"Pandemie der Ungeimpften": Ein Trugschluss und seine verheerenden Folgen

Hand wehrt Impfung ab

Bild: Nao Novoa, Shutterstock.com

Enthüllungen: Behauptung einer "Pandemie der Ungeimpften" nicht haltbar. Doch was folgt daraus? Eine kritische Analyse.

Wegen der veröffentlichten RKI-Protokolle gibt es nun beinahe eine Debatte über die auch in Deutschland aufgestellte Behauptung, schuld am Fortgang der Pandemie seien im Jahr 2021 die "Ungeimpften" gewesen.

Dazu diskutierte die Welt unter der Überschrift: "Die Gewinner des Tages sind für mich die Ungeimpften der Corona-Zeit". Hans Ulrich Jörges fordert dort, Herr Spahn solle sich wegen seiner Äußerung über eine "Pandemie der Ungeimpften" entschuldigen.

Die Tagesschau fand indes Erklärungen für die einstige ministerielle Schuldzuweisung. Der aktuelle Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mutmaßte:

Dieser Text erschien zuerst auf der Substack-Seite von Petra Erler.

Petra Erler ist Geschäftsführerin der Strategieberatung European Experience Company GmbH. 1990 war sie nach den ersten freien Wahlen in der DDR Staatssekretärin für Europäische Angelegenheiten. Von 2006 bis 2010 war sie die Kabinettschefin von EU-Kommissar Günter Verheugen.

Nicht erst wegen der RKI-Protokolle kommt nun heraus: Auch das RKI wusste, dass die "Pandemie der Ungeimpften" wissenschaftlich nicht haltbar war.

Das RKI gab Woche für Woche Berichte heraus. Wer die regelmäßig las, wusste, dass der Bundesminister der Gesundheit damals nicht die Wahrheit sagte. Wer sie heute erneut liest, weiß, dass auch der aktuelle Bundesminister sie offenbar nicht kennt.

Im Herbst des Jahres 2021 bevölkerten in der Altersgruppe 60+ "Geimpfte und Ungeimpfte" zunehmend einträchtig die Intensivstationen. Damals starben absolut mehr "Geimpfte", relativ betrachtet häufiger "Ungeimpfte".

Wieler hatte Bedenken

Tatsächlich hatte der damalige RKI-Chef Lothar Wieler, wie aus einer der neu veröffentlichten E-Mails des RKI hervorgeht, intern schon am 14. Juni 2021 Gesprächsbedarf angemeldet. Die Impfwirkungen schwanden, neue Virus-Varianten traten auf. Die Gefahr einer Immunflucht zeichnete sich ab. (vgl. Punkt 1.3., Punkt 1.5. und Punkt 2 dieser E-Mail).

Petra Erler ist Politologin.

Das heißt, dass der Chef des RKI frühzeitig bemerkte, dass die versprochene Beendigung der Pandemie durch Impfungen nicht klappen würde. Nur zur Erinnerung: Im Dezember 2020 hatte die WHO "wissenschaftlich" versprochen, durch Corona-Impfungen würde Herdenimmunität erreicht.

Einsichten ohne Folgen

Aber was hat Herr Wieler bzw. das RKI mit diesen Einsichten gemacht? Ist er zum Minister gegangen und hat seine wissenschaftlichen Vermutungen vorgetragen? Ist er zu den Medien gegangen? Hat er gehofft, dass andere den Mund aufmachen würden?

Herr Wieler ist nicht der Einzige in diesem Land, der wissenschaftliche Veröffentlichungen lesen und internationale Daten deuten kann. Es gibt sehr viele Experten, die sich mit den diversen Facetten einer Pandemie fachlich gut auskennen.

Sie haben nur eine kleine Schwäche, die sie mit sehr vielen anderen Menschen teilen: Sie glauben gerne, was sie glauben wollen, und sie werden sehr schweigsam, wenn eine vorherrschende Meinung und wissenschaftliche Fragen miteinander kollidieren.

Es gab Ausnahmen

Es gab und gibt Ausnahmen. Im November 2021 erschien beispielsweise in der Fachtzeitschrift Lancet ein Artikel von Professor Günter Kampf, der nachwies, dass die Behauptung von der "Pandemie der Ungeimpften" wissenschaftlich nicht haltbar war.

Hat das zu einem größeren medialen Interesse oder zu seriösen politischen Diskussionen geführt? Ich kann mich nicht erinnern, dass dem so gewesen wäre.

