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"Oldschool Society" waren mehr als Verbalterroristen

Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren für die Führungsclique der rechtsterroristischen Gruppe

Manch einer hielt sie für "die dümmste Terrorgruppe Deutschlands" [1], und besonders intelligent hat die "Oldschool Society" (OSS) auch nicht agiert. Dennoch wurden vier Führungspersonen heute vom Oberlandesgericht München wegen der Bildung respektive Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Dass ihre via Chat, Telefon und Messenger geäußerten Anschlagspläne und Gewaltphantasien nur Prahlerei gewesen sei, um sich unter Gleichgesinnten wichtig zu machen, sah die Kammer anders.

Monatelang hatten Sicherheitsbehörden und Ermittler die OSS überwacht, deren Kommunikation ausgewertet und eine virtuelle Extremradikalisierung miterlebt. Im Mai 2015 befürchtete man, dass die Anschlagspläne real umgesetzt werden könnten und nahm die Führungspersonen fest (Oldschool Society: "dumme, aber höchst gefährliche Rechtsextremisten"? [2]).

Rechtsextremer Nachbau einer Rockervereinigung

Organisiert war die OSS ähnlich wie der rechtsextreme Nachbau einer Rockervereinigung. Bald war zudem klar, dass der aus Düren stammende und im sächsischen Borna lebende "Vizepräsident" Markus W. eine Vergangenheit in der NPD [3] und in Neonazi-Kameradschaften hatte.

"Präsident" Andreas H. aus Augsburg war zeitweise auch im Umfeld der NPD aktiv gewesen [4], der "Pressesprecher" Olaf O. aus Bochum wiederum bewegte sich im Umfeld der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) und nahm an neonazistischen Aufmärschen teil [5].

Nach elfmonatiger Beweisaufnahme sah es das Gericht am Mittwochmorgen als erwiesen an, dass die Angeklagten eine terroristische Vereinigung gebildet hatten. Mit Anschlägen auf Asylsuchende hätten sie Ausländer aus Deutschland vertreiben wollen, erklärte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.

Die längsten Haftstrafen wurden gegen die beiden Rädelsführer der Gruppe verhängt. Markus W. (41) wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, Andreas H. (58) zu viereinhalb Jahren. Die einzige Frau des Quartetts, die "Schriftführerin" Denise G. (24), erhielt eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten, der vierte Angeklagte, Olaf O. (48), soll für drei Jahre ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht München blieb damit leicht hinter den Forderungen der Bundesanwaltschaft zurück, die Verteidiger hatten Freisprüche gefordert.

Die Bundesanwaltschaft war anhand der abgefangenen Aussagen und Textnachrichten der Angeklagten zuerst davon ausgegangen, dass in der Gruppe nicht nur mit Gewalttaten und Anschlagsplänen geprahlt worden sei, sondern einige Straftaten beizeiten auch hätten umgesetzt werden sollen.

Die Anwälte der Angeklagten zweifelten jedoch die Fähigkeit ihrer Mandanten an, einen koordinierten Anschlag auf Asylbewerberheime zu planen und durchzuführen. Die Gruppierung sei nicht mehr als eine Ansammlung unsympathischer, radikaler, vereinsamter Menschen, die im Leben wenig zustande gebracht hätten, so die Verteidigung.

"Herrenmenschen"

Tatsächlich entsprach das, was im Prozessverlauf über die Angeklagten bekannt geworden war, keineswegs der Vita von Personen, die sich selbst als "Herrenmenschen" verstehen und verächtlich auf andere herabschauen. Als die Polizei Olaf O. festnahm und die Wohnung des Arbeitslosen durchsuchen wollte, war diese nach Angaben der Ermittler so verdreckt und vermüllt, dass die Beamten das Gesundheitsamt einschalteten [6].

Die Mittzwanzigerin Denis G. schilderte [7] im Prozess, dass ihr bisheriges Leben aus dem Ruder gelaufen, es oft um Drogen, Alkohol und Sorgerechtsentzug gegangen sei. Sie hatte die Schule nach der 8. Klasse ohne Abschluss verlassen, ihre Ausbildung abgebrochen, mit 13 Jahren schon Alkohol getrunken, mit 14 Drogen genommen, zwei Kinder geboren, zum einen Vater, der das Kind misshandelt habe, keinen Kontakt, der andere saß zeitweise in Haft und soll eine 13-Jährige vergewaltigt [8] haben.

G. war zu OSS-Zeiten mit Markus W. liiert, beide sollen gemeinsam in Tschechien illegale Feuerwerkskörper besorgt haben, etwa um sie zu Nagelbomben umzubauen. Auch W.s Werdegang, schon zu NPD-Zeiten, war schwierig. Berufsausbildungen geschmissen, Hilfsarbeiterjobs, zeitweise inhaftiert [9] und zuletzt im Sicherheitsgewerbe auf Konzerten oder in Asylbewerberunterkünften tätig.

