PFAS schwächt Impfschutz bei Kindern dramatisch
PFAS-Chemikalien sind allgegenwärtig. Sie reichern sich im menschlichen Körper an und werden kaum abgebaut. Besonders alarmierend: Sie können den Impfschutz von Kindern zerstören.
Die Langlebigkeit und Giftigkeit von PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) waren der Grund dafür, dass das Umweltbundesamt zusammen mit anderen Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen Anfang 2023 einen Vorschlag zur EU-weiten Beschränkung von PFAS bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht hat. Die Organisation ChemSec bezifferte den Markt für PFAS 2022 auf 26 Milliarden Euro.
Es geht dabei um mehr als 10.000 verschiedene Stoffe, die jetzt möglicherweise verboten werden, weil sie gesundheitsgefährdend sind und der Einzelne aufgrund der weiten Verbreitung in Trinkwasser und Lebensmittel faktisch nicht davor schützen kann.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der EU, dass eine derart gewaltige Stoffgruppe auf einen Schlag beschränkt werden soll. Die Europäische Chemikalienagentur (Echa) will den Vorstoß voraussichtlich bis 2027 bewerten.
Im Rahmen des "Forever Pollution Projects" wurden an 23.000 Standorten in ganz Europa Kontaminationen mit PFAS gefunden. Erste Stoffe aus dem PFAS-Bereich wurden inzwischen verboten. Derzeit ist allerdings noch unklar, ob die Ersatzstoffe letztlich noch gefährlicher sind.
Warnungen aus Industrie und Politik
Die Absicht der Echa, PFAS zu regulieren, stößt auf einen erheblichen Widerstand aufseiten der PFAS-Anwender. Mit der 3M-Tochter Dyneon und dem belgischen Hersteller Solvay ziehen jedoch zwei Hersteller, die für über 50 Prozent der Produktionskapazität für Fluorpolymere hierzulande verantwortlich sind, die Konsequenzen aus der anstehenden Regulierung sowie den Strafzahlungen in den USA.
Neben der Industrie, die davor warnt, dass mit der PFAS-Regulierung durch die Echa auch der Green Deal der EU gefährdet sei, weil dadurch die Entwicklung grüner Technologien beeinträchtigt würde, lassen sich inzwischen auch Teile der Politik für eine Blockierung der PFAS-Regulierung gewinnen.
Immuntoxische Effekte durch Reach nicht systematisch geprüft
Immer deutlicher wird, dass mit der Einführung von PFAS in den späten 1940er-Jahren eine zunehmende Gesundheitsbelastung einhergeht. Diese Entwicklung hatte schon vor Jahren dazu geführt, dass der damalige Chemieriese DuPont sein PFAS-Geschäft unter dem Namen Chemours ausgliederte.
Offensichtlich sahen die US-amerikanischen Konzernlenker, dass sie mit ihrer PFAS-Innovation die Büchse der Pandora geöffnet hatten und wollten die nach US-Recht möglichen Risiken enormer Schadensersatzforderungen vermeiden.
Neben den im Zusammenhang mit der anstehenden Echa-Regulierung vorgebrachten Gesundheitsrisiken sind inzwischen weitere bekannt geworden. PFAS schwächen etwa die Immunabwehr, vorwiegend bei Kindern, was zu einer Häufung von Infektionen führt. Durch die Herabsetzung des Impfschutzes werden inzwischen auch Krankheiten wie Röteln, Tetanus und Diphtherie häufiger.
Vor etwa zehn Jahren sind Forscher um den Umweltmediziner Philippe Grandjean von der University of Southern Denmark in Odense eher zufällig auf das Impfproblem bei PFAS gestoßen. Sie stellten fest, dass die Gehalte an Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) mit dem Vorhandensein von weniger Antikörpern nach einer Impfung bei Kindern einhergingen.
Zuvor war den Behörden noch nichts Vergleichbares aufgefallen. Auch standen immuntoxische Effekte im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung Reach bislang nicht im Fokus. Effekte auf die Körperabwehr von Neugeborenen und Kindern können bislang nur in Studien erkannt werden, die mehr als eine Generation überspannen und deshalb lange dauern.
Neben den in der EU inzwischen verbotenen PFOA und PFOS wurde inzwischen auch für weitere PFAS Immunschädigungen nachgewiesen. Dazu zählen PFDA (Perfluordecansäure), PFNA (Perfluornonansäure) und PFHxA (Perfluorhexansäure).
Mittlerweile scheint die Datenlage eindeutig. Zuletzt wurden in einer Metaanalyse 14 Studien zusammengefasst, die allesamt die Belastung mit fünf PFAS mit der Zahl der Antikörper nach Impfung in Beziehung setzten. Bei den Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Röteln schwanden die Antikörper, je mehr PFAS im Blut waren. Bei Röteln zeigte sich der Effekt sogar in allen Altersgruppen, nicht nur bei Kindern.
Es scheint definitiv nicht so, dass nur das Immunsystem von Kindern durch PFAS gestört wird. Gunda Herberth vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Department Umweltimmunologie, hat inzwischen eine neue Methode entwickelt, um die Wirkung der PFAS auf isolierte menschliche Immunzellen direkt im Labor zu testen und dabei auf Tierversuche zu verzichten.
Sie ließ dafür einen Mix aus sechs unterschiedlichen PFAS in Zusammensetzungen und Mengen, wie sie in der Umwelt allgegenwärtig sind, 20 Stunden auf die Zellen einwirken. Die PFAS dämpften signifikant die Aktivität der T-Zellen.
T-Zellen gelten als wichtig, um die Körperabwehr gegen Krankheitserreger zu aktivieren, denn sie sorgen für die Produktion von Antikörpern. Daher verwundert es nicht, wenn durch PFAS geschwächte T-Zellen weniger Impfschutz bereitstellen. Es besteht darüber hinaus auch die Gefahr, dass aufgrund der geschwächten T-Zellen auch Krebserkrankungen begünstigt werden.
Wie lässt sich die PFAS-Belastung im privaten Umfeld reduzieren?
Während der Bürger kaum Einfluss auf die durch die Industrie in seinem Umfeld verursachte PFAS-Belastung hat und so mancher Trinkwasserlieferant beim Thema PFAS-Belastung eher schweigt, gibt es einen Bereich, in welchem der Bürger vergleichsweise einfach Vorsorge treffen kann, denn an Hausstaub kann sich PFAS binden und beim Essen und Atmen vom Körper aufgenommen werden. Regelmäßig saugen und feucht wischen kann die Belastung reduzieren.