Pakistan: Aus diesem Chaos erwächst nichts Neues

Seite 2: Orwell'sches Denken

Wenn in einem Moment der Unachtsamkeit ein Wort der Wahrheit fällt, ist der Shitstorm garantiert. Munir Akram, Pakistans UN-Botschafter, war wohl nicht auf dem Stand der eigenen "Political Correctness" als er am 1. Februar bei einer Unterrichtung Folgendes zum Ausschluss afghanischer Mädchen und Frauen von Schulen und Universitäten sagte:

Die von der afghanischen vorläufigen Regierung verfügten Beschränkungen sind nicht so sehr religiös begründet sondern entstammen mehr der eigentümlichen kulturellen Perspektive der Kultur der Paschtunen, die verlangt, dass Frauen zu Hause bleiben müssen. Das ist die seit Jahrhunderten unveränderte eigentümliche, distinktive, kulturelle Realität Afghanistans.

Damit hat Akram völlig recht, doch dafür bekam er umgehend besonders von Vertretern der Paschtunen Pakistans über die sozialen Medien verbale Prügel. Er hätte die besondere kulturelle Perspektive einer kleinen Minderheit gemeint, berichtigte er seine Aussage. Wenn man nur will oder es muss – dann kann man es auch so sehen.

Eine fast ausweglose Abwärtsspirale

Es wiegt schwer, dass es gegenwärtig nicht einmal ansatzweise eine Alternative gibt. Der Geist von Staatsgründer Mohammad Ali Jinnah, einem aufgeklärten, weltoffenen Muslim, der kein religiöses Land gründen wollte, hat sich völlig verflüchtigt.

Eine fortschrittliche, moderne Werte vertretende Opposition wie in Indien, der Türkei oder selbst in Iran gibt es nicht. Die letzten linken Politiker wurden in den 1970er-Jahren von Militärdiktator Zia-ul Haq ins Gefängnis gesteckt.

Wer heute moderne Werte vertritt, dem droht nicht nur Staatsverfolgung, sondern der Volkszorn durch radikale Mullahs oder gleich die Taliban. Politik, Wirtschaft und soziale Beziehungen drehen sich um ethno-tribale Netzwerke, die rigide von oben nach unten auf bedingungslose Loyalität aufgebaut sind. Gegen diese Netzwerke kommt kein Individuum an, wer zu keinem gehört, ist verloren. Das macht sie – wie im Rest der Welt – so stark. Und so sind eben auch die Parteien, wie oben erwähnt, im Prinzip austauschbar und es steht nie eine Alternative zur Wahl.

Die letzte wirklich andere Partei war tatsächlich Zulfiqar Ali Bhuttos Pakistan People's Party in den 1970er-Jahren. Sie scheiterte jedoch komplett an der Realität. Und selbst das Militär gehört in Pakistan nicht zu den modernen, sondern den reaktionären Kräften.

Wie tief das Land noch sinken muss, bis es endlich zur Besinnung kommt, kann niemand sagen. "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch" dichtete Friedrich Hölderlin – vielleicht woanders, aber nicht in Pakistan.