Er ist Vater von drei Kinder von drei verschiedenen Frauen, jedoch ohne jeden Kontakt zu den Kindern oder Müttern, hieß es in Prozessberichten [10]. "Der bullige Glatzkopf redet, als säße er mit Freunden in einer Kneipe. […] Der Angeklagte lässt sich über die ‚verkackte Scheidung‘ von seiner Noch-Ehefrau aus, einmal hebt [der vorbestrafte W.] auch belehrend den rechten Zeigefinger, ‚'ne Therapie hab ich echt nie gebraucht‘. Der Vorsitzende Richter Reinhold Baier hatte nach dem Konsum von Alkohol und Drogen gefragt", berichtete [11] der Tagesspiegel. Andreas H. war Besitzer eines kleinen Malerbetriebs in Augsburg.

Stimmung in der Bevölkerung sollte gekippt werden

W. hatte ausgesagt [12], die OSS sei keine Terrorgruppe gewesen, sondern deren Kommunikation nur eine "virtuelle Daily-Soap-Welt einiger Nationalisten". Andere Angeklagten beteuerten, die geäußerten Gewaltphantasien gegen Migranten, Asylsuchende, Juden und Antifaschisten seien Unfug und Prahlerei gewesen, man habe derlei nie umsetzen wollen.

Allerdings diskutierten die Mitglieder der OSS via Chat nicht nur wichtigtuerisch über Anschläge auf politische Gegner und Asylsuchende, sondern auch solche auf Kindergärten und Kirchen, auf den Kölner Dom oder Einkaufszentren, um sie etwa Linken, Migranten oder Muslimen anzulasten [13].

So sollte die Stimmung in der Bevölkerung gekippt werden, so dass es vermehrt aus Rache zu Übergriffen auf Andersdenkende und Asylsuchende, Muslime und Migranten gekommen wäre. Laut BR [14] schrieb G. in einem Chat unter anderem: "So wie dem Judenpack soll es heute mal den ganzen kriminellen Ausländern gehen. Was weg ist, ist weg. Sieg heil!"

Das Oberlandesgericht München erkannte nun in seinem Urteil mehr als bloße Prahlerei und Wichtigtuerei bei der Führungsriege der rechtsextremen Oldschool Society. Die vier Angeklagten wurden der Bildung einer terroristischen Vereinigung und der Mitgliedschaft in ihr schuldig gesprochen.

Nach Überzeugung des Staatsschutzsenats wollten die Gruppe tatsächlich Anschläge verüben und habe dazu auch bereits Vorbereitungen getroffen, auch wenn sich die Rechtsextremisten nur via Internet kennen gelernt hatten, sich virtuell respektive telefonisch austauschten und sich nur einmal persönlich getroffen hatten. Vor einem zweiten geplanten Treffen im Mai 2015 hatten die Ermittler die OSS mit einer Razzia dann ausgehoben.


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https://www.heise.de/-3654764

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.vice.com/de/article/old-school-society-die-duemmste-terrorgruppe-deutschlands-882
[2] https://www.heise.de/tp/features/Oldschool-Society-dumme-aber-hoechst-gefaehrliche-Rechtsextremisten-3371804.html
[3] http://www.lap-aachen.de/cms/index.php/aktuell/meldungen/205-rechtsterrorismus-oldschool-society-ein-hauptverdaechtiger-stammt-aus-dueren
[4] http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Wie-gefaehrlich-war-die-mutmassliche-Terrorzelle-Oldschool-Society-id33973532.html
[5] https://www.lotta-magazin.de/ausgabe/59/inszeniertes-vorgreifen-vs-verharmlosen
[6] http://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/prozess-oldschool-society-100.html
[7] http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Rechtsextreme-OSS-Angeklagte-Denis-G-schildert-ihr-Leben-id37724767.html
[8] http://www.jungewelt.de/2016/05-10/016.php
[9] https://www.facebook.com/KlarmannMichaelAachen/posts/1432072006821169
[10] https://www.facebook.com/KlarmannMichaelAachen/posts/1315835745111463
[11] http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextreme-oldschool-society-vor-gericht-terrorplaene-via-messenger-und-ein-gruppenbild-bei-facebook/13510454.html
[12] https://www.bnr.de/artikel/hintergrund/virtuelle-oss-terroristen
[13] https://www.zdf.de/politik/frontal-21/old-school-society-diskutierte-anschlaege-100.html
[14] http://www.br.de/nachrichten/oldschool-society-olg-100.html