Als erster Regierungschef der Welt setzte offenbar US-Präsident Biden die Behauptung von der "Pandemie der Ungeimpften" in die Welt und hat sie in der Folge in verschiedenen Variationen wiederholt.

Joe Bidens Intervention

Gestützt auf die "Wissenschaft" erklärte er am 5. Juli 2021, Geimpfte seien zu 98 Prozent sicher vor dem Virus und würden sich nicht infizieren. Falls aber doch, dann nur ausnahmsweise, und sie würden sehr wahrscheinlich nicht sterben.

Der Fortgang der Pandemie wurde den "Ungeimpften" in die Schuhe geschoben, weil man nicht das Rückgrat und den politischen Willen hatte, einzuräumen, dass das ursprüngliche Impfversprechen gescheitert war. Stattdessen wurden "Ungeimpfte" zu Verweigerern der Herdenimmunität und zum gesellschaftlichen Ballast für das Gesundheitswesen erklärt.

Die Frontstellung gegen Ungeimpfte

Kurzum, an diesem asozialen Geschmeiß, so die boshafte Logik, lag es allein, dass die Gesellschaft ihre Freiheit nicht wiederbekam. Je nach wechselnden Impfvorgaben traf das "Ungeimpfte", "Genesene" oder auch "nur" Grundimmunisierte, aufgrund der G-Regeln zudem Familien mit älteren Kindern.

Wirklich logisch war das Postulat einer "Pandemie der Ungeimpften" nie. Wenn die Impfungen so gut funktionierten, wie behauptet, warum musste man dann auf dem unwilligen Rest der Bevölkerung so herumtrampeln? Das Problem würde sich in dem Fall doch biologisch erledigen, oder?

Eine Veröffentlichung im British Medical Journal im Jahr 2022 erinnerte daran, wie sich die pandemiepolitischen Ansagen im Zeitverlauf änderten: Erst ging es um den Schutz der Verletzlichsten, dann um die Herdenimmunität, und schließlich um die Entlastung der Intensivstationen bzw. die Vermeidung von Corona-Toten.

Aus der Herdenimmunität wurde „hybride“ Immunität, aus zwei Piksen die Strategie „Impfen, Impfen, Boostern, Boostern“. Omikron hat trotzdem so ziemlich alle erwischt. Gleichwohl wurde weiter über Impfzwänge fabuliert, und partiell wurden sie auch durchgesetzt.

Medizinisch-ethisch betrachtet hat jeder Mensch das Recht, über jede medizinische Intervention frei zu entscheiden. Man darf als Krebserkrankter etwa eine Chemotherapie ablehnen, auch gegen dringenden ärztlichen Rat. Man darf künstliche Ernährung verweigern … In der Pandemie sollte das alles nicht mehr gelten.

Im RKI-Protokoll vom 22. 10. 2022 wurde unter Punkt 3 „Impfen“ das ganze Dilemma recht deutlich angesprochen: Impfungen seien „ein schwieriges Thema“. Wird die Wirkung der Impfung nun überschätzt oder unterschätzt? Es gäbe praktisch keine immunologisch „naiven“ Personen mehr – sprich: Das Coronavirus war in Gestalt der Omikron-Varianten durch das Land gefegt und hatte ohne Rücksicht auf den Impfstatus massenhaft infiziert.

Nunmehr, im November 2022, verstarben an/ mit Covid in der Altersgruppe 60+ immer noch mehr „Ungeimpfte“ und „Grundimmunisierte“ im Verhältnis zum jeweiligen Bevölkerungsanteil. Das Gleiche galt allerdings fortan auch für Personen mit zwei „Auffrischimpfungen“.

Erst verschlafen, dann überschätzt

Alles begann damit, dass im Jahr 2020 erst die Pandemie verschlafen und dann die Gefährlichkeit des Virus für die Allgemeinheit komplett überschätzt wurde. Viel später und hunderte Millionen US-Dollar reicher, räumte Bill Gates das ein.

Hinzu kam ein womöglich durch Hollywood-Märchen entstandener Wunderglaube, sich aus der Pandemie herausimpfen zu können.

Nicht wie bei Spanischer Grippe

Frei nach dem Motto: Wir sind nicht mehr – wie im Fall der Spanischen Grippe – den Launen eines Virus ausgeliefert. Unsere wissenschaftlichen Kapazitäten sind viel besser. Wir wehren uns und wir siegen in diesem "Krieg" (Macron) gegen das Virus.

