Panzer auf Pump: Deutschland im Rüstungsfieber
Panther gegen Leopard: Ein Duell der Giganten – und die Frage, wer die ambitionierten Rüstungsprojekte bezahlt (Teil 2 und Schluss).
Während, wie im ersten Teil berichtet, das ambitionierte deutsch-französische MGCS-Projekt auf Hochtouren läuft, entbrennt parallel ein Wettstreit um die Vorherrschaft im Bereich der Brückenpanzer.
Zwei Schwergewichte der deutschen Panzerindustrie, KNDS und Rheinmetall, bringen ihre neuesten Modelle ins Rennen.
Mit dem Panther KF 51 CUT wird der Wettstreit zwischen den beiden Panzerbauern aus Deutschland, KNDS Deutschland und Rheinmetall, fortgesetzt. KNDS hatte am Vormittag den Leopard 2 A-RC 3.0 mit unbemanntem Turm und einer Kanone im Kaliber 120 mm und wahlweise bis 140 mm vorgestellt.
Dem hat Rheinmetall den Panther mit unbemanntem Turm und 130 mm Kanone entgegengesetzt. Zielrichtung beider Unternehmen ist die Überbrückung der Fähigkeitslücke einerseits und das Angebot einer Basistechnologie für das Main Ground Combat System, für das die Vergabe für den Bau von Teildemonstratoren nach Auswahl der Technologien ansteht.
Europäische Sicherheit & Technik, 18.6.2024
Wie der Wettlauf ausgehen wird, ist offen.
Allerdings dürfte KMW durch die Abwärtskompatibilität seiner Modelle aufgrund der weiten Verbreitung des Leopard 2 einen deutlichen Startvorteil haben:
KNDS bewertet den Leopard 2 A-RC 3.0 eigenen Angaben zufolge "nicht nur als Brückenlösung bis zur Einführung des Landkampfsystems der nächsten Generation MGCS, sondern auch als entscheidenden technologischen Vorläufer des MGCS". Es wird darauf erwiesen (sic), dass der Leopard 2 A-RC 3.0 trotz "seiner bahnbrechenden Innovationen" vollständig abwärtskompatibel ist.
hartpunkt.de, 13.6.2024
Sofortlösung: Leopard 2 A8
Der Leopard 2 A-RC 3.0 wird teils auch direkt als Leopard 3 bezeichnet, eine Benennung, auf die offiziell vermutlich bewusst verzichtet wurde, um ihn nicht als MGCS-Alternative zu präsentieren.
Allerdings ist eine fortlaufende evolutionäre Weiterentwicklung des Leopard hier definitiv für den Fall mitgedacht, dass das MGCS doch noch scheitert. Durch die starke Position am Markt – Anfang 2023 wurde von über 2.000 Leopard-2-Panzern in den westlichen Staaten berichtet – ist davon auszugehen, dass ein Scheitern des MGCS für Frankreich problematischer wäre als für Deutschland:
Paris steht dabei mehr unter Druck als Berlin, da der Leclerc veraltet ist. Der Leopard 2 wird mit der Version A8 dagegen gerade auf ein neues technisches Niveau geholt. "Von der können wir 300 bis 500 allein in Europa absetzen", sagte eine mit den Planungen vertraute Person.
Handelsblatt, 6.9.2023
Tatsächlich entwickelt sich der Verkauf der neuesten Leopard-Variante 2 A8 – zumindest aus Konzernsicht – positiv. So haben bereits Tschechien (76 Stück) und Norwegen (54 Stück) die modernste Leopard-Version bestellt und Litauen soll ebenfalls Interesse bekundet haben.
Unklar ist dagegen, was aus dem eigentlich bereits beschlossenen italienischen Ankauf von 132 Leopard A8 wird, nachdem aus dem damit in Verbindung stehenden Bündnis zwischen Leonardo und KNDS nichts wurde:
Mit dem Platzen des Bündnisses KNDS-Leonardo ist das Rennen um die Großaufträge Roms wieder offen. In einer knappen Mitteilung von Leonardo zum Gesprächsabbruch heißt es, dass der Konzern für die Entwicklung künftiger Kampfpanzersysteme gut aufgestellt sei, "auch durch die Zusammenarbeit mit anderen qualifizierten internationalen Partnern".
Die Welt, 19.6.2024
Doch auch ohne die italienischen Bestellungen dürfte KMW mit den bisherigen Entwicklungen zufrieden sein. Das hängt sicher auch mit Deutschland zusammen, wo zunächst im Mai 2023 lediglich 525 Millionen Euro für 18 Leopard 2 A8 als Ersatz für dieselbe Zahl alter an die Ukraine abgegebener Panzer bewilligt wurden.
Worum es heute im Haushaltsauschuss geht
Allerdings wurde eine Option für den Kauf weiterer 105 Exemplare für einen Gesamtpreis von 2,93 Milliarden Euro vereinbart – und genau diese Option will das Verteidigungsministerium nun auslösen und sich vom Haushaltsausschuss am heutigen Mittwoch bewilligen lassen.
Geschieht dies, würde der deutsche Leopard-Bestand deutlich auf rund 420 Panzer anwachsen.
Panzer auf Pump: Verpflichtungsermächtigungen
Große Rüstungsprojekte haben häufig jahre- wenn nicht gar jahrzehntelange Laufzeiten – auch die Bezahlung erfolgt dementsprechend meist gestaffelt. Das ist besonders dann ein Problem, wenn die künftig zu entrichtenden Gelder haushälterisch noch überhaupt nicht abgesichert sind und im Volumen immer weiter zunehmen.
