zurück zum Artikel

Opfer der Automatisierung

Quelle: Frey & Osborne, The Future of Employment (2013)

Studie prophezeit: 47 Prozent aller Jobs stehen vor dem Aus

Eine kürzlich als Working Paper [1] der Oxford Martin School [2] veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, das 47 Prozent aller Jobs in den USA sehr wahrscheinlich in naher Zukunft der Automatisierung zum Opfer fallen werden. Die Prognose beruht auf der Analyse der Merkmale von gegenwärtigen Arbeitsplatzbeschreibungen, die es wahrscheinlich machen, dass die betreffenden Tätigkeiten in naher Zukunft von Robotern oder Computern übernommen werden können.

McDonald's Europa hat dieses Frühjahr 7.000 Touchscreen-Computer bestellt, die nach und nach die Arbeit von Kassierern und Kassiererinnen übernehmen [3] sollen. Amazon gab 2012 die Übernahme des auf die Herstellung von Lagerrobotern spezialisierten Unternehmens Kiva Systems bekannt, dessen Fabrikate bald wohl anstelle menschlicher Arbeitskräfte in den Warendepots des Versandhändlers herumkurven werden. Ähnlich Foxconn: Bereits 2011 kündigte [4] der taiwanesische Technik-Großkonzern an, in nächster Zukunft eine Million Roboter anzuschaffen, um damit Arbeitsplätze zu ersetzen.

Nicht nur im Billiglohn-Bereich jedoch sind laut neuester Prognosen Jobs von der Automatisierung bedroht, sondern auch im Mittelstand. Buchhalter, Anwälte [5], Personalentwickler und Dozenten müssen sich Sorgen machen, wie Frank Rieger und Constanze Kurz aktuell in ihrem Buch Buch Arbeitsfrei, Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen werden zeigen [6]. Algorithmen sind für einen Großteil der Aufgaben, die in diesen Bereichen anfallen, besser geeignet als Menschen. In den US-Städten Baltimore und Philadelphia setzt [7] man etwa auf Software, um eine Einschätzung zu erlangen, welche Strafgefangenen bei vorzeitiger Entlassung aus der Haft mit hoher Wahrscheinlichkeit rückfällig werden - Minority Report lässt grüßen.

Neue Welle der Automatisierung

Neben Fortschritten in Robotik und Algorithmendesign spielt vor allem Big Data eine tragende Rolle in der neuen Welle der Automatisierung. Wie dies funktioniert, lässt sich gut am Beispiel automatisierter Fahrsysteme beobachten. Den letzten großen Innovationssprung bei der Entwicklung von selbstgesteuerten Autos machten die Ingenieure bei Google mit der Einbindung von dreidimensionalen Karten und anderen Umweltdaten in das Navigationssystem der Fahrzeuge. Damit konnten die Anforderungen an die systemeigenen Sensoren entscheidend reduziert und das autonome Auto erst ermöglicht.

Zur Erinnerung: Noch 2004 hatten Frank Levy und Richard Murnane es in ihrem weit beachteten Buch "The New Division of Labor: How Computers are creating the next Job Market" mit Berufung aus Erkenntnissen des DARPA-Wettbewerbs [8] ausgeschlossen, dass das fahrerlose Auto in naher Zukunft möglich sein würde.

Trumpf der menschlichen Arbeit in Zukunft: Empathie und Verhandlungsgeschick

Nun also die Studie [9] der Oxford Martin School. Die neue Prognose beruht auf der Annahme, dass bestimmte Tätigkeiten leichter, andere schwerer durch Maschinen ersetzbar sind. Zur letzteren Gruppe wurden Arbeiten gezählt, die unter anderem Feintuning mit der Hand oder mit dem Finger erfordern, Originalität, Empathie, Verhandlungsgeschick oder Überzeugungskraft.

Für die Beurteilung der Berufe wurde eine Simulation entwickelt, die mit subjektiven Einschätzungen und mit vorhandenen Daten bezüglich der Variablenanalyse für die einzelnen Berufe trainiert wurde. Als Variablen wurden unter anderem Berücksichtigt: der Grad, indem Feintuning mit der Hand oder mit dem Finger gebraucht wird; Originalität; Empathie, Verhandlungsgeschick und Überzeugungskraft.

