Oxfam-Studie: Klimakollaps ohne soziale Wende unaufhaltbar
Anteil der Reichen an Kohlendioxid-Emission steigt erneut deutlich. Nicht "Überbevölkerung", sondern exzessiver Konsum des oberen Prozent treibt die Erderwärmung an
Das reichste Prozent der Weltbevölkerung wird laut einer Prognose der Entwicklungshilfsorganisation Oxfam im Jahr 2030 Pro-Kopf-Emissionen verursachen, die 30-mal höher liegen als das globale Pro-Kopf-Niveau, das nötig wäre, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Der CO₂-Fußabdruck der ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung liege um ein Vielfaches unter diesem Niveau, heißt es in dem Papier.
Das ist umso bemerkenswerter, als die drei von Oxfam definierten Einkommensgruppen zueinander eine immense Spannbreite aufweisen: Im Jahr 2030 bräuchte man ein Jahreseinkommen (ausgedrückt in der Kaufkraftparität von 2011) von mehr als 172.000 US-Dollar, um zu dem reichsten Prozent zu gehören; mehr als 55.000 Dollar, um zu den reichsten zehn Prozent zu gehören; mehr als 9.800 US-Dollar, um zu den mittleren 40 Prozent zu gehören; oder weniger als 9.800 US-Dollar, um zur ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung zu gehören.
Der Unterschied zwischen den sogenannten CO₂-Fußabdrücken der fast 700 Millionen Menschen, die mit einem Jahresverdienst von weniger als 700 US-Dollar in "absoluter Armut" leben und den Superreichen 0,01 Prozent dürfte dabei noch sehr viel frappierender ausfallen, wird aber von der Studie nicht abgebildet.
Ihr klares Ergebnis: Ohne radikale Veränderung wird bereits in weniger als einem Jahrzehnt das obere Prozent einen noch größeren Anteil an den globalen Gesamtemissionen haben als zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Pariser Klima-Abkommens.
Die Bekämpfung der extremen Ungleichheit und die Eindämmung der übermäßigen Emissionen durch Konsum und Investitionen der reichsten Menschen der Welt sind laut Oxfam entscheidend, um das Pariser Ziel noch zu erreichen.
Nafkote Dabi, Klimasprecherin von Oxfam, erläuterte hierzu:
Eine kleine Elite scheint einen Freifahrtschein für die Umweltverschmutzung zu haben. (…) Allein die Emissionen der wohlhabendsten zehn Prozent könnten dazu führen, dass wir in den nächsten neun Jahren das vereinbarte Limit überschreiten. Dies hätte katastrophale Folgen für einige der am stärksten gefährdeten Menschen auf der Erde, die bereits mit tödlichen Stürmen, Hunger und Not konfrontiert sind.
Wie aus der Oxfam-Studie erneut hervorgeht, ist die menschengemachte Klimakrise nicht auf eine "Überbevölkerung" des Planeten zurückzuführen: Sie ist vielmehr das Ergebnis der übermäßigen Emissionen der Reichsten.
Oxfam fordert daher, dass "die Klima- und die Verteilungskrise gemeinsam angegangen werden" müssten.
Dazu gehörten "sowohl Maßnahmen zur Einschränkung des luxuriösen Kohlenstoffverbrauchs wie Megayachten, Privatjets und Raumfahrt als auch zur Begrenzung klimaintensiver Investitionen wie Aktienbesitz in der fossilen Brennstoffindustrie".
Auf die Frage, wie das genau im Kapitalismus, also in einer auf stetiges Wachstum angewiesen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, vonstattengehen kann, bleiben die Autoren der Studie eine Antwort schuldig. Immerhin rufen sie aber ins Gedächtnis, dass ohne soziale Gerechtigkeit alle Bemühungen, den Klimakollaps zu verhindern, ins Leere zu laufen drohen.
Emily Ghosh, Wissenschaftlerin am Stockholmer Umweltinstitut und Co-Autorin der Studie resümiert:
Unsere Forschung zeigt, wie wichtig es ist, eine gerechtere Verteilung des verbleibenden und schnell schrumpfenden globalen Kohlenstoffbudgets sicherzustellen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die krassen Ungleichheiten bei Einkommen und Emissionen innerhalb der Weltbevölkerung bestehen bleiben.
Die Analyse der Kohlenstoff-Ungleichheit müsse dringend in den Mittelpunkt der Bemühungen der Regierungen zur Emissionsreduzierung gestellt werden.