Beim Fachblog Augen geradeaus! wird bereits von einem neuen "Rüstungs-Trend" gesprochen:
Große Beschaffungen für die Bundeswehr werden durch den Haushaltsausschuss des Bundestages geschleust, ob für Panzer, Fregatten oder Munition. Den meisten Projekten ist eines gemeinsam: Damit werden Ausgaben gebilligt, die Jahre in der Zukunft erst im Haushalt fällig werden – auch wenn niemand bislang sagen kann, wie der Etat zum Ende des Jahrzehnts aussehen wird.
Augen geradeaus!, 25.6.2024
Dementsprechend hat die Zahl dieser sogenannten Verpflichtungsermächtigungen in den letzten Jahren stetig zugenommen, besonders in diesem Jahr wurde hier ordentlich erhöht:
Neben einer Vielzahl kleinerer Änderungen und der Anpassung an Bedarfe sind zudem Verpflichtungsermächtigungen in Milliardenhöhe ausgebracht worden (…). Diese Verpflichtungsermächtigungen sind teilweise als Anschlussfinanzierung ab 2028 für Projekte aus dem Sondervermögen Bundeswehr gedacht. Die Verpflichtungsermächtigungen in dem Etat liegen nunmehr bei 49,04 Milliarden Euro. Das sind 7,22 Milliarden Euro mehr als im Regierungsentwurf.
Heute im Bundestag, 42/2024
Es spricht vieles dafür, dass sich dieser Trend fortsetzen, ja wahrscheinlich sogar weiter beschleunigen wird. So soll auch die Optionsauslösung der 105 Leopard-Panzer, die ursprünglich einmal aus dem Sondervermögen bezahlt werden sollte, jetzt auf diesem Weg abgesichert werden:
Trotz knapper Kassen treibt Verteidigungsminister Pistorius die Modernisierung seiner Truppe voran. Nach Speigel-Informationen will er mehr als hundert Leopard-Panzer in der modernsten Version einkaufen – für fast drei Milliarden Euro. (…)
In den Unterlagen betont das Finanzressort, dass die Kosten für die Panzer weder durch das 100-Milliarden-Sondervermögen noch durch die bisher angepeilten Jahresbudgets des Wehrressorts für die Jahre ab 2025 abgedeckt seien.
Es solle stattdessen eine sogenannte Verpflichtungsermächtigung erteilt werden. Damit garantiert der Bund, dass die Rechnungen am Ende bezahlt werden und der Auftrag ausgelöst werden kann. (…) Mit dem Modell schafft das Ministerium von Pistorius auch für mögliche Nachfolgeregierungen Fakten.
Spiegel Online, 20.6.2024
Doch nicht nur im Falle der Leopard-Panzer werden aktuell – bewusst – Fakten geschaffen:
Nach Informationen der WirtschaftsWoche arbeiten die Beamten im Berliner Bendlerblock im großen Stil an solchen Rüstungsbestellungen, deren Kosten weder durch das 100-Milliarden-Sondervermögen der Bundeswehr noch durch den laufenden Haushalt gedeckt sind. Koalitionskreise sprechen von Einkaufswünschen in Höhe von 28 Milliarden Euro, deren Finanzierung Stand heute völlig ungeklärt bleibe. (…) "Das Klarna-Prinzip der deutschen Beschaffung: Heute kaufen, später bezahlen", erklärt ein Abgeordneter.
Wirtschaftswoche, 20.6.2024
Lackmustest Finanzplanung
Die aktuelle Mittelfristige Finanzplanung erstreckt sich bis 2027, das letzte Jahr also, in dem hohe Rüstungsausgaben noch vom Sondervermögen abgesichert werden.
Was danach passieren soll – und woher bzw. von wem danach die Gelder kommen sollen, um unter anderem die eingegangenen Verpflichtungsermächtigungen bedienen zu können, steht bislang noch in den Sternen.
Aufschluss soll da die eigentlich für 3. Juli angekündigte neue Mittelfristige Finanzplanung bis 2028 geben – die ist aber erstmal bis Ende Juli verschoben.
Erstmals müsste hier Farbe bekannt werden, wer nach dem Ende des Sondervermögens ab 2028 die Zeche für den aktuellen Rüstungsboom bezahlen soll. Dies ist besonders deshalb entscheidend, weil es hier um enorme Summen geht, die – nachdem Steuererhöhungen (FDP) und/oder eine zweites Sondervermögen (Union) abgelehnt werden - nur durch massive Kürzungen, insbesondere im Bereich Arbeit & Soziales aufgebracht werden könnten:
Neben dem Haushaltentwurf für das Jahr 2025 wird die Bundesregierung auch die Finanzplanung bis 2028 vorstellen. Insbesondere das Jahr 2028 dürfte von besonderem Interesse sein, da zu diesem Zeitpunkt das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sein wird.
Die Erreichung des Zwei-Prozent-Minimums der Nato wird dann nur durch erneute Schulden oder eine extrem starke Anhebung des regulären Verteidigungshaushalts zu erreichen sein. Einem Bericht des Spiegels zufolge plane man im Ministerium mit einem Haushalt von ca. 97 Milliarden Euro im Jahr 2028, um allein die Nato-Vorgabe zu erfüllen.
Einen Bedarf von weiteren zehn Milliarden Euro sehen man allerdings noch zusätzlich, um alle Bedarfe decken zu können. Dies entspräche einer Verdopplung des aktuellen regulären Einzelplan 14.
Europäische Sicherheit & Technik, 26.6.2024