PFAS an deutschen Küsten: Wenn die Gischt zur Gefahr wird

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Die Gefahr lauert im malerischen Meeresschaum an Nord- und Ostsee. Greenpeace fand dort extrem hohe Werte giftiger PFAS-Chemikalien. Was bedeutet das für Urlauber und Strandbesucher?
Trinkwasser und landwirtschaftliche Produkte sind in vielen Regionen mit PFAS kontaminiert. Jetzt trifft es auch die Wanderer an der Küste, wo sich zeigt, dass auch die Gischt PFAS enthält. Ist unsere Gesundheit der Preis für unseren Wohlstand?
Über Flüsse gelangt PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) ins Meer. Und von dort wieder zurück an Land. Untersuchungen von Greenpeace haben hohe bis sehr hohe PFAS-Werte im Meeresschaum an den deutschen Nord- und Ostseestränden zutage gefördert. Unter den an den Küsten gefundenen PFAS-Substanzen sind mit den PFOS auch Stoffe, deren Produktion in Deutschland seit zehn Jahren verboten ist.
Das Küstenidyll zeigt seine hässliche Fratze
An Stränden der Nord- oder Ostsee gehören die Schaumberge, die sich hauptsächlich dort bilden, wo die Wellen auf den Strand treffen, zu den malerischen Idyllen, in welchen häufig Kinder spielen und Hunde herumtollen.
Das könnte bald der Vergangenheit angehören, denn hier wurden hohe Gehalte an PFAS im Meeresschaum gemessen. Diese auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnete Chemikaliengruppe aus toxischen Fluorverbindungen gilt als so hochproblematisch, dass es Bestrebungen gibt, sie über die europäischen Chemikalienagentur ECHA möglichst umfassend verbieten zu lassen.
Kürzlich sorgten Messungen in Dänemark und den Niederlanden mit sehr hohen PFAS-Konzentrationen im Meeresschaum schon für Aufmerksamkeit in den Nachbarländern. Greenpeace führte dann in den vergangenen Wochen vergleichbare Messungen auch an den deutschen Küsten durch. Gemessen wurde an mehreren bekannten Badeorten, unter anderem auf den Inseln Sylt und Norderney oder an der Ostsee bei Boltenhagen und Kühlungsborn.
Die nach wissenschaftlichen Vorgaben durchgeführten Analysen decken sich mit den Ergebnissen aus Dänemark und den Niederlanden. Auch hierzulande wurden im Meeresschaum PFAS-Konzentrationen von bis zu 160.000 Nanogramm pro Liter gefunden. Der dänische Grenzwert für Badegewässer liegt bei 40 Nanogramm. Der Wert für den deutschen Meeresschaum lag somit fast 4.000-fach darüber.
In Deutschland gibt es keine Grenzwerte für PFAS im Meerwasser
In der Bundesrepublik malt die Lobby von Chemie und Maschinenbau bislang erfolgreich den Teufel an die Wand, dass eine Einschränkung der PFAS-Nutzung beiden Industriezweigen den Boden unter den Füßen entziehen würde.
Daher gibt es auch hierzulande keine Grenzwerte und wenn die Industrie die PFAS-Produktion einstellen will, läuft der bayerische Wirtschaftsminister beinahe Amok und auch andere Politiker übernehmen die Warnungen der Chemieindustrie. Dass bedrohte Arbeitsplätze die Gesundheit schlagen, hat in diesem Land keinen Neuigkeitswert mehr.
An fast allen gemessenen Orten fanden die Greenpeace-Wissenschaftler PFAS-Konzentrationen von mehreren 10.000 Nanogramm pro Liter. Am höchsten waren die Messergebnisse im Ostseebad Kühlungsborn mit 160.000 ng/l, gefolgt von Sylt mit 96.000 und Sankt Peter-Ording mit 58.000.
Auch in Boltenhagen an der Ostsee und Norderney an der Nordsee lagen die PFAS-Gehalte deutlich über 10.000 ng/l. Deutsche Grenzwerte für PFAS in Meeresschaum oder Badewasser gibt es nicht. Würde man für PFAS-Grenzwerte jetzt die neue Trinkwasserverordnung zurate ziehen, wären maximal 100 Nanogramm pro Liter erlaubt.
Zahlreiche PFAS-Verbindungen stehen im Verdacht, Krebs auszulösen
PFAS werden weder in der Umwelt noch im menschlichen Organismus abgebaut. Sie reichern sich somit immer weiter an. Und PFAS findet man heute in menschlichen Blutproben fast überall auf der Welt. Bislang gibt es keine Möglichkeiten, PFAS wieder aus dem menschlichen Körper zu entfernen. PFAS sollen für Krankheiten wie Krebs, Leberschäden oder Störungen des Hormonsystems verantwortlich sein.
Da die Struktur der PFAS-Produkte als Betriebsgeheimnis gehandelt wird, wurde auch GenX eher zufällig im Trinkwasser von Altötting gefunden.
Inzwischen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in seinem Urteil bestätigt, dass die Gruppe der GenX-Chemikalien, die zu den ewigen Chemikalien zählen, in der EU zu Recht als besonders besorgniserregend eingestuft wird. Damit hat der EuGH dem Chemieunternehmen Chemours eine Absage erteilt.
Greenpeace Deutschland warnt vor verstärkter PFAS-Exposition
PFAS im Meeresschaum am Strand erhöhten die Exposition des Menschen gegenüber den giftigen Chemikalien, da der Schaum direkt mit der Haut in Berührung komme, als Aerosol eingeatmet oder sogar versehentlich verschluckt werden könne, insbesondere von Kindern, die mit dem Schaum spielen.
Strandbesucher sollten daher den Kontakt mit Meeresschaum grundsätzlich vermeiden und darauf achten, dass Kinder und Haustiere nicht mit ihm in Berührung kommen. Dies stellte der Greenpeace-Untersuchungsleiter Julios Kontchou fest.
Da die deutsche Politik künftig mehr Wert auf die Erhaltung und den Ausbau des Industriestandorts Deutschland legen will, können die Hoffnungen, dass die zusätzliche PFAS-Belastung hierzulande reduziert wird, wohl mit der Wahl im Februar beerdigt werden.
Wirtschaft schlägt Gesundheit, wird dann wohl das unveröffentlichte Motto einer künftigen Bundesregierung lauten. Deutschland wird wohl weiterhin zu wenig unternehmen, um eine weitere Ausbreitung von PFAS zu vermeiden.