Open Access unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
Seite 2: Flipping als Open-Access-Strategie der Wahl?
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Die oft als Journal Flipping bezeichnete Transformationsstrategie wird auch in einem von Vertretern der Max-Planck-Gesellschaft verfassten Paper als zielführend zur Erreichung eines Höchstmaßes an im Open Access verfügbarer Journalliteratur geschildert. Dies, so wird unter anderem im Abstract des Papers postuliert, sei ohne Mehrkosten für das Wissenschaftssystem möglich: "All the indications are that the money already invested in the research publishing system is sufficient to enable a transformation that will be sustainable for the future."
Die Aussagen des Paper stießen mitunter auf heftigen Widerspruch: Selbst der Verband der Science-Technology-Medicine-Publishers monierte unter anderem methodische Ungenauigkeiten und falsche Annahmen über das aktuelle Aufkommen an Subskriptionsjournalen. David Crotty unkte im Wissenschaftsblog Scholarly Kitchen gar, das Paper sei eher ein Positionspapier als eine wissenschaftliche Untersuchung.
Auch die Ergebnisse einer Analyse von Swan & Houghton aus dem Jahr 2012 sprechen eine andere Sprache, denn die Wissenschaftler kamen damals zu dem Ergebnis, dass bei steigenden Artikelgebühren im Gold Open Access die Ausgaben für diesen sogar über denen des Subskriptionsmodells liegen könnten.
Dass diese Artikelgebühren teils deftig ausfallen, belegen Informationen des in Österreich heimischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der in vorbildlicher Manier Daten über die Zahlung von Artikelgebühren publiziert: Im Jahr 2014 zahlte der Forschungsförderer beispielsweise sage und schreibe 4.667,83 €, um einen Artikel aus einem Subskriptionsjournal des Verlages Taylor & Francis für Open Access freizukaufen. Für Artikel in reinen Gold-Open-Access-Journalen wurden Gebühren von bis zu 3.240 € fällig. Taylor & Francis gehört übrigens zum Konzern Informa, der im vergangenen Sommer für das erste Halbjahr 2015 einen Gewinnzuwachs von 14,2% berichten konnte. Im Jahr 2013 erreichte man gar 35% Gewinnzuwachs.
Die niederländischen Open-Access-Deals zukunftsweisendes Modell?
Wie sich ein Transformationsprozess vom Subskriptionsmodell zu Open Access unter Flipping-Konditionen, sprich der Umwandlung von Subskriptionsjournalen zu Open-Access-Journalen, gestalten kann, erproben derzeit die Niederlande. Ende 2014 traf man dort entsprechende Vereinbarungen mit dem Wissenschaftsverlag Springer. Mit diesem Springer-Deal betrat man fürwahr Neuland, denn der Vertragsabschluss umfasste nicht nur die Subskription bzw. Lizenzierung von 1.500 Journalen des Verlages, sondern auch das Recht niederländischer Wissenschaftler, in dessen Zeitschriften Artikel im Open Access publizieren zu können, ohne Artikelgebühren entrichten zu müssen.
Die Vereniging van Universiteiten (VNSU) betont, dass diese Open-Access-Option nur einen minimalen Anstieg der Ausgaben für das Springer-Paket zur Folge habe. Diese Konstruktion knüpfte erstmals die Möglichkeit zur Open-Access-Publikation an eine bestehende Lizenzierung wissenschaftlicher Inhalte und birgt für niederländische Forscher Vorteile: Hohe Zitationshäufigkeiten werden oft als der Indikator schlechthin für wissenschaftliche Reputation angesehen, und da Open-Access-Werke häufiger als andere Publikationen zitiert werden, profitieren Wissenschaftler des Landes fraglos von der Open-Access-Klausel des Springer-Deals. Allerdings: Eine kostengünstige Open-Access-Option für Einrichtungen, die es sich leisten können, Springer-Zeitschriften zu lizenzieren, kommt einem Rabatt für solvente Institutionen gleich. Wissenschaftler anderer Herkunft müssen Open-Access-Publikationen bei Springer zu Gebühren von 2.200 € zuzüglich Mehrwertsteuer selbst finanzieren.