Bestimmte Pharma-Konzerne haben das nicht nur gerne gehört, sondern die gesellschaftliche Sehnsucht nach Erlösung von dem Übel aktiv befördert.

Nur der CEO von Merck blieb besonnen

Eine löbliche Ausnahme war der Vorstandsvorsitzende von Merck. Der warnte im August 2020 vor übersteigerten Hoffnungen auf die Impfung als Ausweg aus der Pandemie.

So etwas brauche lange, müsse rigoros wissenschaftlich getestet werden. Es habe auch in der Vergangenheit schon Impfstoffe gegeben, die zwar Erfolg versprechend ausgesehen, aber keine Immunität erzeugt hätten.

Wer wollte das damals hören? Die neue westliche Wunderwaffe hieß mRNA – eine revolutionäre Technologie, die nie zuvor für eine massenhafte Verwendung erprobt worden war. Das, was die Chinesen und Russen zusammengebraut hatten, wurde naserümpfend betrachtet. Das war allenfalls die zweite Klasse im Hochgeschwindigkeitszug Richtung Pandemieende.

Die Rolle des British Medical Journals

Im British Medical Journal warnte Peter Doshi im Oktober und November 2020 vor der zurechtgeschusterten klinischen Studie von Pfizer, die nicht aussagefähige wissenschaftliche Endpunkte hatte und die Effizienz der Impfstoffe übertrieb. Später wiesen er und andere nach, dass bereits in dieser klinischen Studie die Sicherheitsprobleme der Impfstoffe aufschienen. Es hat nur niemanden interessiert.

Dem Heilsversprechen der Hersteller wurde nahezu blind vertraut und eine Sicherheit propagiert, die wissenschaftlich nicht bestand.

Meines Erachtens bleibt die vorläufige Zulassung der mRNA-Impfstoffe anhand der spärlich vorliegenden Daten und ihr späterer massenhafter Einsatz der eigentliche wissenschaftliche oder auch politische Skandal.

Impfversprechen wurden nicht eingehalten

Auch wenn man sich dieser Sichtweise nicht anschließt, ist es eindeutig, dass das Impfversprechen (die Impfungen seien sicher und effizient, sie würden Infektion und Übertragung verhindern) keine solide wissenschaftliche Basis hatte. Nicht einmal der vorläufige Zulassungsbericht der medizinischen Agentur der EU, EMA, gab das her.

Die Gefahr, die das Virus speziell für Hochbetagte und für Menschen mit verschiedenen Vorerkrankungen darstellt, legitimiert den Einsatz von neuen Impfstoffen.

Mangelhafte Aufklärung

Aber nur, wenn allen klar ist, dass es sich dabei um ein Experiment handelt, bei dem man nicht so genau weiß, wie es läuft. Es ist und bleibt rechtlich anstößig und ethisch verwerflich, wenn man bei Medizinprodukten nicht vollständig aufklärt.

Die Allgemeinheit hatte das Recht zu erfahren, was alles unklar war in Bezug auf die Impfstoffe, was nicht geprüft und nicht nach menschenmöglichem Ermessen auszuschließen war. Aber so lief es nicht.

Gleichwohl gibt es kein breites Interesse an einer Aufarbeitung der Pandemiepolitik. Weil eine Pandemie ein äußerst traumatisches Erlebnis ist, das offenlegt, wer wir sind, wie wir handeln. Unter außergewöhnlichen Umständen trennt sich die Spreu vom Weizen am ehesten.

Ist doch alles gutgegangen?

Weil das so ist, ist es einfacher, sich immer wieder neu zu versichern, es sei doch alles in allem relativ gut gegangen und entschuldigend vorzutragen, dass man es leider nicht besser wusste. Das erspart, sich den Spiegel vorzuhalten und das eigene Handeln zu hinterfragen. Jeder war dabei und erinnert sich und möchte doch alles hinter sich lassen.

Die Tagesschau führte 2024 mit Wieler ein Interview und stellte folgende Frage: „Wir haben eine starke Polarisierung der Gesellschaft in der Pandemie erlebt. Gruppen, die nicht faktenbasiert Impfungen infrage gestellt haben -– oder andere Corona-Maßnahmen. Hätten Sie sich das vorher so drastisch vorgestellt?