Mit Hilfe einer eigens entwickelten Computersimulation wurde anschließend eine Liste von 903 Berufen auf die Wahrscheinlichkeit der hin Automatisierung analysiert. Die folgende Grafik fasst die Ergebnisse zusammen:

Die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung steigt von links nach rechts. Auf der Y-Achse (vertikal) ist angezeigt, welchen Anteil eine Berufskategorie für die Beschäftigtenzahlen insgesamt hat. Die Grafik kann auch als Zeitachse interpretiert werden. In diesem Fall muss sie von rechts nach links gelesen werden: In einer ersten Welle werden demnach Arbeiter im Logistik- und Transportbereich ersetzt, zusammen mit Büro- und Verwaltungsanstellten. Nach einer längeren Ruhephase folgt dann eine zweite Welle der Automatisierung, von der Tätigkeiten im Bildungswesen, im Gesundheitsbereich und im Management erfasst sind.

Die Ergebnisse wurden außerdem mit Daten zu Gehältern und Qualifikation verglichen. Das Ergebnis: Insgesamt zeigt sich eine deutliche Korrelation zwischen Automatisierungs-Risiko auf der einen Seite und Gehalt und Qualifikation auf der anderen. Jene Berufe, die am unwahrscheinlichsten der Computerisierung zu Opfer fallen, verzeichnen die höchsten Gehälter und gehen auch mit der höchsten Qualifikation einher. Das Gegenteil gilt für Berufe mit hohem Automatisierungs-Risiko.

Nicht berücksichtigt wurden in der Studie Wechselwirkungen, die sich aus dem Zusammenspiel von Gehaltsniveau und Automatisierung ergeben könnten: Dort, wo die Gehälter höher sind, lohnt es sich schließlich besonders, in Technologien zur Personaleinsparung zu investieren - was auf der anderen Seite aber auch zur Folge haben könnte, dass die Gehälter in diesen Bereichen sinken (was wiederum Investitionen in Technologie weniger attraktiv machen würden). Nicht berücksichtigt wurde außerdem die Zinsentwicklung, die gleichfalls aus unternehmerischer Sicht für Investitionen in Technologie relevant ist.

Top-Ten der am meisten gefährdeten Berufe

Die Studie präsentiert die Ergebnisse auch aufgeschlüsselt in Form einer Rangliste:

  1. Verkäufer am Telefon
  2. Überprüfer von Grundbucheinträgen beim Immobilienkauf
  3. Kanalisationsarbeiter
  4. Mathematischer Techniker
  5. Überprüfer von Versicherungsanträgen
  6. Uhrenreparateur
  7. Fracht-und Güterverkehr-Agent
  8. Steuer-Buchhalter
  9. Fotografische Prozessbearbeitung
  10. Abwicklung von Bankkonto-Eröffnungen

Die Top-10 der sichersten Berufe

  1. Freizeittherapeut
  2. Top-Level Supervisor für Mechaniker und Installateure und Werkstätten
  3. Leiter Unfall-Notaufnahme
  4. Sozialarbeiter für geistige Gesundheit und Drogenmissbrauch
  5. Audiologe
  6. Ergotherapeut
  7. Orthopädietechniker und Prothesenfertiger
  8. Sozialarbeiter im Gesundheitswesen
  9. Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg
  10. Top-Level Supervisoren für Brandbekämpfung und -Prävention

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3362342

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.futuretech.ox.ac.uk/sites/futuretech.ox.ac.uk/files/The_Future_of_Employment_OMS_Working_Paper_1.pdf
[2] http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/
[3] http://www.express.de/panorama/neues-bestellsystem-mcdonald-s-fuehrt-wartenummern-ein,2192,23856182.html
[4] http://news.xinhuanet.com/english2010/china/2011-07/30/c_131018764.htm),
[5] http://www.nytimes.com/2011/03/05/science/05legal.html
[6] http://www.heise.de/tr/artikel/Algorithmen-uebernehmen-unsere-Jobs-1980213.html
[7] http://www.wired.com/threatlevel/2013/01/precog-software-predicts-crime/
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/DARPA_Grand_Challenge
[9] http://www.futuretech.ox.ac.uk/sites/futuretech.ox.ac.uk/files/The_Future_of_Employment_OMS_Working_Paper_1.pdf