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Ölpreisdeckel: Vor allem USA werden profitieren

Die Erdölpreise werden wohl steigen, und das mitten im Winter. Grund ist der Ölpreisdeckel der EU und der G7. Was das geostrategisch bedeutet.

Fossile Energieträger haben sich seit den Sanktionen gegen Russland für Europa dramatisch verteuert. Energieintensive Industrien haben dadurch erhebliche Mehrkosten zu verzeichnen, was die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte auf dem Weltmarkt verringert. Zudem werden die deutschen Haushalte durch drastisch gestiegene Heizkosten belastet.

Da scheint es eine willkommene Idee zu sein, den Ölpreis einfach selbst festzulegen: Zum einen scheint dies der Industrie zu nutzen und die Haushalte zu entlasten. Die zweite Stoßrichtung des Ölpreisdeckels ist erklärtermaßen, die Einnahmen Russlands aus dem Ölhandel zu reduzieren und so die Kriegskasse Moskaus zu treffen. Und so beschloss die EU und die G7 plus Australien jetzt einen Ölpreisdeckel von 60 US-Dollar (derzeit rund 57 Euro).

Über den Seeweg kommt ab dem morgigen Montag aufgrund des von der EU beschlossenen Ölembargos kein Erdöl mehr nach Europa. Ausgenommen ist der Ölhandel mit Russland über die Pipelines. Also der Ölpreisdeckel ist für Europa nur begrenzt relevant.

Russland hat angekündigt, den Ölpreisdeckel nicht zu akzeptieren und einen Lieferstopp gegen die EU zu verhängen. In diesem Zusammenhang scheint Russland mehr als hundert gebrauchte Öltanker auf dem Weltmarkt eingekauft zu haben [1], um sich alternative Absatzmärkte selbst zu erschließen.

So scheint die Ankündigung des Kremls, einen Lieferstopp gegen die EU auch tatsächlich umzusetzen, kein Bluff zu sein. Zudem kann es nicht im strategischen Interesse des Kremls sein, die gegen Russland eingestellten Regierungen durch billiges, russisches Erdöl zu unterstützen.

Manche Experten erwarten denn auch eine Verteuerung der Erdölpreise auf dem Weltmarkt durch den drohenden russischen Lieferstopp. Europa müsste sich sehr kurzfristig andere Lieferanten erschließen, was den Ölpreis für Europa in die Höhe treiben dürfte.

Das Gegenteil gilt für Länder, die sich nicht an dem Ölpreisdeckel beteiligen: Hier dürfte Russland durch günstig angebotenes Öl versuchen, die nicht in die EU abgesetzten Mengen zu kompensieren.

Wie könnte Russland nun reagieren?

Mit günstig angebotenem Öl kann Russland gleichzeitig die Beziehungen zu China und Indien ausbauen, aber auch andere Länder an sich binden, verschafft es denjenigen Volkswirtschaften, die russisches Erdöl kaufen, doch erhebliche Vorteile auf dem Weltmarkt. Dank des billigen, russischen Öls.

Die USA sind Netto-Ölexporteur, also fördert mehr Erdöl, als sie selber verbrauchen. Die USA sind durch eine mögliche Verteuerung des Erdöls also nicht betroffen – im Gegenteil: bei einem Ölpreis-Anstieg wrden die USA profitieren.

Ab dem heutigen Sonntag berät die OPEC+ – das sind die OPEC-Staaten plus assoziierte Länder wie Aserbaidschan, Bahrain, Brunei, Kasachstan, Malaysia, Mexiko, Oman, Süd-Sudan, Sudan – und Russland. Man kann gespannt sein, wie sich das Ölkartell verhalten wird, denn die Mitgliedsländer können sich ausrechnen, dass die US-Macht zu einem späteren Zeitpunkt ein anderes, unliebsames Land treffen kann.

Es kann also nicht im Interesse der OPEC sein, diesen massiven Eingriff der US-geführten Länder in den Erdölmarkt unbeantwortet zu lassen.

Eine Debatte über das geostrategische Ziel des von den USA vorangetriebenen Ölpreisdeckel ist nun angebracht. Es scheint, als würde der Ukraine-Krieg genutzt, vor allem die EU wirtschaftlich zu schwächen. Nach ersten Experteneinschätzungen könnte der Ölpreisdeckel Russland schließlich weit weniger schaden als prognostiziert, zumal die wichtigste russische Rohölsorte Urals zuletzt mit rund 50 US-Dollar gehandelt wurde [2].

Mittelfristig kann Russland vom Ölpreisdeckel sogar profitieren: Ein steigender Ölpreis wird das rohstoffreichste Land der Erde in eine ökonomisch vorteilhaftere Position befördern.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.ft.com/content/cdef936b-852e-43d8-ae55-33bcbbb82eb6
[2] https://www.heise.de/tp/features/Oelpreisdeckel-Alle-schauen-auf-den-kommenden-Montag-7365571.html