Papst Franziskus: Der filmreife Tod
Papst Franziskus während seiner wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz im März 2024. Bild: Alessia Pierdomenico / shutterstock.com
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1,5 Milliarden Christen trauern. An einem Ostermontag zu sterben, ist das Datum erster Wahl für einen guten Christen? Wie man mit dem Tod dieses Papstes umgehen könnte.
An einem Ostermontag zu sterben, ist das Datum erster Wahl für einen guten Christen, hieß es in den Nachrichten. Denn Papst Franziskus hat genau das hinbekommen und ist nun tot. Eineinhalb Milliarden Christen trauern.
Eigenen Aussagen zufolge war er ein Freund aller Narrative, die mehr der Wahrheit dienen anstatt der Macht. In seiner Enzyklika Evangelii Gaudium (2013) schrieb er:1
Die Kirche muss Wege finden, die Sprache der Menschen zu sprechen. Sie soll auch die Literatur, den Film und die Kunst nicht fürchten.
Er meinte, gute Bücher und Filme würden helfen, komplexe Prozesse verständlich zu machen und Menschen da zu berühren, wo Dogmen es nicht mehr tun. Und darum hier einige Bücher und Filme zum Anlass.
Das Sachbuch "Konklave. Die Geheimnisse der Papstwahl" (Hubert Wolf, 2012) schildert die Geschichte der Papstwahlen vom Frühmittelalter bis heute. "Konklave" (Robert Harris, 2016) ist so eine Art Romanvariante dazu, und das Buch handelt von Intrigen und Konflikten während einer gleichnamigen Papstwahl-Beratung.
Dieses Buch und auch der spätere Film dazu (2024) leben von journalistisch genau recherchierten Beschreibungen zeremonieller Feinheiten wie der Türverriegelung, von Abläufen im Domus Sanctae Marthae und liturgischen Formeln. 1958 wurden sogar noch die Türen zugemauert.
Wer eher Informationen zur Wahl von Franziskus selbst haben möchte, für den ist das Buch der Wahl "The Election of Pope Francis: An Inside Account of the Conclave That Changed History" (Gerard O’Connell, 2019). 2005, beim Vorgänger-Konklave, war Franziskus noch Zweitplatzierter gewesen.
Die Filme und ein stilles Kopfnicken
Als der Sieger von damals dann aber abdankte, eine für das Papstamt eigentlich nicht vorgesehene Rentenform, kam es zu einer arbeitsrechtlich und kulturhistorisch ungewöhnlichen Konstellation für die Welt der Christenheit und die Filmindustrie: Der Film "Die zwei Päpste" ("The Two Popes", 2019) zeigt ein fiktives Treffen zwischen diesem Vorgänger Papst Benedikt XVI. und Kardinal Jorge Mario Bergoglio, dem späteren Papst Franziskus.
Im Kontext eines Papst-Todes einen komischen Film zu zitieren, mag geschmacklos wirken, aber Volkstümlichkeit war ein franziskanisches Markenzeichen und angeblich soll er eine Kopie gehabt haben von dem Film "Habemus Papam – Ein Papst büxt aus" ("We Have a Pope", 2011). Darin erleidet ein neu gewählter Papst eine Panikattacke und flieht aus dem Vatikan.
Ernsthafter kommt "Chiamatemi Francesco – Il Papa della gente" ("Call Me Francis", 2015) daher: ein biografischer Film über sein Leben von Buenos Aires bis Rom. Liebhabern des Genres historische Filme sei ein weiteres "The Conclave" (2006) genannt: ein Drama über das Konklave von 1458 und den jungen Kardinal Rodrigo Borgia, den späteren Papst Alexander VI.
Fast schon selbst historisch ist "Die Schuhe des Fischers" ("The Shoes of the Fisherman", 1968) aus den 1960ern. Darin wird ein russischer Kardinal überraschend zum Papst gewählt, in diesen Tagen ganz besonders schillernder Plot.
Ebenfalls geschichtsträchtig sind "Papst Johannes Paul II." ("Pope John Paul II", 2005) über das Leben von Papst Johannes Paul II., formerly known as Karol Wojtyła – oder "Karol: Ein Mann, der Papst wurde" ("Karol: A Man Who Became Pope", 2005).
Diese Liste macht aus, wie man mit dem Tod dieses Papstes umgehen könnte. Denn auf den Tod dieses Papstes ist kaum anders zu reagieren als mit einem stillen Kopfnicken und einem Plan für einen stillen Fernsehabend.
Spitzname "Spontifex"
Kein großer Gestus. Genauso, wie er nicht im Vatikan beerdigt werden wollte, sondern in einer outgesourcten location. Franziskus hatte verfügt, in die Basilika Santa Maria Maggiore in Rom zu kommen, seiner Verehrung für die dort aufbewahrte Marienikone Salus Populi Romani wegen.
Vor der hat er gern vor und nach Auslandsreisen gebetet. In diesem Fall passt es nun für beides. Er war beliebt, aber nicht bei allen. Sein Spitzname war "Spontifex", nicht nur, weil er manchmal spontan zum Telefon griff, um Sachfragen persönlich zu klären – nachdem sichergestellt worden war, dass es sich nicht um einen Telefonscherz handelte.
Franziskus war den einen zu spontan und den anderen zu wenig. Seine Öffnung gegenüber Wiederverheirateten und seine Kritik am globalen Kapitalismus – das fanden ganze Bischofskonferenzen zu protestantisch und antisakrosankt.
Wiederum anderen war sein Umgang mit autoritären Regimen zu weich, sein Umgang mit der LGBTQ-Community war den einen zu einfarbig und anderen zu bunt.
Zu viele Reformen soll er auf den Weg gebracht haben und gleichzeitig zu wenig – und Gewerkschaften werden ihn auf alle Zeit dafür in Erinnerung behalten, dass er am Tag vor seinem Tod sterbenskrank gearbeitet hat und das noch dazu ohne jedwede außertarifliche Vergütung.
Bei eineinhalb Milliarden ist es schwer, es allen recht zu machen.
Klappe halten?
Darum ist – wie oft im Leben – Klappe halten also eine praktische Möglichkeit des Umgangs mit diesem Tod. Denn "Schweigen hat seine Zeit und Reden hat seine Zeit" (Prediger 3,7), "ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn" (Jakobus 1,19), "wer aber seine Lippen im Zaum hält, ist klug" (Sprüche 10,19) und "wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle" (1. Korinther 13,1–2).
Anders gesagt: Manchmal ist kein Kommentar der beste Kommentar, solange dieses Schweigen wohlwollend ist, nicht nur diesem einen Todesfall gegenüber. Denn es ist ja nicht so, dass nur der Papst sterblich gewesen wäre, sondern wir haben das Thema ja alle. Nur nicht jeder heute.
Göttlicher Move
Also freuen wir uns am besten über alles, worüber man sich freuen kann, wie zum Beispiel über diesen göttlichen Move, als Papst am Ostermontag zu sterben. Denn ganz genau genommen wäre der Karfreitag als Todestag Jesu dafür geeigneter gewesen.
Aber wenn sogar solche hochrangigen Experten typisch menschliche Fehler machen, dann ist das doch schön. Oder es war seine letzte spontane Aktion?
Dann war sein letztes "urbi et orbi", der Ostersegen für Rom und Umgebung, vielleicht eine der coolsten famous-almost-last-words aller Zeiten: über die ewigen Themen Vergebung der Schuld und Besserung des Lebens, über Herz, Gnade und Trost – alles wie seine Fahrten im bescheidenen Fiat: filmreif.