Pakistan: Generäle und Establishment als Strippenzieher

Seite 2: Die Armee hat das Sagen

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Für viele Kinder in Pakistan heist es Arbeit statt Schule. Foto: Gilbert Kolonko

Zur Erinnerung: In der 6-köpfigen Untersuchungskommission, die in ein paar Wochen mehr Belastendes gegen Nawaz Sharif zusammentrug als der Oberste Gerichtshof - was schließlich die Absetzung Sharifs zur Folge hatte -, saßen zwei Geheimdienstler. Ohne einen guten Draht zu den Generälen wäre es Malik Riaz unmöglich, sein Imperium von Smart Citys aufzubauen. Immerhin besitzt die Armee 12 Prozent der kultivierbaren Fläche Pakistans - darunter viel Land in der fruchtbaren Gegend des Süd Punjabs.

Auch einige der 50 wirtschaftlichen Unternehmungen, die die pakistanische Armee unterhält, sind mit der Bharia Town Foundation von Malik Riaz verknüpft. Normalsterbliche Pakistaner haben gegen die Clique des Establishments keine Chance, zumal alle Armee-Unternehmungen als Wohlfahrtsorganisationen deklariert sind, deshalb kaum Steuern zahlen müssen und keine Bilanzen vorzulegen haben.

Zur Clique gehören auch die Sharifs, aber dass sich Nawaz verbal in die Außenpolitik einmischte und dazu die Unterstützung der Armee für Terrororganisationen kritisierte, konnte nicht ungestraft bleiben. Der pakistanische Premierminister hat eine Strohpuppe zu bleiben, die Armee hat das Sagen. Dies versucht das Establishment auch weiterhin Imran Khan klar zu machen. Mit immer neuen Anzeigen wird ihm signalisiert, man könne sogar verhindern, dass er bei den Parlamentswahlen 2018 überhaupt antreten kann.

Schon bei seinem Marsch auf Islamabad ließen die Generäle Khan im Regen stehen, obwohl sie ihm ihre Unterstützung signalisiert hatten. Für Korruption unanfällig, besitzt Khan eine weitere Eigenschaft, die ihn für die Generäle gefährlich macht: Unbelehrbarkeit. Knapp ein Dutzend Menschen aus Khans Umfeld klagten mir gegenüber, dass "dieser Kerl einfach keine Fehler eingestehen" könne und taub gegen Ratschläge von Experten sei. Genau das macht Khan jedoch unberechenbar, obendrein soll er auch noch Ideale besitzen.

Brain Drain

Auch der bis zu 28 km lange Attabadsee im konnte die Chinesen nicht aufhalten. Foto: Gilbert Kolonko

Das Perfide am pakistanischen Establishment: Es ist ihm herzlich egal, dass Khan die letzte Hoffnung für Millionen junger gebildeter Pakistaner ist, und stirbt diese Hoffnung, dann wird der Brain Drain in Pakistan massenhaft einsetzen. Dass dieser Brain Drain schon vonstatten geht, bestätigte diese Woche die Regierung mit einer Erfolgsmeldung: Die Zahl der "ausländischen Touristen" in Pakistan habe sich seit 2013 verdreifacht.

Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei diesen Touristen um Pakistaner mit einem ausländischen Pass handelt, die Verwandte besuchen. So überrascht die Verdreifachung nicht, denn der "Run out of Pakistan" hat schon begonnen. An einem einzigen Tag in Delhi-Paharganj sieht man übrigens mehr ausländische Touristen, als während drei Monaten in ganz Pakistan.

Die pakistanische Elite lebt in einer abgeschotteten Welt mit riesigen Villen, Auslandsdomizilen und Höflingen, die selbst die ehemaligen britischen Kolonialherren vor Scham erröten lassen würden. Mit Zweitwohnungen für ihre verwöhnten Sprösslinge, die mehr als 20 Zimmer haben und reichlich Dienstpersonal, obwohl der Nachwuchs meist in der weiten Welt herumtingelt. Dass 42 Prozent der Bevölkerung offiziell als Analphabeten gelten (vermutlich sind es wesentlich mehr, da jemand schon als alphabetisiert gilt, sobald er seinen Namen schreiben kann) und ein Drittel unterhalb der Armutsgrenze lebt, ist den superreichen Familien und Generälen völlig egal.

Spannend ist augenblicklich nicht die Frage, wen Nawaz Sharif als Nachfolger beim Militär durchdrücken kann - ihm ist übrigens als Zeichen des guten Willens gestattet worden, das Amt des Parteiführers seiner PML-N weiterhin auszuüben. Seine Tochter Maryam wird in spätestens einem halben Jahr für jedes öffentliche Amt verbrannt sein, sie ist den Generälen einfach zu unverfroren und ambitioniert. So wird es wohl Shahbaz Sharif werden, da in der Außenpolitik unerfahren und ohne Ambitionen.