohn- und Einkommenssteuer gesenkt werde.
Die Idee ist bis heute nicht totzukriegen, auch wenn die Politik davon nichts mehr hören will: „Das französische Modell könnte auch für Deutschland ein Vorbild für die Ticketbesteuerung beim Flugverkehr oder der Dienstwagenabgabe sein“, meint Kai Schlegelmilch vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), die in den 90er Jahren an einer Ökosteuer in Deutschland mitgearbeitet haben. Dass sich die Ökosteuer im Nachhinein noch korrigieren ließe, glaubt Schlegelmilch allerdings nicht – schließlich hätte die Politik dann ein ernsthaftes Finanzierungsproblem bei den Renten.
Sarkozy hingegen nimmt man seinen guten Willen nicht ab. Auch wenn er angekündigt hat, dass eine unabhängige Kommission über die Abgaben der Bürger wachen solle, trauen laut Umfragen zwei Drittel der Franzosen Sarkozy nicht über den Weg und lehnen die Steuer ab.
CO2-Besteuerung: 17 Euro die Tonne reicht nicht aus
Die Ökosteuer ist auch deshalb keine reine CO2-Steuer, weil sie nicht nach dem Kohlendioxidausstoß des fossilen Energieträgers berechnet, sondern pauschal auf Sprit- und Strompreis aufgeschlagen wird. Die Idee der CO2-Besteuerung existierte allerdings bei den deutschen Grünen schon lange vor Sarkozy: Rainer Steenblock, damaliger Öko-Koordinator der Grünen im Bundestag forderte 1995, dass fossile Energieträger je zur Hälfte nach ihrem Energiegehalt und ihren CO2-Emissionen besteuert werden sollen.
An sich ein guter Ansatz, findet auch Kai Schlegelmilch vom FÖS. Doch leider sei die französische Abgabe viel zu niedrig. Das finden auch die Grünen und schießen die französische Initiative gleich ganz in den Wind: „Herr Sarkozy kommt mit seinen Plänen 10 Jahre zu spät. Diese belasten allein die Verbraucher, nehmen Industrie und Stromerzeuger fast völlig aus und sind zu niedrig angesetzt, um echte Verhaltensänderungen zu bewirken“, kontert Bärbel Höhn von den Grünen.
Sarkozy meint dagegen, die Franzosen müssten sich erst an die Steuer „gewöhnen“. Deshalb habe man sich letztendlich für 17 Euro pro Tonne CO2 entschieden. Dieser Betrag soll langsam gesteigert werden – wie und wann ist noch unklar. Als Vorsitzender der französischen CO2-Steuer-Kommission hat Michel Rocard sich für einen Preis von 32 Euro pro Tonne Kohlendioxid ausgesprochen. Auch Experten in Deutschland schätzen, dass Großverbraucher erst über 30 Euro pro Tonne ihr Verhalten ändern. Das gilt auch für die Teilnehmer des Emissionshandels. Derzeit kostet die Tonne CO2 am Spotmarkt der EEX nur rund 15 Euro.
Kritiker der französischen Variante beklagen zudem, dass der Stromsektor aus der Besteuerung ganz rausfällt. Dadurch könnte sogar der Stromverbrauch steigern, befürchtet der französische grüne Europaabgeordnete Yannick Jadot, weil viele Bürger einfach auf Elektroheizungen umstiegen und fleißig Atomstrom verbrauchten. Präsident Sarkozy erklärt hingegen, Atomstrom sei „CO2-arm“ und deshalb ökologisch und förderungswürdig. Zudem seien Energieversorger und energieintensive Unternehmen sowieso schon im Emissionshandel integriert. In Deutschland ist eine Abgabe auf Strom aus nicht-erneuerbaren Quellen Teil der Ökosteuer.
Union und FDP wollen von einer CO2-Steuer nichts wissen
Bei Ökosteuer-Gegnern kommt das Modell der CO2-Steuer in Frankreich erwartungsgemäß nicht sehr gut an. Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Horst Meierhofer meint, dass staatlich vorgegebene Preise generell unrealistisch seien. Er will deshalb den Emissionshandel auch auf Verkehr und den Wärmesektor ausweiten – denn nur der Markt spiegele die wirklichen Preise wieder. Zudem dürfe kurz vor den internationalen Klimaverhandlungen nicht jeder Staat anfangen, sein eigenes Süppchen zu kochen – das sei kontraproduktiv, so Meierhofer. Ähnlich sieht das die CDU. Für den umwelt- und energiepolitische Koordinator Joachim Pfeiffer hat die Bundesregierung in den letzten vier Jahren schon genug getan, um die Klimaziele zu erreichen. Eine höhere staatliche Belastung der Energiepreise werde es mit CDU und CSU nicht geben.
Man habe immerhin die Kfz-Steuer zum 1. Juli 2009 in eine CO2- und schadstoffbezogene Besteuerung geändert und damit bereits eine ähnliche Richtung eingeschlagen. Die Linken hingegen finden die französische Initiative zumindest sozialer als die Ökosteuer: „Es ist begrüßenswert, dass Frankreich eine Reihe von sozialen Ausgleichsmechanismen im Auge hat. Sollten sie kommen, wäre dies ein Fortschritt im Vergleich zum deutschen Modell, das eine extreme soziale Schieflage hat“, so Eva-Bulling-Schröter aus der Linksfraktion im Bundestag.
Dass die Ökosteuer in Richtung einer französischen CO2-Steuer reformiert wird, damit kann man in den nächsten vier Jahren wohl eher nicht rechnen. FDP und CDU haben am Thema Umweltsteuern wenig Interesse und für auch für SPD und Grüne dürfte erst mal die Sicherung der Renten vorgehen.