Oligarch Kolomoiski lässt ukrainisches Pipeline-Unternehmen stürmen
Brüchiger Frieden in der Ost-Ukraine und jetzt auch noch Kräftemessen zwischen Präsident Petro Poroschenko und Oligarch Igor Kolomoiski
Am Sonntag besetzten 40 bewaffnete Männer in grünen Kampfanzügen, Gesichtsmasken und ohne Hoheitsabzeichen in der Kiewer Nesterowsk-Gasse den Firmensitzes des staatlichen Pipeline-Unternehmens Ukrtransnafta. Geleitet wurde die Besetzungs-Aktion von keinem Geringeren als dem Gouverneur des südostukrainischen Gebietes Dnjepropetrowsk, Igor Kolomoiski, dem auch das größte ukrainische Kreditinstitut, die Privatbank, gehört.
Mit der Besetzungsaktion wollte der mehrfache Milliardär Kolomoiski offenbar erzwingen, dass die Absetzung des Vorstandsvorsitzenden von Ukrtransnafta, Aleksandr Lasorko, einem Gefolgsmann des Oligarchen, rückgängig gemacht wird. Der ukrainische Energieminister wirft Lasorko vor, er habe auf unrechtmäßigem Wege Firmen von Kolomoiski mit Öl beliefert. Westliche Wirtschaftsprüfer sollen jetzt die Bücher von Ukrtransnafta prüfen, was Kolomoiski, dem ein großer Teil der Aktien des Unternehmens gehören, offenbar nicht passt.
Das Unternehmen Ukrtransnafta wurde 2001 gegründet. Dem ukrainischen Staat gehören 50 Prozent und eine Aktie des Unternehmens. Ukrtransnafta gehören alle Öl-Pipelines auf dem Territorium der Ukraine, mit einer Länge von insgesamt 3.850 Kilometern (siehe beiliegende Karte). Es handelt sich um Pipelines, die zu ukrainischen weiterverarbeitenden Firmen führen, als auch um Transit-Pipelines, wie etwa ein Teilstück der Pipeline Druschba, die Öl von Russland nach Ost- und Zentraleuropa transportiert.
Die Ukraine steht da, wo Russland in den 1990er Jahren stand
Die Besetzungsaktion in Kiew erinnert an ähnlich hart geführte Auseinandersetzungen zwischen russischen Oligarchen, die sich Ende der 1990er Jahre um die Reste des noch nicht verscherbelten Staatseigentums stritten. Diese mit Korruptionsvorwürfen und Medienkriegen geführten Auseinandersetzungen fanden erst mit dem Machtantritt von Wladimir Putin im Jahre 2000 ein Ende.
Ob der ukrainische Präsident es jetzt seinem russischen Amtskollegen gleichtut, sich gegen die Anmaßungen von Kolomoiski durchsetzt und zum starken Mann der Ukraine wird, muss man jedoch bezweifeln. Zu verfahren ist die Situation in der Ukraine. Zu sehr haben sich die Oligarchen in den letzten zwanzig Jahren schon in Wirtschaft und Staat festgesetzt.
Ob die USA, die auf die Politik in Kiew einen bestimmenden Einfluss haben, stabilisierend wirken können, ist ebenfalls zweifelhaft, denn zu einer Stabilisierung kann es nur kommen, wenn Kiew einen Dialog mit den "Volksrepubliken" in der Ost-Ukraine aufnimmt. Der US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, nahm Kolomoiski Ende letzter Woche ins Gebet, berichtete die Kyiv Post. Der Botschafter gab sich hoffnungsvoll:
He understands, like most of the political leaders of Ukraine, that the circumstances and the environment in Ukraine have changed. And the law of the jungle that existed under Yanukovych is a recipe for disaster and tragedy for Ukraine ... It is not suitable for Ukrainian realities.
Geoffrey Pyatt
Doch Kolomoiski schienen diese Worte nicht zu kümmern. Am Sonntag besetzte er den Firmensitz von Ukrtransnafta erneut mit seinen bewaffneten Leuten.
Am Sonntag war auf Fotos zu sehen, wie die bewaffneten "grünen Männchen" von Kolomoiski, das Pipeline-Unternehmen bewachten. Augenzeugen berichteten, dass die "grünen Männchen" einen Metallzaun um den Sitz der Pipeline-Firma bauten.
