Panne bei der ARD: Anti-AfD-Statement von Kleindarsteller nährt Misstrauen
Neues Format "Die 100" sorgt für Spekulationen: Sagte der Komparse seine eigene Meinung? Wie professionell werden Sendungen vorbereitet?
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat nicht zum ersten Mal die AfD und deren Umfeld gegen sich aufgebracht. Außerhalb rechter Kreise stellt sich aber dieses Mal zumindest die Frage nach Sorgfalt und Professionalität. Spekuliert wird über ein Anti-AfD-Statement, das ein gelernter Bürokaufmann mit Nebenjobs als Kleindarsteller in einer ARD-Sendung am Montagabend abgegeben hat: Handelt es sich um seine persönliche Meinung, oder hatte der Sender den Mann instruiert?
Das neue ARD-Format "Die 100 – Was Deutschland bewegt" ist laut Moderator Ingo Zamperoni "im Prinzip eine Mischung zwischen Polit-Talkshow". 100 Menschen aus der Bevölkerung nehmen jeweils Stellung zu gesellschaftlichen Themen und "stimmen ab", nachdem zwei Medienschaffende jeweils Fakten und Pro- und Kontra-Argumente zum Thema der Sendung vorgetragen haben.
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Abstimmung über die AfD mit den Füßen
Die Abstimmung erfolgt mit den Füßen: Eine Seite des Studios steht für "ja", die andere für "nein". Moderator Zamperoni befragt sie zu ihren persönlichen Erfahrungen: Wer ändert seine Meinung und warum?
Die Show zur Fragestellung "Ist die AfD eigentlich ein Problem für die Demokratie?" erhielt nicht nur schlechte Kritiken – etwa vom Focus, der schrieb, sie habe wie ein "ernster Kindergeburtstag" gewirkt – sondern schien auch noch alle Vorurteile über die "Lügenpresse" zu bestätigen, als sich ein Teilnehmer, der am Schluss der Sendung seine Meinung zu Ungunsten der AfD geändert hatte, als Kleindarsteller und Komparse entpuppte.
Das schreibt der Komparse auf Instagram
Für AfD-Sympathisanten war der Fall klar. Der Mann selbst schrieb dagegen auf seinem Instagram-Kanal, er habe beim Seitenwechsel im Studio gehofft, dass Zamperoni ihn übersehe – der 54-jährige Michael S. aus Kaiserslautern wollte demnach gar nicht unbedingt erklären, warum er seine Meinung geändert hatte.
Er hatte dann aber gesagt: "Das ist einfach zu erklären. Die AfD ist ein Wolf im Schafspelz. Man weiß nicht, was sie vorhat." Durch die Sendung sei er "auf andere Gedanken gekommen". Als Beruf wurde hierbei nur "Bürokaufmann" eingeblendet.
Über die Agentur Karaktere, die ihm kleine Rollen und Komparsen-Jobs vermittelt, war er nach Aussage einer Mitarbeiterin gegenüber Telepolis aber nicht für diese Sendung gebucht worden.
ARD-Redakteur spricht von Verschwörungsmythen
Mitarbeitende des Senders gehen davon aus, dass es ein Fehler war, nicht zu erkennen, dass der berufliche Hintergrund des Mannes für entsprechende Spekulationen sorgen könnte, bestreiten aber, dass es sich um eine Inszenierung handelt.
Georg Restle, der selbst als Redakteur der ARD-Sendung Monitor arbeitet, schrieb dazu auf der Plattform X: "Hätte nicht passieren dürfen – und ärgert die Macher selber. Wer dagegen behauptet, das sei ‚böse Absicht‘ gewesen, verbreitet Verschwörungsmythen."
Für das Sendeformat können sich "Menschen aus allen Altersklassen, Gesellschaftsschichten und Kulturkreisen" über ein Online-Formular des ARD-Mitgliedssenders NDR sowie telefonisch oder per E-Mail bewerben.