Outlet-Center als künstliche Shopping-Dörfer
- Outlet-Center als künstliche Shopping-Dörfer
- Kulissenarchitektur
- Smart Shopper für Tagesausflüge gesucht
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Bei Neumünster will ein britischer Investor ein Shopping-Dorf mit 100 Läden bauen, bei Soltau ist eine solche Freiluft-Mall schon genehmigt. Die umliegenden Kleinstädte fürchten die Verödung ihrer Ortskerne
Einkaufen ist heutzutage ein Event, Shopping wird zelebriert. In den modernen Shopping-Malls wird der Einkaufsbummel zum halbtäglichen Familienausflug. Unweit der norddeutschen Stadt Neumünster will nun ein britischer Investor die Menschen aus den umliegenden Dörfern, vor allem aber aus Hamburg, in ein potemkinsches Shopping-Dorf locken und damit den nächsten Schritt bei der Virtualisierung der Einkaufswelten gehen. Auf einem 80.000 Quadratmeter großen Grundstück sollen 100 Markenartikel-Läden entstehen. Während in den Innenbereichen eine Stahlträgerkonstruktion den modularen Aufbau mit Gipskarton erlaubt, sind die Fassaden zweistöckig-norddeutschen Fachwerkhäuschen nachempfunden. Die oberen Etagen existieren allerdings nur als kernlose Hülle, sie sind nicht begehbar. Die mutierte Modellbauwelt will über das bekannte Modell der sogenannten Factory Outlet Center (FOC) hinaus gehen und in erster Linie Mode-Luxusmarken anbieten. Das benachbarte Rendsburg sucht den Bau vor Gericht zu verhindern.
Der sperrige Begriff des "Hersteller-Direktverkaufszentrum" konnte sich nie so recht etablieren, um sich von den Fabrikverkaufsodor zu befreien wurde schon vor einigen Jahren ein neuer Begriff für diese Art des Vertriebs kreiert: Designer Outlet Center (DOC). In Deutschland existieren zur Zeit elf DOC beziehungsweise FOC (darunter bei Wertheim, Ingolstadt, Wolfsburg, Zweibrücken und Wustermark bei Berlin, dazu die gewachsenen Geschäftsansammlungen in Metzingen, Herzogenaurach und Ochtum bei Bremen).
Weitere Projekte haben bereits eine Baugenehmigung erhalten: Nach Jahre währenden Rechtsstreit setzte sich die Stadt Soltau gegen die Mitbewerber aus Bispingen und Bad Fallingbostel und gegen die Klagen der benachbarten Gemeinden wie Lüneburg durch. Die Eröffnung soll im Frühjahr 2012 erfolgen. Auch dieses Center wäre mit dem Auto innerhalb einer Stunde von Hamburg aus erreichbar.
Im rheinland-pfälzischen Montabaur kann ebenfalls bald billig geshoppt werden, die Stadt wird in der Nähe der A3 ein FOC ansiedeln. Hier hatten die Nachbarstädte ebenfalls geklagt. Das Oberverwaltungsgericht sah die zu erwartende Umsatzverteilung für die jeweiligen Städte unterhalb der sogenannten "Erheblichkeitsschwelle" von 10 % liegen. Dies ist der gesetzlich festgelegte Rahmen, innerhalb dess umliegende Städte Umsatzeinbußen akzeptieren müssen. Der Grenzwert ist schwer zu berechnen, denn wie viele Einwohner kaufen ihre neue Jeans aufgrund eines nahe gelegenen Outlets nicht mehr beim Einzelhändler im Ort?
Lange Zeit wurden viele der geplanten Outlets verhindert. In Bayern, wo man stolz auf seine kleinteiligen Infrastrukturen ist, konnten sich lange keine Freiluft-Malls etablieren. Das Ingolstadt Village wurde in der Presse als "Dammbruch" bezeichnet. Die Betreiber des Berliner Centers sprechen in einem Interview in der Bauwelt generös von einem "Lernprozess", in dem sich Deutschland gerade befände.
Die befürchtete, und in vielen Kleinstädten Deutschlands schon lange Realität gewordene Verödung der Fußgängerzonen ist ursächlich nicht mit der Ansiedlung von Outlets im Umland verbunden. Vielmehr sind verfehlte Standort- und Verkehrspolitik, mangelnde Kaufkraft, Abwanderung in die Großstädte und weitere Faktoren Schuld daran, dass viele Einkaufsstraßen den Charme einer leeren Schuhschachtel ausstrahlen.
Nicht die Outlets waren die ersten auf der Grünen Wiese vor der Stadt, sondern die Groß-Supermärkte. Diese sorgten früh dafür, dass die Kunden beim Kaufmann im Ort fehlten. So schließt Laden auf Laden, unter solchen Umständen ist der Bürgermeister froh, wenn sich wenigstens ein Textil-Discount ansiedelt, was die Attraktivität des Standortes weiter nach unten schraubt.
Egal ob Einzelhändler oder Kette: Wer im Ortskern neu eröffnen will, der muss sich meist mit Bestandsimmobilien rumschlagen, deren Grundriss oft überhaupt nicht zum Vorhaben passt. Dem Angebot eines Outlet-Center-Betreibers, auf das nahe Brachland ein virtuelles Dorf zu stellen, kann dann schon allein aus fiskalischen Gründen kaum jemand widerstehen. Zudem entstehen neue Arbeitsplätze. Die kontinuierliche Verbreitung der Center wird nicht nur das Einkaufsverhalten, sondern auch die Landschaften mitsamt ihrer Infrastruktur noch einmal neu verändern. Aus Einkaufszentren werden Freizeiteinrichtungen.