Parkinson als Berufskrankheit bei Landwirten anerkannt

Nach jahrelanger Diskussion ist es offiziell: Parkinson gilt als Berufskrankheit bei Landwirten. Der Auslöser sind Pestizide. Doch die Hersteller der gefährlichen Mittel bleiben bisher unbehelligt.
Dass die konventionelle Landwirtschaft nicht nur die Umwelt beeinträchtigt, sondern auch die Gesundheit der Landwirte in Gefahr bringt, wird bei der Supermarkt-Jagd auf das billigste Schnitzel gerne verdrängt.
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundessozialministerium hat im vergangenen Jahr nach einer zwölfjährigen Diskussion entschieden, dass Parkinson nach dem Einsatz von Pestiziden eine Berufskrankheit darstellen kann.
Die wissenschaftliche Evidenz für die Auslösung der Parkinson-Krankheit durch bestimmte Pestizide ist in der Wissenschaftlichen Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats für die Berufskrankheit "Parkinson-Syndrom durch Pestizide" ausführlich dargestellt.
Inzwischen wird Parkinson durch Pflanzenschutzmittel als Berufskrankheit bei Landwirten in Deutschland anerkannt, wenn sie nachweisen können, dass bei ihnen die Erfüllung des Dosismaßes von mindestens 100 trendkorrigierten Anwendungstagen in eigener Vor- und Nacharbeit der Pestizid-Ausbringung oder in eigener Pestizid-Ausbringung oder in eigener Störungsbeseitigung im Rahmen der Pestizid-Ausbringung und das gesicherte Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung gegeben sind.
Alle Menschen, auf welche diese Voraussetzungen zutreffen, haben das Recht, sich an die Berufsgenossenschaft zu wenden. Parkinson-Patienten, die eine berufliche Exposition mit Pestiziden haben, sollten ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte vom Umstand ihrer beruflichen Exposition unterrichten. Dies betrifft Landwirte, Winzer und andere Anwender von Pestiziden. Und da sind Herbizide, Fungizide und Insektizide eingeschlossen.
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Gegebenenfalls muss dann eine Anzeige bei der Berufsgenossenschaft erfolgen. Die aktuellen Kriterien für das Vorliegen einer Berufskrankheit sind. Bis Ende Februar 2025 gab es bereits 8.000 Anträge. Deswegen hat die zuständige Berufsgenossenschaft ihre Beiträge erhöht.
Diese Erhöhung gilt auch für Biobauern, die systembedingt derartige Pflanzenschutzmittel gar nicht einsetzen. Die Agrarier aus der Biolandwirtschaft sind darüber besonders verärgert, weil die Pflanzenschutzhersteller nicht für die Gesundheitsfolgen ihrer Produkte bezahlen müssen.
Begründung des Zusammenhangs zwischen Pflanzenschutz und Parkinson
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) stellen im Zusammenhang mit der Frage der durch Pestizide ausgelösten Parkinson-Erkrankungen bei Landwirten fest:
Die kritische Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen der der Empfehlung zugrunde liegenden Studien – tierexperimentellen, In-vitro- (in der Regel Zell-Experimente) und epidemiologischen Studien (Beobachtungsstudien in der Bevölkerung) sowie Metaanalysen (d. h. eine Zusammenfassung und Auswertung mehrerer Studien) – erlaubt eine differenzierte Sicht auf das komplexe Thema.
Hervorzuheben ist die dezidierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Substanzen und Substanzgruppen von Herbiziden, Fungiziden oder Insektiziden, die unter dem Sammelbegriff "Pestizide" als Pflanzenschutzmittel Verwendung finden.
Die Darstellung bisher bekannter Mechanismen, die zur Entstehung von Parkinson beitragen können, veranschaulicht, dass neben einer direkt toxischen (giftigen) Wirkung auf Nervenzellen, insbesondere auf dopaminerge Neurone (d. h. auf die Nervenzellen, die bei der Parkinson-Erkrankung zugrunde gehen), auch Stoffwechselvorgänge verändert und Mechanismen induziert werden, die ebenfalls zur Krankheitsentstehung beitragen.
Dies sind u. a. Störung der mitochondrialen Funktion (d. h. des Energieapparats von Zellen), Bildung sogenannter freier Radikale und damit Zunahme von oxidativem Stress (Zellstress), Störung des Aufbaus des Stützapparats von Zellen und viele mehr.
In anderen EU-Ländern ist Parkinson als Berufskrankheit längst anerkannt
Für Landwirte in Frankreich ist Parkinson ja schon seit 2012 als Berufskrankheit anerkannt. Auch Italien war mit der Anerkennung schneller als Deutschland. Das hängt damit zusammen, dass Berufskrankheiten in der EU nicht einheitlich definiert sind, weil die EU-Mitgliedsländer sich nicht in ihre Gesetzgebung hineinreden lassen wollten.
In Deutschland arbeitet der Ärztliche Sachverständigenbeirat wie die im Zusammenhang mit Covid-19 bekannter gewordene Ständige Impfkommission nur ehrenamtlich. Das sorgt für eine deutliche Entschleunigung bei der Arbeit dieser Gremien.
Letztlich hat die schiere Vielzahl an Studien aus der ganzen Welt, mit einer guten Datenqualität, auch über die Dosis-Wirkungs-Beziehung, die Entscheidung zur Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit erleichtert. Bislang wird in Deutschland die Frage, ob auch Unbeteiligte durch Pestizide geschädigt werden können, nicht ernsthaft diskutiert.
Während die Pharmaindustrie in Deutschland jetzt für die vierte Stufe in Kläranlagen bezahlen soll, weil die von ihr vertriebenen Produkte über die Ausscheidungen der Patienten im Abwasser landen, können sich die großen Pestizidhersteller wie die Syngenta Group, Bayer, Corteva und BASF, die etwa zwei Drittel des globalen Pestizidmarktes beherrschen, bislang erfolgreich um die dringend notwendige Schadensregulierung drücken.