Deals dieser Art können so als Fortschritt bei der Verbreitung des Open Access gesehen werden oder aber auch als Kunstgriff zum Erhalt des Subskriptionsmodells, der zudem ein finanzielles Moment der Ungleichheit in den Open Access trägt. In jedem Fall erlauben es solche Vereinbarungen den großen Wissenschaftsverlagen wie Springer, dem Gebot des Open Access zu folgen ohne ihre Gewinne schmälern zu müssen. Die am wissenschaftlichen Publikationsmarkt vorhandenen Konzentrationseffekte (Wissenschaftsjournale: Konzentration, Karriere und Kommerz) dürften sich bei Verfolgung des Flippings fortsetzen und die Marktmacht der Big Player des Publikationswesens, Elsevier, Wiley-Blackwell, Springer und Taylor & Francis, weiter stärken.
Am 10.12.2015 gab die VNSU zudem bekannt, mit dem umstrittenen Verlag Elsevier eine ähnliche Abmachung wie bereits mit Springer getroffen zu haben. Die bestehenden Subskriptionen für Elsevier-Zeitschriften bleiben erhalten, im Gegenzug können niederländische Wissenschaftler ohne zusätzliche Kosten in einer Auswahl an Elsevier-Journalen Artikel im Open Access publizieren. Die Konditionen der Übereinkunft liegen - und das nährt Skepsis - im Verborgenen, in einer Question & Answer-Datei, einer Art Selbstinterview des VNSU zum Agreement, heißt es trocken:
Q: Can you give us an indication of the size of the Big Deal contract in euros?
A: No, we do not comment specifically on the financial agreements that are involved in this agreement because it is, of course, sensitive competitive information.
Open Access im Jahr 2016: Eher ein Geschäftsmodell als eine Revolution?
Während man sich in der Schweiz vor Gericht darum bemüht, Ausgaben für Subskriptionszeitschriften publik zu machen (Spenden für die Transparenz an Hochschulen), scheint es so, dass die Open-Access-Konferenz Berlin 12 intransparente Flipping-Strategien, deren Kosteneffizienz strittig erscheint, als das zu präferierende Mittel zur Erreichung von Open Access propagierte. Skeptiker wie Richard Poynder haben nicht die schlechtesten Argumente, wenn sie argwöhnen, dass die Entwicklung des Open Access Gefahr läuft, unter Geheimhaltung gesteuert zu werden.
Die Einladungs- und Dokumentationsstrategie der Berlin 12 sowie die niederländischen Übereinkünfte mit den Verlagen Springer und Elsevier, die als Exempel der anlässlich von Berlin 12 wohl intensiv diskutierten Flipping-Modelle dienen, machen weiterhin eines deutlich: Vierzehn Jahre nach der ersten öffentlichkeitswirksamen Open-Access-Erklärung, der Budapest Open Access Initiative von 2002, sind nicht nur die Akteure im Publikationswesen die gleichen wie zuvor, auch ihre Rollen sind unverändert.
Offensichtlich tritt die idealistische Open-Access-Romantik zusehends in den Hintergrund, die glaubte, mit der Idee des offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Werken eine Revolution des wissenschaftlichen Publizierens auslösen zu können. Dies mag auch daher rühren, dass Open Access in seinen Anfängen ein Anliegen der Wissenschaftler war, die schlicht schnellen, effektiven und unkomplizierten Zugriff auf wissenschaftliche Informationen wollten, um den wissenschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen. Geschäftsmodelle und Gewinnmargen waren nicht von Interesse, da man davon ausging, eine Online-Publikation sei quasi zu Nullkosten möglich.
Heute hingegen wird Open Access maßgeblich von anderen Akteuren definiert und verhandelt: Etwa von kommerziellen Wissenschaftsverlagen, denen Umsätze wichtiger sind als wissenschaftlicher Fortschritt, und Forschungsförderern sowie Wissenschaftsorganisationen, die eine möglichst weite Verbreitung der von ihnen geförderten oder betriebenen Forschung wünschen und daher teils dem Motto zu folgen zu scheinen, ein Mehr an Gold Open Access sei ohne Einschränkung immer ein Erfolg - egal zu welchem monetären oder ideellen Preis, wie etwa dem Verlust der Transparenz.