Leitmedien ohne Selbstkritik

In der Frage lag bereits die Schuldzuweisung. Wer Impfungen oder andere pandemiepolitischen Maßnahmen infrage stellte, agierte nicht „faktenbasiert“.

Herr Wieler antwortete darauf: "Dass es so spalterisch und intensiv wird, hätte ich nicht gedacht. Aber es wird solche Tendenzen immer geben. Es gibt Menschen, die bewusst Fehlinformationen streuen. Es ist schwer, dagegen anzugehen. Dem kann man nur fachlich kompetente, unaufgeregte Sachlichkeit gegenüberstellen."

Die Gesprächsführung bekräftigte, dass alles nur an „Fehlinformationen“ lag. Die Frage ist nur, wer hier fehlinformierte, genauer gesagt wer mit „kompetenter und unaufgeregter Sachlichkeit“ schwieg.

Die politisch ausgerufene „Pandemie der Ungeimpften“ hat in vielen Ländern der Erde tiefe Wunden geschlagen. In der Fachzeitschrift Nature erschien im Jahr 2023 eine Studie über wechselseitige Stigmata. Danach waren „Ungeimpfte“ schlimmer diskriminiert als Zuwanderer aus dem Nahen und Mittleren Osten, die gemeinhin ein bevorzugtes Ziel von diskriminierenden Einstellungen sind.

Vorurteile gegen Ungeimpfte

In den meisten Ländern waren die Vorurteile eindeutig verteilt: Geimpfte fühlten sich Ungeimpften moralisch überlegen. Nur in zwei Ländern, den USA und Deutschland gab es auch, wenn auch sehr viel weniger stark ausgeprägt, die umgekehrte Stigmatisierung. In nur zwei der untersuchten Länder, Ungarn und Rumänien, kam es nicht zur Polarisierung.

Japan war nicht Gegenstand der Untersuchungen. Denn dort hatte die Regierung ausdrücklich jede Diskriminierung nach Impfstatus untersagt.

Es wäre zu kurz gesprungen, sich nur mit der großen Mitleidlosigkeit zu befassen, die aufgrund der Behauptung von der „Pandemie der Ungeimpften“ und aller sich darauf gründenden sozialen Einschränkungen und Zwangsmaßnahmen in unserem Land aufschien. Es gab sehr frühe Anzeichen einer Rette-sich-wer-kann-Mentalität, die zutiefst verstörend waren: Im März 2020 war bereits klar, dass das Virus Kindern und jungen gesunden Menschen nicht schaden konnte.

Und doch führte das nicht zur Erleichterung darüber, dass das Leben weitergehen würde, dass die Zukunft nicht auf dem Spiel stand. Stattdessen wurden sie als Gefährder ihrer Erzieher und Lehrer oder auch ihrer alten Familienangehörigen begriffen.

Verordnete Isolation von Menschen

Noch schlimmer war die verordnete Isolation von alten Menschen, die nun zur Einsamkeit bzw. zum einsamen Tod verdammt wurden. Es ist schon herzzerreißend genug, wenn ein einsamer Mensch einsam stirbt.

Aber es ist noch schlimmer, wenn aufgrund politischer Entscheidungen alte und sehr alte Menschen zur Einsamkeit verdammt werden, Corona-Opfer einsam starben, ganz ohne die tröstende Begleitung ihnen nahestehender Menschen. Wann hatte es so etwas je gegeben?

Im Regelfall wurde zudem abgewartet, ob symptomatisch Erkrankte von selbst genesen oder doch schwer erkranken und zu Krankenhausfällen werden würden. Wo blieb die frühzeitige medizinische Gegenwehr, die es in anderen Ländern gab wie etwa in China? China hatte der Welt seine Erfahrungen mit der Behandlung von Erkrankten frühzeitig (März 2020) zur Verfügung gestellt.

Später, als Impfstoffe vorlagen, gab es eine völlige Entsolidarisierung mit den Alten im sogenannten Globalen Süden. Während hierzulande (oder im gesamten westlichen Hochimpfgebiet) die Nadel in jeden kleinen Oberarm gerammt werden sollte, interessierte das Schicksal der Alten in den ärmeren Ländern des Globus nicht die Bohne.

War der Lockdown alternativlos?

Was dort die ganze angeblich alternativlose Politik des „Lockdown“ und von Flugverboten anrichtete, wird im Westen immer noch unterschätzt. Über 200 Millionen Menschen wurden zurück in den täglichen Hunger gestoßen. Die WHO hat zwar gemahnt. Verhindert hat sie nichts.

