Ost-West-Gefälle: Leerstand von Wohnungen bis zu zehn Prozent in Ostdeutschland

Christoph Jehle
Türklingeln ohne Namen auf den Schildern

In Deutschland stehen 1,9 Millionen Wohnungen leer. Besonders betroffen ist der Osten. Doch warum bleiben die Wohnungen in manchen Regionen ungenutzt?

Hohe Wohnkosten werden in Deutschland zu einem wachsenden Problem. Die Mietpreise bei Neuvermietungen, jedoch auch bei bestehenden Mietverträgen sind vor allem in den Großstädten und Ballungsräumen stark gestiegen.

In ländlichen, stark agrarisch geprägten, wirkt sich die starke Mechanisierung der Landwirtschaft inzwischen massiv auf den Arbeitskräftebedarf aus und sorgt mit einer Abwanderung vorwiegend der jüngeren Bevölkerung dafür, dass Wohnraum frei wird.

Die Nachfrage nach Wohnraum ist aufgrund des Verlust an Arbeitsplätzen jedoch überschaubar. Viele der inzwischen nur noch schwach besiedelten Landstriche besitzen jedoch einen Vorteil, der bislang noch nicht erschlossen wird. Da Industriebrachen bei der Nutzung durch Erneuerbare als Vorranggebiete gelten, sind dort viele Windkraftanlagen gebaut worden.

Die dadurch möglichen niedrigeren Preise für Strom können jedoch nicht so einfach an die Endkunden weiter gegeben werden, da für Deutschland bislang nur eine Strompreiszone gilt. Für eine Änderung dieser Situation müsste die EU den Widerstand der freistaatlichen bayerischen Landesregierung aus CSU und Freien Wählern überwinden.

Mikrozensus ermöglicht Überblick über die Mietsituation in Deutschland

Die Daten der aktuellen Gebäude- und Wohnungszählung stammen aus dem Mikrozensus 2022, der auf amtlichen Registern und der Befragung von zwölf Prozent der Bevölkerung zu verschiedenen Themenbereichen basiert. Laut Statistischem Bundesamt sind bei der Gebäude- und Wohnungszählung 24,2 Millionen Meldungen zu Wohnimmobilien eingegangen.

Rund 23 Millionen Eigentümer erteilten Auskünfte zu ihren Immobilien, ebenso wie rund 8.000 Wohnungsunternehmen. Mit der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022 lag erstmals seit 2011 wieder eine Vollerhebung leer stehender Wohnungen in Deutschland vor.

Trotz Wohnungsmangel standen demnach 1,9 Millionen Wohnungen zum Erhebungsstichtag 15. Mai 2022 leer, das ist jede 23. Wohnung. Mit einem Anteil von 55 Prozent wurde über die Hälfte der leerstehenden Immobilien seit mehr als einem Jahr nicht mehr bewohnt.

Deutschlandatlas zeigt regionale Leerstände

Der von vier Bundesministerien angebotene Deutschlandatlas bildet deutlich ab, wo sich die Leerstände ballen. Das sind vielfach periphere oder verkehrsmäßig schlechter erschlossene Regionen.

Nur etwas mehr als ein Drittel der leer stehenden Wohnungen sollte in den nächsten drei Monaten nach dem Zensus bezugsfertig sein. In Hamburg, Bremen und Berlin waren die jeweiligen Anteile dieser schnell verfügbaren Wohnungen mit 52 bis 61 Prozent deutlich höher.

Es zeigt sich somit deutlich, dass höher verdichtete Gebiete grundsätzlich auf ein größere Nachfrage stoßen gegenüber eher ländlich strukturierten Regionen. Dennoch fällt in den Ergebnissen auf, dass zum Stichtag beispielsweise allein in Berlin mehr als 40.000 Wohnungen und in München mehr als 20.000 leer standen.

Für knapp jede vierte leere Wohnung, das entspricht etwa 700.000 Wohnungen, waren Baumaßnahmen oder Sanierungen geplant. Ein Abriss war nur bei vier Prozent der leer stehenden Wohnungen geplant. Sieben Prozent sollten verkauft oder von den Eigentümern selbst genutzt werden.

Für jede fünfte leer stehende Wohnung wurden "sonstige Gründe" genannt. Solange ein Wohnungsleerstand in Regionen mit hoher Nachfrage nicht zu einer erhöhten steuerlichen Belastung führt, ist nicht damit zu rechnen, dass der spekulative Leerstand beendet werden kann.

Deutscher Immobilienmarkt gespalten

Die hohen Leerstände zeigten, dass der Immobilienmarkt gespalten sei. Während es in den Ballungszentren enormen Wohnungsmangel gibt, stehen in vielen ländlichen Regionen Immobilien leer. Von den Leerständen ist besonders Ostdeutschland betroffen, wo es teilweise Leerstände von mehr als zehn Prozent gibt.

Aber auch in Westdeutschland trifft es die Eifel, Franken oder das Saarland. In Franken schlägt immer noch die traditionelle Benachteiligung gegenüber der bayerischen Metropolregion um München durch.

Die Gründe für einen Wohnungsleerstand sind unterschiedlich. So benötigen Angehörige nach einem Todesfall oft zunächst Zeit, um Erbfragen zu regeln. Teils seien Eigentümer auch mit der Neuvermietung überfordert oder haben kein Geld für die notwendige Sanierung.

Für energetisch nicht sanierte Wohnungen wird es mit steigenden marktgetriebenen CO2-Abgaben zudem immer schwieriger, weil ihre Kaltmiete zwar günstig sein mag, die Nebenkosten aufgrund von EU-Vorgaben jedoch absehbar steigen werden.

Wie angespannt der Wohnungsmarkt in Deutschland tatsächlich ist, zeigt sich am deutlichsten im Vergleich der Angebotsmieten zu den Bestandsmieten. Was sich an den Daten deutlich ablesen lässt, ist die Tatsache, dass in vielen Metropolen die Mietpreisbremse umgangen wird. So sieht man anhand der inzwischen verfügbaren Daten, dass die Mieten in Städten wie München, Berlin oder Frankfurt am Main, in denen die Mietpreisbremse gilt, besonders stark gestiegen sind.

Dazu und zur regional ungleichen Verteilung der Mietbelastungen gibt es inzwischen neue Befunde. So ist die Belastung seit ungefähr 2005 annähernd konstant, aber ungleich verteilt. Die einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushalte zahlen rund ein Drittel ihres Einkommens für Miete, während einkommensstarke Haushalte nur etwa ein Fünftel aufbringen müssen.

Sowohl Einpersonenhaushalte als auch Alleinerziehende werden durch die Wohnungsmieten überdurchschnittlich belastet. Hier zeigt sich ein deutliches West-Ost-Gefälle. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person ist ein weiterer Indikator zur Beschreibung der Wohnsituation in Deutschland. Hier stammen die neuesten verfügbaren Daten allerdings von 2014.