Wie sich herausstellte, handelt es sich bei "grünen Männchen" um Mitglieder der von Kolomoiski finanzierten Spezialeinheit Dnjepr-1, die eigentlich nur für das im Südosten der Ukraine gelegene Gebiet Dnjepropetrowsk und für das Kriegsgebiet in der Ost-Ukraine, nicht aber für Kiew zuständig ist.
Oligarch mit sehr großem Appetit
Anfang März 2014, nach dem Staatsstreich in Kiew, wurde Kolomoiski von der neuen Regierung als Gouverneur des Gebietes Dnjepropetrowsk eingesetzt. Doch anstatt die Region zu befrieden, scheint der Oligarch nichts anderes im Sinn zu haben, als seinen wirtschaftlichen Einfluss in der Ukraine zu vergrößern, was unweigerlich zu Konflikten mit anderen Oligarchen und Präsident Poroschenko selbst führt. Am Freitag soll Kolomoiski - wegen des Konfliktes um Ukrtransnafta - gar die Konten von Poroschenko bei der Privatbank blockiert haben, meldeten ukrainische Medien. Die Meldung wurde aber nicht bestätigt.
Schon im Mai letzten Jahres kam Kolomoiski in die Schlagzeilen oppositioneller ukrainischer Internetmedien. Ihm wurde vorgeworfen, er habe den Brandangriff auf das Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014 eingefädelt, um seinen wirtschaftlichen Einfluss auf die Region Odessa auszudehnen. Nach dem Brand im Gewerkschaftshaus wurde ein Gefolgsmann von Kolomoiski, Igor Paliza, Gouverneur des Gebietes Odessa.
Erster Überfall auf das Pipeline-Unternehmen am Freitag
Schon am Freitagabend hatte Kolomoiski, begleitet von bewaffneten Männern, den Firmensitz des Pipeline-Unternehmens gestürmt. Vier Stunden hielt sich der Oligarch am Freitag in ihm auf. Die Wachleute des Unternehmens verhinderten, dass der neuberufene Vorstandsvorsitzende, Juri Miroschnuk - er wurde von Mitgliedern des ukrainischen Geheimdienstes begleitet -, den Firmensitz betreten konnte. Kolomoiski drohte, er habe in Kiew 2.000 Kämpfer, die bereit seien "sein Unternehmen" (gemeint war die staatliche Pipeline-Firma Ukrtransnafta) zu schützen.
Als der Oligarch den Firmensitz des Pipeline-Unternehmens in der Nacht auf Sonnabend schließlich verließ und ihn der Journalist Serhiy Andrushko von Radio Swoboda fragte, was er denn nachts in einem staatlichen Unternehmen mache, verlor der Oligarch die Kontrolle und beschimpfte den Journalisten im übelsten Straßen-Slang.
"Why don't you ask about the corporate raid at Ukrtransnafta? Or how Russian saboteurs got here, huh? Or you are just sitting here with your f**king Radio Liberty and waiting to see Kolomoisky? Why are you sitting here like a wench waiting for her unfaithful husband? Have you shut up already?
Igor Kolomoiski
Weiter polterte der Oligarch, Radio Swoboda sei von Amerika bezahlt und eine "Prostituierte" wie die Partei Swoboda von Oleh Tjagnibok, welche den Einzug ins Parlament verfehlt habe. Kolomoiski erklärte, man habe das Gebäude "von russischen Saboteuren befreit". Dieser Vorwurf richtete sich gegen den neu berufenen Vorstandsvorsitzenden des Pipeline-Unternehmens - Juri Miroschnuk - , dem Kolomoiski - ohne Beweise - Zusammenarbeit mit Russland vorwirft.
Die Beschimpfungen des Oligarchen stießen auf Protest von Abgeordneten der Werchowna Rada. Sowohl Abgeordnete des "Blocks Petro Poroschenko" als auch des "Oppositionsblocks" forderten den Rücktritt des Oligarchen von seinem Gouverneursposten. Präsident Petro Poroschenko sprach gegenüber Kolomoiski eine Rüge aus.