Impfgeschädigte Menschen, und es ist bis heute nicht klar, wie viele es sind, kämpfen immer noch um Anerkennung und gesellschaftlichen Rückhalt.

Mir ist völlig klar, dass es in einer Pandemie nicht zugehen darf wie im Flohzirkus, und der Schutz der öffentlichen Gesundheit die möglichst disziplinierte Befolgung von Regeln verlangt, auf der Basis solider wissenschaftlicher Fakten und bisheriger pandemiepolitischer Erfahrungen. Tatsächlich wurde von vornherein die wissenschaftliche Diskussion eingeschränkt und staatliche Institutionen zu Gralshütern der „Wahrheit“ erklärt. Schlimmer noch als das Virus sei das Virus der Desinformation, erklärte die WHO im Februar 2020.

Fragen nach Ursprung der Pandemie unterbinden

Aus den vorhandenen Fauci-E-Mails vom Februar 2020 muss man schließen, dass diese Ansage ursprünglich dazu gedacht war, Fragen nach dem Ursprung der Pandemie zu unterbinden und die Hypothese eines natürlichen Ursprungs in den Vordergrund zu rücken.

Aber dabei blieb es nicht. In spektakulärer Allianz zwischen Staat und sozialen Medien wurden wissenschaftliche Hypothesen zur „Randmeinung“ erklärt. So wurde die wissenschaftliche Debatte eingeschränkt, „abweichendes“ von der offiziellen Linie zur wissenschaftlichen „Randmeinung“ erklärt.

Es gab Zensur in sozialen Medien und eine immer größer werdende Herde der professionellen „Faktenchecker“, die nunmehr die „Wahrheit“ präsentierte.

Front gegen die "anderen"

Das alles ging einher mit einer anschwellenden Lust, es den "anderen", den Idioten, den Extremisten, den Falschinformanten, den Aluhutträgern oder Asozialen nun mal so richtig zu zeigen.

Das ist von „oben“ in die Gesellschaft gespült worden, ohne zu bedenken, dass es immer "andere" gibt. Wenn man einmal der Intoleranz verfällt, ist es sehr schwer, ihr wieder zu entsagen.

Die bereits angesprochen Studie im British Medical Journal aus dem Jahr enthält eine Übersicht, welche Maßnahmen in westlichen Ländern eingeführt wurden, um die Impfung aller (der Allermeisten) zu erzwingen bzw. voranzubringen: Pflichtimpfungen bestimmter Berufe, Studien- oder Berufszugangsverweigerung für Nichtgeimpfte (Genesene, nicht „vollständig“ Geimpfte), Einsperren in Lagern, weitgehender Ausschluss aus dem öffentlichen Leben.

Die Studie kam damals zum Schluss, dies alles richte mehr Schaden anrichte, als dass es Gutes bringe.

Familienbeziehungen wurden belastet. Freundschaften zerbrachen. Unsägliche Forderungen, wie die Verweigerung des Zugangs zu Supermärkten für „Ungeimpfte“ wurden erhoben. Einzelne Ärzte verweigerten medizinischen Beistand, darunter in den USA bei Transplantationen. Es gab auch das Gegenteil. Aber es schien nicht dominant.

Man kann die Jahre der Pandemie als eine Warnung begreifen, wie schnell „Gutgemeintes“ in Bösartigkeit, Unmoral und zutiefst Diktatorisches abgleiten kann, besonders dann, wenn man sich voller Angst, aber guten Glaubens auf dem richtigen Weg und im Schoß der Mehrheit wähnt.

Über das alles müssen wir reden, Impfstatus-unabhängig. Denn nichts davon ist ein Kommunikationsproblem. Die bisherige Unfähigkeit dazu und die Selbstbeschwichtigung, man sei doch alles in allem gut durch diese pandemische Prüfung gekommen (abgesehen von ein paar kleineren Irrtümern), ist der Offenbarungseid schlechthin.

Dieser Text erschien zuerst auf der Substack-Seite von Petra Erler.

Petra Erler ist Geschäftsführerin der Strategieberatung European Experience Company GmbH. 1990 war sie nach den ersten freien Wahlen in der DDR Staatssekretärin für Europäische Angelegenheiten. Von 2006 bis 2010 war sie die Kabinettschefin von EU-Kommissar Günter Verheugen.