Öl, Macht und Manipulation: Wie die USA die Welt am Tropf halten
Seite 3: CIA-Putsch gegen Mossadegh
Die erste US-Intervention zur Aufrechterhaltung der neokolonialen Arbeitsteilung im Energiesektor fand 1953 im Iran statt. Der Iran war bereits in den 1940er-Jahren durch die Entdeckung großer Erdölvorkommen im Süden des Landes zu einem wichtigen Erdölproduzenten und -exporteur geworden. Die Ölraffinerie in der südiranischen Stadt Abadan am Persischen Golf war damals die größte der Welt.
Doch nicht der iranische Staat, sondern die damalige Hegemonialmacht Großbritannien hatte indirekt die Hoheit über den gesamten iranischen Ölsektor. Die britische Infiltration beruhte auf einem Vertrag des britischen Unternehmers William Knox D'Arcy, der 1901 mit dem Schah der Gajariden-Dynastie einen neokolonialistischen – im wahrsten Sinne des Wortes – Knebelvertrag abgeschlossen hatte.
Danach trat der Herrscher des Irans für 60 Jahre die Nutzungsrechte an drei Vierteln des gesamten Staatsterritoriums zur Erdölförderung ab. Im Gegenzug erhielt der Iran eine Einmalzahlung von 40.000 Pfund Sterling und 16 Prozent des jährlichen Reingewinns einer eigens gegründeten National Iranian Oil Company (NIOC), aus der später BP, einer der größten Ölkonzerne der Welt, hervorging.
War dem unwissenden und korrupten iranischen Herrscher offensichtlich nicht bewusst, auf welch ausbeuterischen Deal er sich mit dem Strohmann Großbritanniens eingelassen hatte, so entdeckten die inzwischen in Europa geschulten iranischen Intellektuellen und Politiker unter Führung von Dr. Mohammad Mossadegh in den 1940er-Jahren den betrügerischen Charakter dieses Vertrages und begannen, im inzwischen durch die Revolution von 1905 entstandenen iranischen Parlament für eine konstitutionelle Monarchie eine Gegenstrategie zu entwickeln.
Mossadeghs Vorstoß im Parlament rief eine außerparlamentarische Bewegung hervor, die sich bald zu einer echten antikolonialistischen Bewegung entwickelte und schließlich im März 1951 zur Bildung einer demokratisch gewählten Regierung unter der Führung Mossadeghs führte. Im selben Jahr beschloss das Parlament die Verstaatlichung des NIOC.
Dies war der Beginn einer antikolonialistischen Bewegung, die historisch mit Gandhis Nationalbewegung in Indien verglichen werden kann und eine neue antikolonialistische Ära im gesamten Nahen Osten einläutete. Der neokolonialistische Vertrag, der mit einem machtlosen iranischen König geschlossen worden war, wurde durch die sich entwickelnde Gegenmacht des iranischen Volkes beendet.
Diese neue Macht eines Öleigentümerstaates drohte das bisherige Machtgefälle zwischen dem Westen und den Ölstaaten des gesamten Mittleren Ostens zu überwinden, mit dramatischen Folgen für den globalen Ölmarkt und die kapitalistische Ökonomie. Diese Gefahr einer drastischen Machtverschiebung zuungunsten des Westens muss daher so schnell wie möglich abgewendet werden.+
Und dann kam Winston Churchill
Damit schlug die Stunde der britischen Regierung unter Winston Churchill. Auf ihre Initiative hin verhängten zunächst alle großen Industriestaaten des Westens 1952 ein Ölembargo gegen den Iran. Ziel war es, die neue iranische Regierung vollständig von den Öleinnahmen abzuschneiden und die Regierung Mossadegh in eine Finanzkrise zu stürzen. Mossadegh gelang es jedoch, die Intervention zunächst abzuwehren, indem er mithilfe einer Volksaktie den Jahreshaushalt ausgleichen und die Finanzkrise abwenden konnte.
Anschließend klagte die britische Regierung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen die Verstaatlichung der Ölindustrie durch das iranische Parlament, was jedoch abgewiesen wurde.
Schließlich gelang es der bis dahin erfolglosen britischen Regierung, die neue Hegemonialmacht USA für einen gemeinsamen Putsch gegen Mossadegh zu gewinnen. Nach anfänglichem Zögern ließen sich die USA auf diesen folgenschweren Umsturz ein und stürzten mithilfe der CIA im August 1953 die Regierung Mossadegh.
Großbritannien und die USA handeln gemeinsam
Die britische Regierung hatte die USA mit dem Argument zu dieser epochalen Intervention überredet, dass das Beispiel des iranischen Vorstoßes in allen Ölstaaten des Globalen Südens Schule machen und die Ökonomie des Erdölsektors zum Nachteil des Westens und der US-Hegemonie grundlegend umgestalten könnte.
Der CIA-Putsch war für Großbritannien und die USA erfolgreich, Mossadegh wurde gestürzt und das antikolonialistische Projekt Iran zu Fall gebracht. Damit haben die USA und Großbritannien den Ölsektor des Globalen Südens weiter in der ihnen genehmen neokolonialistischen Arbeitsteilung verankert.
Diese US-Intervention im Iran muss aus mehreren Gründen als epochal angesehen werden: Zum einen haben die USA seitdem endgültig ihre Unschuld als Hegemonialmacht mit positivem Antlitz verloren und den Grundstein für einen nachhaltigen und bis heute anhaltenden Antiamerikanismus vor allem im Nahen Osten gelegt, dessen Spuren sich in nahezu allen Ereignissen der letzten Jahrzehnte in dieser Region und weit darüber hinaus finden lassen.
Wirksamer Hebel der USA – bis heute
Zum anderen haben die USA allen ihren westlichen Verbündeten praktisch vor Augen geführt, dass sie allein in der Lage sind, den ungestörten Fluss von Öl zu Dumpingpreisen aus dem Globalen Süden und damit das florierende Wachstumsmodell und den stetig wachsenden Wohlstand in den westlichen kapitalistischen Staaten zu garantieren.
Seitdem und im Grunde bis heute ungebrochen verfügen die USA neben ihrer militärischen Stärke zusätzlich über einen geopolitisch sehr wirksamen Hebel, um den globalen Energiesektor in ihren Dienst zu stellen und ihren westlichen Verbündeten – später zu OECD-Staaten zusammengeschlossen – glaubhaft zu machen, dass es sich lohnt, die US-Hegemonie zu akzeptieren und die Vorteile langfristiger Öldumpingpreise und langfristiger Energiesicherheit für ihre Volkswirtschaften zu nutzen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.