Operation Harakiri: Wer wird gegen Trump antreten?
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Demokraten und liberale Medien fordern nach der Desaster-Debatte Biden zum Rückzug auf. Es ist ein historisches Ereignis. Wohin steuert der amtierende US-Präsident?
Seit der TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Joe Biden in den USA vor einer Woche habe ich bereits vier E-Mails vom Wahlkampfteam Biden erhalten. In der letzten, die am Donnerstag um 0 Uhr gesendet wurde, heißt es in der Überschrift: "Joe Biden is IN".
Vor Kurzem trafen sich Präsident Biden und Vizepräsident Harris zu einem Videocall mit dem Wahlkampfstab und beendeten alle Spekulationen der Experten über seine Zukunft. Er bleibt im Amt. Er ist der Anführer der Demokratischen Partei. Wenn wir mit ihm zusammenarbeiten, wird er nicht nur gewinnen, sondern wir werden in diesem Herbst auf allen Wahllisten Demokraten wählen.
Den "Fallout" unter Kontrolle bringen
Dass ich diese Mails überhaupt bekomme, liegt wohl daran, dass ich als Auslandskorrespondent in den USA gearbeitet habe. Doch warum kontaktiert mich die Partei, das Demokraten-Wahlkampfteam, plötzlich nach über zehn Jahren zum ersten Mal, und das mit einem Spendenaufruf?
Es scheint, als ob das Biden-Team eine große, über das übliche hinausreichende Mailaktion gestartet hat, um den "Fallout" des Desaster-Auftritts ihres Kandidaten irgendwie noch in Schach zu halten. Die Frage ist allerdings: Kann und sollte Biden überhaupt weitermachen?
Aus allen Richtungen, von den liberalen Medien, Wahlbeobachtern, politischen Kommentatoren und auch aus der eigenen Partei, ist mit Erschrecken wahrgenommen worden, dass Biden offensichtlich nicht fähig ist, seine politischen Vorstellungen im Schlagabtausch mit Trump darzulegen und ihm Kontra zu geben. Nicht selten murmelte er Unverständliches vor sich hin, konnte Sätze nicht vervollständigen, war politisch nicht auf der Höhe und brachte Dinge durcheinander.
Das große Abrücken
US-Medien, die den Demokraten nahestehen, veröffentlichten umgehend Aufrufe an Biden, als Kandidat für das Präsidentenamt zurückzutreten. Die New York Times überschrieb ihren Leitartikel am letzten Freitag mit "Um seinem Land zu dienen, sollte Präsident Biden das Rennen verlassen".
Der Kolumnist der Washington Post, David Ignatius, schrieb einen Artikel mit dem Titel: "Warum Biden die Wahrheit nicht akzeptiert hat, die für alle sichtbar war". Und David Remnick von The New Yorker schrieb in seinem Artikel "Die Abrechnung mit Joe Biden":
Wenn [Biden] der Kandidat der Demokraten bliebe ..., wäre das nicht nur ein Akt der Selbsttäuschung, sondern auch der nationalen Gefährdung. ... [D]ie Behauptung, dass seine guten Tage zahlreicher sind als die schlechten, die Unvermeidlichkeit der Zeit und des Alterns zu ignorieren, riskiert nicht nur sein Vermächtnis – es riskiert die Wahl.
Bei The Nation titelt man: "Biden gegen Trump antreten zu lassen, ist schlichtweg unverantwortlich".
Verzweifelte Schadensbegrenzung
Biden versucht bei öffentlichen Auftritten gegen diese immer lauter werdenden Stimmen, die den Demokraten und keineswegs dem Trump-Lager nahe stehen, die Katastrophe herunterzuspielen und als einen Ausrutscher abzutun. Doch das gelingt nicht und wirkt wenig überzeugend angesichts des seit Längerem zu beobachtenden körperlichen und geistigen Abbaus des US-Präsidenten.
Die New York Times veröffentlichte am Dienstag einen Artikel, in dem es heißt, dass Bidens Berater, die ihn hinter verschlossenen Türen getroffen haben, berichten, dass er zunehmend verwirrt oder lustlos wirke oder in Gesprächen den Faden verliere. Am selben Tag berichtete Reuters, dass mindestens 25 demokratische Kongressabgeordnete eine Rücktrittsforderung an Biden vorbereiten.
Die ersten Mitglieder des Repräsentantenhauses haben die Forderung bereits öffentlich ausgesprochen. Der demokratische Parlamentarier im US-Kongress, Lloyd Doggett aus Austin, Texas, sagte auf CNN.
Ich denke, wir wären besser dran, wenn wir einen neuen Kandidaten hätten, der eine neue Vision für unser Land präsentieren könnte. Und das können wir tun, wenn wir in den nächsten Wochen einen offenen und fairen demokratischen Prozess haben.
Rebellion bei den Demokraten
Andere Demokraten schlossen sich Doggett an oder distanzierten sich von Biden, während sie ihre Unterstützung für die Vizepräsidentin Kamala Harris artikulierten, sollte sie an die Stelle Bidens treten.
Selbst die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärte, dass Bidens Leistung in der Debatte die berechtigte Frage aufwerfe: "Ist dies eine Episode oder ist es ein Zustand?"
Gestern meldete Bloomberg mit Hinweis auf einen leitenden Parteifunktionär, dass "Dutzende" demokratische Kongressabgeordnete nun erwägen, die Aufforderung an Biden zu unterzeichnen, als Kandidat zurückzutreten.
Zugleich vermeldet die New York Times, dass der US-Präsident einem engen Vertrauten gesagt haben soll, dass er überlegt, ob er im Rennen bleiben soll – das bisher stärkste Anzeichen dafür, dass er nach seinem katastrophalen Auftritt bei der Debatte letzte Woche aussteigen könnte.
Danach sei Biden durchaus besorgt, dass seine Kandidatur in Gefahr sei und er das Rennen aufgeben müsse, wenn er sein Image nicht retten könne.