Pakistan: Die unverzichtbare Armee als Mühlstein
Seite 3: Fragwürdige Analysen und Strategien
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Das Vorgehen von Armee und ISI ruht häufig auf fragwürdigen Annahmen. Wenn im Kriegsfall mit Indien Afghanistan als Rückzugsgebiet mit "Strategic Depth" dienen soll: Zieht man die Afghanen so auf seine Seite?
Afghanistan ist nicht aus Solidarität mit Indien skeptisch gegenüber Pakistan - die Afghanen waren es schon immer. Pakistan befürchtet die Umklammerung durch Indien. Doch genau die pakistanische Strategie treibt Afghanistan in dessen Arme. Warum soll eine Regierung aus Taliban (Paschtunen) in Kabul per se kooperativer sein?
Das frühere Königshaus war paschtunisch und hegte für Pakistan so wenig Sympathien wie jedes andere Regime in Kabul. Als fatalste Fehlannahme stellt sich heraus, dass Verantwortliche in Pakistan glauben in der Lage zu sein, militante muslimische Extremisten in Afghanistan und Indien einsetzen zu können, ohne selbst Opfer zu werden. Entsprechend wurden auch die eigenen Opfer als durch den "Erfolg" legitimiert gewichtet.
Auf lange Sicht wird sich vermutlich nichts so rächen wie die Strategie, im Inland Stämme, Parteien und Konfessionen aufeinander zu hetzen, um als Vermittler und Behüter der Nation aufzutreten.
Der wahre Stabilität
Die pakistanische Armee hat eine stabilisierende Funktion nach innen. Sie ist so eng mit der Elite der Zivilgesellschaft verwoben, so dass sie sich, selbst wenn sie es wollte, nicht in einem absehbaren Zeitraum von einigen Jahren in die Kasernen zurückziehen und nur noch die Aufgaben normaler Verteidigungsstreitkräfte übernehmen könnte.
Langfristig wird dies schädlicher als die außenpolitischen Abenteuer. Sie zementiert einen sozialen Status Quo, den sich nicht einmal die Oberschicht auf Dauer leisten kann. Neben dem hoffnungslosen Fall Afghanistan ist Pakistan das gesellschaftlich rückständigste Land Asiens, mit besorgniserregenden Entwicklungs-Indizis (Human Development Index) und einer Spaltung, die man sonst nur von Indien kennt.
Bedenklich ist das Schicksal der Frauen, die unter Umständen leben, wie sie in allen muslimischen Ländern Asiens außer Afghanistan verschwunden sind. Dadurch haben die beiden Länder weit überdurchschnittlich hohe Geburtenraten und können gleichzeitig ihren neuen Bürgern fast nichts bieten. Global kann Afghanistan ignoriert werden, nicht aber Pakistan.
Das Land steht, wenn es um Bevölkerungsreichtum geht, weltweit an sechster Stelle. Seit der Unabhängigkeit hat sich die Zahl versechsfacht. Sie steuert auf 300 Millionen im Jahr 2040 und 350 Millionen im Jahr 2054 zu. Für diese Menschen wird es kaum das Nötigste zum Überleben geben, geschweige denn Krankheitsvorsorge, Bildung, Arbeit und Zukunftsperspektiven.
Trotz tiefer Armut und Ungerechtigkeit gibt es keine sozialen Bewegungen; eine progressive Partei hat das Land nie erlebt. Alles lastet auf Netzwerken der sozialen Gruppen, auf den Stämmen (die teilweise bis heute extrem feudal sind) und Verwandtschaftsverflechtungen. Die Elite ist sich keines Handlungsbedarfs bewusst, obwohl die antiquierte Sozialstruktur ausgedient hat. Das bedeutet Umverteilung, das wollen weder die Elite noch die Armee.
Die Armee wird nicht die Prozesse anstoßen, die die Gesellschaft modernisieren. Eine Armee kann die Rolle des sozialen und politischen Vorreiters übernehmen. Jene Pakistans gehört zur reaktionären Sorte, die soziale Verhältnisse festigt - stabilisiert.
Sie wird auf lange Zeit der entscheidende Faktor bleiben und ihr Möglichstes tun, um unentbehrlich zu erscheinen. Für sie ist Premierminister Narendra Modi die ideale Besetzung des indischen Widerparts.
Das letzte Land, das noch einen nennenswerten positiven Einfluss auf Pakistan hat, ist China.